„In Rodenkirchen gibt es genügend Talente“

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Herr Aw-Schräder, wie spricht man Ihren Namen eigentlich aus?

Der Familienname hört sich wie Au-Schräder an und der Vorname Yeow ungefähr wie jau-hoi. Das ist chinesisch und bedeutet strahlend. Ich bin zwar in Malaysia aufgewachsen, meine Eltern stammen aber aus China.

Sie hatten im Juli einen großen Opernauftritt in der City Opera in Kuala Lumpur. Sie haben den Giorgio Germont in der Verdi-Oper La Traviata gesungen. Das ist eigentlich ein Böser. Fiel Ihnen die Rolle leicht, sind Sie ein „Böser“?

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Ich denke nicht, aber natürlich kann man es nicht immer allen recht machen. Ich würde sagen, dass ich eher ein Strenger bin. Das kommt von meiner chinesischen Erziehung, die unbedingte Disziplin in jeder Hinsicht verlangte. Geprägt hat mich aber auch die deutsche Mentalität, die ich immer mit Gründlichkeit verbinde. Ich versuche immer, das Beste aus allem heraus zu holen und Ziele und Träume konsequent zu verfolgen. Ich bin auch streng zu mir selbst und ein Perfektionist.

Wenn Sie an der Kölner Oper gesungen hätten, was wäre dort anders gewesen als in Kuala Lumpur?

Ich hätte kein Heimweh gehabt. Ich muss zugeben, dass ich Köln und mein Lebensumfeld sehr vermisst habe. Auf jeden Fall wäre hier der Leistungsdruck größer gewesen, ich hätte ein kritischeres Fachpublikum vor mir gehabt, die Proben wären in Köln wahrscheinlich geregelter abgelaufen.

Inwiefern?

Zum Beispiel fiel bei der Durchlaufprobe für die zweite Besetzung urplötzlich der Pianist aus. Man hat mich gebeten, spontan einzuspringen. Ich habe dann auf dem Flügel die ganze Oper aus dem Stand begleitet, zweieinhalb Stunden vom Blatt gespielt. Einiges davon war absolut neu für mich.

Wo sind Sie sonst noch aufgetreten?

Ich sang 2010 den Figaro in Rossinis „Barbier von Sevilla“ bei den Internationalen Opernfestivals in Korea. Ich gebe regelmäßig Liederabende in Japan, zuletzt 2018. Ich war an der Bangkok Opera, in Polen, an der Bonner Oper, am Detmolder Landestheater und anderen Spielstätten.

Was steht als Nächstes an?

Im Oktober bin ich wieder nach Kuala Lumpur eingeladen, offenbar habe ich meine Sache nicht so schlecht gemacht. Diesmal singe ich den Papageno in der Zauberflöte von Mozart. Das ist natürlich eine ganz andere Rolle als der Germont. Papageno ist ein aufgeweckter, fröhlicher Naturbursche, halb Mensch, halb Vogel. Ich freue mich.

Warum sind Sie damals ausgerechnet nach Deutschland gekommen?

Ich wollte unbedingt Musik studieren. Deutschland bot dafür gute Möglichkeiten und hatte einen guten Ruf, und hat ihn immer noch. In NRW musste man damals außerdem keine Studiengebühren zahlen, wenn man die Aufnahmeprüfung bestand. Jetzt habe ich hier meinen beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt gefunden.

Ein Instrument lernen, selbst musizieren und singen – hat das überhaupt noch Zukunft im digitalen Zeitalter?

Das Arbeiten mit dem Instrument, selbst Töne zu produzieren mit der eigenen Stimme, mit der Blockflöte oder der Gitarre, das gemeinschaftliche Üben bis zum Konzert, der Adrenalin-Kick beim Auftritt, die Freude, der Nachklang – das alles kann man digital nicht ersetzen. Und bei einem Auftritt auf der Bühne kann man auch viel über sich selbst lernen. Wie reagiere ich auf das Publikum, wie schlagfertig bin ich… Man kann auch alleine für sich üben, aber die Gemeinsamkeit im Ensemble und im Chor macht schon Spaß. Das zeigt ja auch die aktuelle Chorbegeisterung.

Sie haben gesagt, dass Sie immer versuchen, Ziele und Träume konsequent zu verfolgen. Was haben Sie als nächstes vor?

Ich möchte die klassische Musik in Rodenkirchen stärker etablieren. In unserem schuleigenen Kammermusiksaal, wo wir auch proben, bieten wir bereits klassische Konzerte bei freiem Eintritt an. Aber es gibt meistens nur wenige Besucher. Das soll sich ändern. Ein Konzept habe ich mir aber noch nicht überlegt. Dann würde ich gern ein Ukulele-Ensemble aufbauen. Es gibt Interesse, aber das reicht noch nicht für ein Ensemble. Und mir schwebt vor allem eine komplette Chorschule für alle Altersstufen vor. Wir würden uns mit weltlicher Chorliteratur befassen, nicht nur Pop oder Kirchenmusik singen. Ich glaube, in Rodenkirchen gäbe es genügend Talente.

STECKBRIEF

Was mir gefällt in Rodenkirchen: Die gute Lebensqualität und die gepflegte Atmosphäre.

Das gibt es nur in Rodenkirchen: Der direkte Zugang zum Strand am Rhein ist fantastisch.

Mein liebster Ort: Die große Wiese am Rheinufer

ZUR PERSON

Yeow Hoay Aw-Schräder kam vor 25 Jahren zum Studium aus Malaysia nach Deutschland und lebt seit 2010 in Rodenkirchen. Der diplomierte Musikpädagoge und studierte Opernsänger gründete hier eine eigene Musikschule „MuR 128“, die sich seit 2015 an der Hauptstraße 128 befindet. Der 44-jährige Bariton hat außerdem vor fünf Jahren den gemischten Chor „VO!CE Rodenkirchen“ aufgebaut. Die 30 Sängerinnen und Sängern haben den nächsten Auftritt am Samstag, 12. Oktober, im Kölner Dom. (süs) www.Musikunterrichtinrodenkirchen.de

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