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Junggesellenabschiede, EM, KarnevalAnwohner klagen über zu viele Events in Köln: „Das ist kein Spaß mehr“

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Ein Junggesellinnenabschied in der Kölner Innenstadt. Der sogenannte Sauftourismus wird zunehmend kritisiert.

Ein Junggesellinnenabschied in der Kölner Innenstadt. Der sogenannte Sauftourismus wird zunehmend kritisiert.

Kultur- oder Eventstadt: Was will Köln denn nun sein? Und muss sich eine Millionenstadt überhaupt entscheiden?

Köln zwischen Hochkultur und Eventstadt – diesen Konflikt gibt es in der Stadt seit Jahren. Und er spitzt sich zu. Auf der einen Seite sollen entlang der Via Culturalis zwischen dem Dom und der Kirche St. Maria im Kapitol (nahe Heumarkt) Kölns einmalige Kulturschätze miteinander verbunden werden. Auf der anderen Seite steht die Altstadt durch den Karneval, das Fest rund um den Christopher Street Day und im nächsten Jahr noch dem Fan-Dorf zur Fußball-Europameisterschaft unter enormem Eventdruck.

Bürgergemeinschaft Altstadt: „Die Eventindustrie schneidet sich immer größere Stücke aus der Stadt“

„Via Culturalis oder Via Ballermann“ lautete daher der Titel des Montagsgesprächs des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA). Dass das Thema die Kölnerinnen und Kölner umtreibt, zeigte sich am Zustrom zum Diskussionsabend im Domforum. Die Debatte wurde schnell emotional. Im Zentrum stand die grundsätzliche Frage, ob Köln sich als Eventstadt verkauft - oder es unvermeidlicherweise ist. „Die Eventindustrie schneidet sich immer größere Stücke aus der Innenstadt heraus“, sagte Joachim Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt, unter Beifall des Publikums. „Das zerschreddert die Struktur der Stadt.“

Manfred Richter von den Grünen warf einen pragmatischen Blick auf die Situation. „Es ist nicht gut oder schlecht, dass die Menschen zur EM nach Köln kommen, oder zum Karneval. Wenn wir nichts organisieren, läuft es unkontrolliert. Die Alternative ist, dass Köln keine EM-Stadt wird und dem Karneval abschwört. Aber das wird doch nicht passieren.“ Die Stadt müsse einsehen, dass sie für den Karneval eins der Epizentren weltweit sei, und darauf reagieren. „Das ist kein Spaß mehr, Herr Richter“, so Groth. „Wohnen Sie die vier Wochen zur EM mal in der Altstadt. Man muss doch nicht immer das Saufen protegieren.“

Bürger wollen Kampagne gegen „Ballermann-Tourismus“

Kritik gab es auch aus dem Publikum daran, dass Köln sich über Werbekampagnen von Köln Tourismus außerhalb als Eventhochburg präsentiere. „Warum ist die einzige Antwort darauf zu sagen, die Leute kommen sowieso?“, fragte eine Bürgerin. „Warum sagen wir nicht ganz klar: Wir wollen diesen Ballermann-Tourismus nicht? Eine Kampagne für die Kultur allein reicht nicht.“ Grünen-Politiker Richter hielt fest: „Wir können nicht sagen: Bleibt alle draußen.“

Kulturdezernent Stefan Charles setzt hingegen darauf, dass mit der Via Culturalis möglich sein wird, auch ein anderes Publikum in die Stadt zu bekommen. „Es gehört zu Köln, Gastgeber zu sein. Aber das heißt nicht nur, möglichst viel Bier zu zapfen. Ich werde versuchen, mit der Kultur einen Beitrag dazu zu leisten.“ Eine akute Antwort auf den Eventdruck in der Stadt ist die Kölner Museenlandschaft allerdings nicht, räumte Dombaumeister Peter Füssenich ein. „Wir müssen noch etwas durchhalten. Momentan hängen an vielen Projekten aber auch die Preisschilder. Wir müssen uns doch aber fragen, was wir uns als Stadt leisten wollen?“

Füssenich spielte damit vor allem auf die Historische Mitte an. Die Planungen für die erstmals 2014 präsentierte Idee laufen konkret seit 2018. Noch hat der Stadtrat dem Bau aber nicht zugestimmt, das soll Ende dieses Jahres passieren. Charles zeigte sich trotzdem zuversichtlich, dass sich mit der Kölner Kulturlandschaft dem bisherigen Tourismus etwas entgegensetzen lässt.

„Mit der Via Culturalis wird Köln zum Magnet nicht nur für Sportfans oder Bachelorpartys“, sagte er. „Ich verstehe, dass die ganzen Sanierungen gerade schmerzhaft sind. Aber wie in einem Puzzleteil wird in den nächsten drei, vier, fünf Jahren eine nach der anderen Kultureinrichtung fertig.“ Aus dem Publikum war daraufhin Gelächter zu vernehmen - die Zuversicht der Kölnerinnen und Kölner ist angesichts immer wieder verzögerter Bauprojekte deutlich geringer als die ihres Kulturdezernenten.

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