„Eltern und Schüler stehen im Regen“Pläne für zweite Gesamtschule in Kalk geplatzt

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Kurt-Tucholsky

Die Kurt-Tucholsky-Hauptschule in Kalk.

Die Pläne für eine zweite Gesamtschule im Stadtbezirk Köln-Kalk sind geplatzt: Eigentlich sollte nach den Vorstellungen der Verwaltung die Kurt-Tucholsky-Hauptschule in Neubrück schon zum kommenden Schuljahr in eine Gesamtschule umgewandelt werden. Dadurch sollten 108 Gesamtschulplätze für das kommende Schuljahr geschaffen werden, um angesichts von 1000 abgelehnten Kindern an Gesamtschulen für die nächste Anmeldephase etwas Entspannung zu schaffen. Im Endausbau sollten durch einen auf dem Gelände geplanten Erweiterungsbau dort knapp 900 Schülerinnen und Schüler lernen.

Dringlichkeitssitzung angesetzt

Die Planung wurde auf einen Antrag von SPD und Linken hin angestoßen. Doch nun wurde der Verwaltungsvorschlag in der eigens angesetzten Dringlichkeitssitzung des Schulausschusses, in der das Projekt eigentlich auf den Weg gebracht werden sollte, mit den Stimmen von CDU, Grünen, Volt und FDP abgelehnt. „Eine funktionierende und erfolgreiche Hauptschule zum jetzigen Zeitpunkt zu schließen, wird als nicht sinnvoll erachtet“, heißt es in dem Änderungsantrag.

„Zu viele Hindernisse“

Die Grünen begründeten dies unter anderem mit sehr schwierigen räumlichen Bedingungen, unter denen die Gesamtschule starten würde. Erstens seien Hauptschulklassen deutlich kleiner als übliche Gesamtschulklassen. Zudem müssten sämtliche Fachräume von beiden Schulen gleichzeitig genutzt werden. Hintergrund ist, dass Haupt- und Gesamtschule den Standort in den nächsten Jahren gemeinsam nutzen müssten, bis alle derzeit auf der Hauptschule unterrichteten Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss gemacht haben. „Wir brauchen vollwertige neue Gesamtschulen für Köln. Es hilft niemandem, aus einer gut funktionierenden und stark nachgefragten Hauptschule eine Gesamtschule zu machen, die von Anfang an mit vielen Hindernissen kämpfen muss“, erklärte Bärbel Hölzing (Grüne).

Außerdem wurden inhaltliche Bedenken geäußert: „Eine gut funktionierende Hauptschule, in der sozioökonomisch benachteiligte Schüler und Schüler mit Migrationshintergrund mit einem Sprachförderkonzept sehr gut begleitet werden, sollte nicht geschlossen werden“, ergänzte Constanze Aengenvoort (CDU). Man solle erst schauen, wie sich die Eröffnung der erzbischöflichen Gesamtschule in Kalk 2024/25 auswirke. Auch Andrea Browers betonte, die Kurt-Tucholsky-Hauptschule leiste hervorragende Arbeit bei der Inklusion. Stefanie Ruffen (FDP) begründete, der Standort sei gerade für eine Gesamtschule mit großem Einzugsgebiet schlecht mit dem ÖPNV zu erreichen und außerdem zu klein.

„Bildungspolitischer Skandal“

SPD und Linke, auf deren Antrag der Vorschlag zurückging, reagierten empört auf das Nein. Der schulpolitische Sprecher der SPD, Oliver Seeck, bezeichnete den Änderungsantrag als „bildungspolitischen Skandal“. Erneut werde vom Bündnis aus Grünen, CDU und Volt aktiv eine Gesamtschule verhindert. So würden dringend notwendige neue Gesamtschulplätze verhindert. Die Grünen folgten „der ideologischen Bildungspolitik der CDU aus den achtziger Jahren und stellen sich gegen ihr eigenes Wahlprogramm“. Heiner Kockerbeck (Linke) kritisierte, das Ratsbündnis dürfe nach dem heutigen Tag nicht mehr behaupten, es würde alles für den Ausbau der Gesamtschulen tun. Die Entscheidung sei ein „schwerer Fehler“. Die hervorragende Arbeit der Hauptschule in der Inklusion hätte sich problemlos in das größere System Gesamtschule integrieren lassen. Die Umwandlung der Kurt-Tucholsky-Hauptschule in eine Gesamtschule ist nach den Plänen der Verwaltung die einzige Option, zusätzliche Gesamtschulplätze schon im kommenden Schuljahr zu schaffen. Alle anderen Ausbaupläne beziehen sich auf das Schuljahr 2024/25.

„Eltern und Schüler stehen im Regen“

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Köln übte scharfe Kritik. Die Grünen hätten in ihrem Wahlprogramm versprochen, sich für einen stärkeren Ausbau der Gesamtschulen einzusetzen. „Nun lassen sie Eltern und Schülerinnen und Schüler im Regen stehen“, kritisierte Klaus Minartz vom Arbeitskreis Schulentwicklung. „In Köln gibt es genügend Hauptschulplätze, aber zu wenige Gesamtschulen.“ Die Bürgerschaft vor Ort erwarte die Schaffung von Schulplätzen an weiterführenden Schulen für alle Kinder und Leistungsgruppen, betonte Dagmar Naegele, sachkundige Einwohnerin im Schulausschuss und Landesvorstand der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschulen NRW.

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Die Auslastung der Kurt-Tucholsky-Hauptschule lag zuletzt bei 40 Prozent. Für dieses Schuljahr hatten sich 35 Fünftklässler angemeldet – bei einer Kapazität von 72 Schülerinnen und Schülern. An der Katharina-Henoth-Gesamtschule als derzeit einziger Gesamtschule im Bezirk Kalk gingen dagegen für dieses Schuljahr 298 Anmeldungen für die 162 Plätze ein. Allerdings steigt der Bedarf in der Kurt-Tucholsky-Hauptschule nach der Erprobungsstufe deutlich an, da dann zum siebten Schuljahr auch Realschüler auf die Hauptschule wechseln. Für Wechsler müssen genug Plätze vorgehalten werden. Die Bezirksregierung hatte sich negativ zu der Umwandlung geäußert, da die Kurt-Tucholsky-Hauptschule gerade durch ihre überschaubare Größe, individuelle Betreuung der heterogenen Schülerschaft und spezielle Sprachförderkonzepte einen wertvollen Beitrag zur Inklusion und Integration leiste.

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