Die Kölner Künstlerin Christine Kassing vergrößert St. Theodor in Vingst mit mehrdimensionalen, surrealistischen Malereien und Zeichnungen.
Räume ohne BodenWerke von Christine Kassing in Kölner Kirche St. Theodor

Christine Kassing zeigt neben vielen anderen ihr Gemälde „Wohin sind all die Möwen“ in Vingst.
Copyright: Thomas Dahl
Das tragende Element in Christine Kassings Kunstwelten ist ein unsicherer Boden, der sich stets als fehlendes Teil eines Schachbrettes dem verführerischen Untergrund offenbart. In einer epischen visuellen Erzählung führt die Künstlerin die Betrachter durch triste Gassen entlang verfallender Mauern, wilder Gärten sowie scheinbar leerstehender Häuser in Richtung Utopia. Trotz der oftmals dunklen Farbtöne entwirft Kassing neue urbane Gefilde als Leuchttürme, in denen noch Raum für reale Träume ist. Hier teilen sich Menschen, Pflanzen und unabhängige Gedanken die weitläufigen Räume.
Gesprühte Oberflächen in Kobalt-Blau
Dass dem Himmel über den Szenerien oftmals das Kolorit ausgeht, liegt nicht an einem Mangel an Licht sondern an der Großzügigkeit seiner Farbausschüttungen auf die unteren Bildregionen. 26 mal betört die Kölnerin mit experimentellen Werken aus Acryl- und Ölfarben, Ölstiften oder Spraydosen, die sich jeglicher Kategorisierung entziehen, wie die kachelartigen Oberflächen ihrer fließenden violetten, kobalt-blauen, neon-orangen oder karmin-roten Mosaike. Jene Gestalten, die dort durch das Leben schreiten, zeigen sich furchtlos, selbstbestimmt und entspannt.
Sie verabschieden sich von physikalischen Gesetzen wie der Gravitation – sie schweben, schwelgen, schlafen im Gehen oder Sitzen und transferieren ihr wunderliches Sein in folgende Ansichten. So zoomt Kassing etwa einzelne Figuren aus dem Eröffnungsgemälde „Tragend“ als Hauptdarstellerinnen und -darsteller sieben kleinformatiger Arbeiten („Der Wandeler“, „Die Liegende“, „Der Suchende“, „Die Lauernde“, „Die Wächterin“, „Die Clowneske“, „Der Wartende“) unmittelbar vor das Auge der Betrachter heran und mobilisiert die Kipppunkte ins eigene Ich. Einige Linolschnitte kreieren zarte Brüche auf dem ungewöhnlichen Kirchenrundgang.
Spritituell-inspirierendes Gesamtwerk im Kunstraum St. Theodor
Seit ihrem Studienabschluss an der Kunstakademie Münster blickt Christine Kassing auf deutschlandweite Ausstellungen zurück. Das Kölner Engagement markiert nach Stationen in Bochum, Aachen und Hamburg bereits die vierte Präsentation der Ehrenfelderin in diesem Jahr. Die letzte Werkschau des Jahres markiert ein weiteres Highlight im Rahmen der Vingster Veranstaltungsserie. Den Initiatoren der Katholischen Kirchengemeinde St. Theodor/St. Elisabeth Köln Höhenberg-Vingst („HöVi“) ist es dabei in den vergangenen zwölf Monaten gelungen, ein spirituell-inspirierendes Gesamtwerk vorzustellen, das individuelle wie kollektive Sehnsüchte abseits religiöser Leitlinien oder Vorgaben widerspiegelt. Als alternative Galerie sollte die Stätte eine fixe Adresse in der Kunststadt Köln darstellen. Am Sonntag, 9. November, ist die Künstlerin zwischen 12 und 13 Uhr persönlich vor Ort.
„Tragend“, Christine Kassing, Kunstraum St. Theodor, Burgstraße 42, 51103 Köln, bis 23. November, Öffnungszeiten: samstags 13 bis 15 Uhr, sonntags 12-13 Uhr und nach Vereinbarung

