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Kalker Fahrradwerkstatt für Suchtkranke„Ich war auf Koks, Pep und habe gekifft“

4 min
Mehrere Menschen stehen hinter einer Art Theke, daran lehnt ein Fahrrad, weitere Kinderräder stehen am Rand.

Das Team der Zweiradwerkstatt 180° gibt „Drogengebrauchenden Menschen“ einen Arbeitsplatz. Und Kunden eine Anlaufstelle für ihre Reparaturen. 

In einer Fahrradwerkstatt in Humboldt-Gremberg finden Menschen mit Drogenkarriere eine Beschäftigung. Einige schaffen sogar eine Ausbildung. 

Denis hat ein Klapprad an einer der zwei Vorrichtungen befestigt, die in der Werkstatt die Reparatur der Zweiräder erleichtern. „Der Besitzer will, dass wir den Gepäckträger abmontieren, damit er das Rad in der Bahn mitnehmen kann. Ohne Gepäckträger und zusammengeklappt zählt es als Handgepäck und man muss kein Extra-Ticket kaufen“, weiß der 44-Jährige.

Denis ist einer von zwei Umschülern, die in der Zweiradwerkstatt 180° in Kalk gerade ihre zweijährige Ausbildung zum Fahrradmonteur absolvieren. Gelernt hat er eigentlich mal Schreiner, aber eine Drogenkarriere führte ihn ins Abseits. „Ich war auf Koks, Pep und habe gekifft“, sagt Denis. Inzwischen rauche er nur noch. Über das Jobcenter hat er nach einem Entzug seine Arbeitsstelle an der Odenwaldstraße in Humboldt-Gremberg gefunden.

Drogengebrauchende Hilfeempfänger sind die Zielgruppe

Dort betreibt der Internationale Bund (IB) die Werkstatt, die Menschen mit Sucht-Geschichte 15 Arbeitsplätze bietet. Die meisten davon sind sogenannte AGHler. AGH steht für Arbeitsgelegenheit. „Drogengebrauchende Hilfeempfänger“ heißt die Zielgruppe für diese AGHs im Fachjargon. „Bei diesen Menschen ist regelmäßiges Erscheinen das Ziel. Es geht darum, dass sie ihre Lebensumstände meistern und eine Tagesstruktur bekommen“, erklärt Claudia Eerenstein-Koschny, Bereichsleiterin beim IB.

Ein Mann mit Bart und lila Hoodie arbeitet an einem Fahrradreifen, das vor ihm auf einer Werkbank liegt.

Denis hat früher gekokst. Jetzt macht er eine Ausbildung bei der Zweiradwerkstatt 180°.

Der IB betreibt neben der Zweiradwerkstatt in Kalk auch die Großküche im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) in Deutz. „Von dort kommt das Mittagessen, das wir hier den Menschen kostenlos anbieten“, erklärt Eerenstein-Koschny. Zum Team gehören außerdem zwei Anleiter, der Werkstattmeister, eine Sozialpädagogin und Psychologin sowie ein Sozialarbeiter von der Aidshilfe.

Gestartet als Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Zweiradwerkstatt ist konzeptionell als Arbeitsprojekt aus einer Kooperation der IB West Gmbh und der Aidshilfe entwickelt und am 1. Juli 2002 als Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen gestartet worden. Die Werkstatt ist somit ein Mix aus Beschäftigung und Beratung. „Die Menschen, die hierherkommen, genießen den geschützten Raum. Hier können sie sich öffnen, werden nicht stigmatisiert“, sagt Eerenstein-Koschny.

Ein Mann im schwarzen Overall, mit Brille und grauem Haar steht hinter einem Fahrrad in einer Werkstatt.

Auch Hans macht eine Umschulung zum Fahrradmonteur in Humboldt-Gremberg.

Anleiter Christian Althaus ist an einem Tag in der Woche in Kalk. Eigentlich arbeitet er im Fahrradgeschäft Portz am Ring. In Kalk ist er auf Minijob-Basis beschäftigt. „Ich hatte hier einmal eine Umschülerin, die sich zu Beginn gar nichts zugetraut hat. Am Ende der Ausbildung war sie eine ganz andere Person. Es macht mich stolz, dazu beigetragen zu haben.“

Mitarbeiter bauen recycelte Räder

Außerdem reizt Althaus der nachhaltige Ansatz, den die Werkstatt verfolgt. An der Odenwaldstraße werden auch Fahrradteile verwertet, die bei Hausentrümpelungen auftauchen. „Aus den Kellerfunden machen wir neue Fahrräder“. Das unterscheidet die Zweiradwerkstatt auch von anderen Läden. Die Gemeinnützigkeit des Ladens sorgt dafür, dass die recycelten Räder auch günstig weiter verkauft werden. Vor dem Eingangsbereich stehen einige der recycelten Räder, die auf Käufer warten. Außerdem gibt es einen überdachten Tisch.

Die Werkstatt ist im hinteren Teil des Gebäudekomplexes untergebracht, wo die Kunden keinen Zutritt haben. Neben Denis macht auch Hans eine Ausbildung zum Fahrradmonteur. Er hat schon vier Ausbildungen gemacht, unter anderem zum Schreier und Kraftrad-Mechaniker. Das Handwerkliche liegt ihm. Hans ist seit sechs Jahren trockener Alkoholiker. 

Ein Mann mit Brille, Bart und schwarzem Pulli hält ein Fahrrad.

Anton Fuhr ist Werkstattmeister und Ausbilder in der Zweiradwerkstatt 180°.

Für seine Ausbildung und die seines Kollegen Denis ist Werkstattmeister Anton Fuhr verantwortlich. Anderes als andere Azubis gehen die Menschen aus der Kalker Werkstatt nicht in die Berufsschule. Sie arbeiten auch nur 6 Stunden am Tag. Fuhr macht an zwei Tagen in der Woche je 3 Stunden Unterricht mit ihnen. Theoretisch. „Bei manchen ist die Konzentrationsfähigkeit schnell erschöpft. Ich versuche dann individuell auf die Fähigkeiten der Leute einzugehen“. Dass Denis und Hans ihre Ausbildung abschließen werden, daran zweifelt niemand in der Zweiradwerkstatt 180°. „In Köln gibt es etwa 150 Fahrradläden“, weiß Anleiter Christian Althaus. „Jeder mit einer abgeschlossen Ausbildung bekommt da sofort einen Job.“


Die Zweiradwerkstatt 180°, Odenwaldstraße 90, 51105 Köln, Tel: 0221 / 946914-0, geöffnet Montag bis Donnerstag, 9 bis 16 Uhr, Freitag, 9 bis 13 Uhr. www.zweiradwerkstatt180grad.de