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Karnevalsgefühle und mittendrinIch, die Großfigur im Kölner Rosenmontagszug

Lesezeit 4 Minuten
Nele Hofmann ist klein unter der Großfigur zu sehen. Das Foto ist unter einer Brücke aufgenommen, an den Wänden und der Decke ist Beton zu sehen.

Am Montagmorgen wartet Nele Hofmann mit ihrer Großfigur auf den Beginn des Rosenmontagszug.

Ein Highlight des diesjährigen Rosenmontagszugs in Köln waren die neuen Großfiguren „Big Jeck“ — unsere Reporterin war Teil der Gruppe.

Einmal im Leben im Rosenmontagzug in Köln mitgehen — das war ein Traum, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn habe. Als an einem normalen Uni-Tag an der Sporthochschule Köln, auf einmal der diesjährige Zugleiter Holger Kirsch in unserer Turnhalle auftaucht, bin ich etwas verwundert. Er suche Sportstudierende für ein neues Projekt im Kölner Rosenmontagszug.

Ein ungewöhnlicher Job für Sportstudierende aus Köln

Big Jeck heißen die 4,5 Meter hohen Großfiguren – erbaut und entworfen zum 200-Jahre-Jubiläum des Kölner Karnevals. Und für diese werden Träger und Trägerinnen gesucht – und wer sei dafür nicht besser geeignet als wir Sportstudierenden.

Nele Hofmann blickt in die Kamera. Auf ihren Schultern sind die Träger des Stützgerüsts zu sehen, dass die Großfigur stabilisiert.

Zwölf Kilogramm schwer ist das Alugerüst auf den Schultern von Nele Hofmann.

Ich feiere schon immer gerne Karneval, bin aber lange kein klassischer Jeck. Die Dimensionen des Karnevals, wie er hier in Köln gelebt wird, sind mir nach wie vor etwas fremd. „Das werde ich mir nicht antun“, war also mein erster Impuls, als uns das Jobangebot eröffnet wurde. Aber als Studentin kann man nun mal jeden Euro gut gebrauchen, also schloss ich mich den Jecken letztendlich doch an.

Rosenmontag in Köln – die Ruhe vor dem Sturm

Und so stehe ich am Rosenmontag mit insgesamt 30 Sportstudierenden in Köln-Deutz und warte bis der Zoch um 10.11 Uhr seine fast neun Kilometer lange Strecke antritt. Nach zwei Proben in den vergangenen Wochen, habe ich mich zwar an das 12 Kilogramm schwere Alugerüst auf meinen Schultern gewöhnt, leicht ist es aber trotzdem nicht.

Schon um 8 Uhr morgens haben wir uns getroffen. Zur frühen Stunde blickte ich noch in einige müde Gesichter meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen. Ein gemeinsames Warm-Up und warmer Kaffee haben gegen die Schläfrigkeit geholfen. Außerdem riefen wir uns noch einmal die erlernten Bewegungsmuster und Choreografien ins Gedächtnis, die wir bei den Proben zusammen entwickelt haben.

Ein Gruppenfoto der Sportstudierenden, im Hintergrund die Großfiguren.

Die Studierenden der Sporthochschule Köln tragen die Großfiguren im Rosenmontagszug in Köln.

Pro Großfigur gibt es drei Träger und Trägerinnen. Ich bin in meiner Gruppe als erste dran. Im An- und Ausziehen der von Künstler Werner Blum und seiner Frau Halina Labusga entworfenen Puppen sind wir mittlerweile gut geschult und meine Gruppenmitglieder helfen mir beim Aufsetzen der riesigen Figur am Aufstellort in Deutz. Schon hier ziehen wir die Blicke der anderen Zugteilnehmer und Zugteilnehmerinnen auf uns und Smartphones werden zum Fotografieren gezückt. Ein Zustand, an den ich mich erst gewöhnen musste.

D'r Zoch kütt – aus Köln-Deutz

Fast pünktlich um 10.11 Uhr beginnt also der Zoch. 26 Minuten sind es vom Aufstellort bis zur Deutzer Brücke. Das Wetter spielt uns zwar in die Karten, aber der Wind macht mir ein wenig zu schaffen. Manchmal müssen mir meine Teamkolleginnen Halt geben und mich am Gestell festhalten. „Sind die nicht schwer?“, fragt eine Frau unglaubwürdig. „Das sind ja fast alles Mädels“, höre ich von jemand anderem.

Nele Hofmann mit einer Großfigur auf der Deutzer Brücke.

Auf der Deutzer Brücke kämpfen die Trägerinnen der Großfiguren gegen den Wind.

Am Ende der Brücke wird gewechselt — endlich. Durch ein ausgeklügeltes Gurtsystem verteilt sich das Gewicht der Puppe zwar gut, nach einer Stunde merkt man den Rücken aber trotzdem. Während nun eine andere Studentin die Puppe trägt, kümmern sich die anderen zwei Teammitglieder um die Arme der Puppe. Mit den Händen verteile wir Bützje und High-Fives.

Ein „Wow“ folgt auf das nächste und vor allem die Kinder sind stolz, wenn sie die Hand der riesigen Figuren berühren dürfen. Den größten Applaus ernten wir, wenn sich zwei der Großfiguren umarmen. Das Schöne am Zoch ist, dass sich alle 20 Meter ein neues Publikum vor uns erstreckt und der Jubel von vorne losgeht.

Glück und Erschöpfung nach einem langen Tag in Köln

Fünf Stunden waren wir unterwegs — und ich habe in diesen fünf Stunden fast durchgehend ein Lächeln im Gesicht getragen. Und noch viel schöner ist es, zu wissen, wie vielen Menschen wir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Und das, obwohl wir keine Kamellen verteilt haben. „Mega“, „Wahnsinn“, „Ihr seid toll“ — ich kann nicht zählen, wie oft ich das an diesem Rosenmontag gehört habe.

Nach oben gestreckte Daumen und anerkennendes Nicken waren andere Reaktionen auf unsere Gruppe. Und auch von Projektleiter Christian Lindenberg und unserem Dozenten der Sporthochschule Marco Grawunder hören wir mehr als einmal lobende Worte und Dankbarkeit.

Ich bin erschöpft und meine Füße tun weh. Aber gleichzeitig bin ich unglaublich dankbar für diese großartige Erfahrung. Wie sehr man sich über unsere Performance gefreut hat, kann ich immer noch nicht glauben. Damit hätte ich nicht gerechnet. Aber Köln hat mich überrascht. Jetzt verstehe ich diesen Jeföhl von dem alle reden, ein bisschen besser.