Dass in Köln so wenig Kinder zum obligatorischen Sprachtest erscheinen, bezeichnen die OB-Kandidaten als nicht hinnehmbar – und fordern Gegenmaßnahmen.
Zu viele WiederholerKölner OB-Kandidaten fordern Kita-Pflicht

Zu viele Erstklässler haben bei der Einschulung geringe Deutschkenntnisse.
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Das anhaltende Rekordhoch bei der Zahl der Erstklässler, die das Schuljahr wiederholen werden, hat die Politik auf den Plan gerufen. Da die Hauptursache in der mangelnde Sprachkenntnis der Kinder liegt, werden die Rufe nach einer Kita-Pflicht im letzten Jahr vor der Einschulung laut. Sowohl die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen, Berivan Aymaz, als auch SPD-Kandidat Torsten Burmester sprechen sich klar dafür aus.
Eine solche bundes- oder landesgesetzlich verankerte Pflicht für das letzte Kindergartenjahr sei das „geeignete Mittel“, um allen Kindern – gerade solchen mit sprachlichem Förderbedarf – gerechte Startchancen zu ermöglichen, erklärte Burmester. Der Kita-Besuch sei „entscheidend für ein gelingendes Aufwachsen, weit über die Schulfähigkeit hinaus und kann unterschiedliche Entwicklungsbedarfe ausgleichen“, ergänzte Aymaz. Für CDU-Kandidat Markus Greitemann ist klar, dass alle Kinder mit Sprachdefiziten vor der Einschulung verbindliche Förderprogramme benötigten. „Ob das über ein verpflichtendes Vorschuljahr läuft oder eine tageweise Förderung sinnvoll ist, das müssen Experten einschätzen“, so Greitemann.
80 Prozent der Vierjährigen erschienen nicht zum Sprachtest
Eine Anfrage der FPD im Schulausschuss hatte ans Licht gebracht, dass 80 Prozent der Kölner Vierjährigen, die keine Kita besuchen, nicht zu dem verpflichtenden Sprachtest erschienen sind. „Hier läuft etwas grundsätzlich schief“, kritisierte Greitemann. Er plädierte für ein gemeinsames Vorgehen von Stadt und Land, um diese Kinder besser zu erreichen und auch die Eltern in die Pflicht zu nehmen. Aymaz, die den Zustand als „nicht hinnehmbar“ bezeichnet, verwies hier auf die Stadt: „Sie muss ihrer Verantwortung nachkommen und dafür sorgen, alle Eltern zu erreichen. Gerade auch diejenigen, deren Kinder keinen Kitaplatz haben.“
Bislang hat es die Stadt, die gesetzlich verpflichtet ist, diese Sprachtests durchzuführen, bei mehrmaligen schriftlichen Aufforderungen belassen. Eigentlich muss das Nichterscheinen mit einem Bußgeld belegt werden. Dabei verwies die Stadt auf Anfrage an das Schulamt der Bezirksregierung Köln. Dieses sei für die Erhebung von Bußgeldern zuständig. Eine konkrete Zahl dazu, wie viele Fälle exakt am Ende mit einem solchen Bußgeld geahndet wurden, gab es auf Anfrage von dort nicht.
Zu wenig Kitaplätze in Chorweiler und Mülheim
Ohnehin könne ein Bußgeld nur die letzte Möglichkeit sein, wenn „wirklich alle Möglichkeiten“ ausgeschöpft seien, so Aymaz. Besser seien stadtteilbezogene niedrigschwellige Angebot etwa über die Familienzentren. Burmester plädierte für eine gezielte Ansprache der Familien durch das Jugendamt, Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen und Stadtteilakteuren sowie – wo nötig – aufsuchende Elternarbeit etwa durch Sozialarbeiterinnen.
Aus den Zahlen bei den Sprachtests, die für Vierjährige verpflichtend sind, die keine Kita besuchen, geht hervor, dass etwa zehn Prozent eines Erstklässler-Jahrgangs derzeit keine Kita besuchen. Der überwiegende Anteil davon sind Kinder mit Migrationshintergrund. Das Problem dabei ist, dass eine bloße Kita-Pflicht das Problem nicht lösen würde, da es in Köln schlicht zu wenig Kitaplätze gibt. Während Stadtteile wie die Innenstadt, Nippes oder Ehrenfeld für alle Drei- bis Sechsjährigen einen Kitaplatz anbieten können, gibt es etwa in Chorweiler nur für 80 Prozent dieser Altersgruppe einen Platz. Jedes fünfte Kind steht also schon jetzt dort ohne Kita-Platz da.
FDP votiert für Wiedereinführung der Vorschule
Auch in Stadtteilen wie Mülheim gibt es nicht genug Plätze – obwohl dort verhältnismäßig viele Familien mit Migrationshintergrund leben. Es gäbe also Stand jetzt kein im Ansatz ausreichendes Angebot für die zehn Prozent der Kölner Kinder, die derzeit keine Kita besuchen. „Es gibt innerhalb unserer Stadt immer noch gravierende Unterschiede beim Angebot von Kita-Plätzen“, kritisierte Burmester. Als Oberbürgermeister wolle er dafür sorgen, allen Kindern der Stadt ein gutes Bildungsangebot zu machen.
Die ungleiche Ausstattung der Stadtteile belege eben wieder, dass nicht überall gleichermaßen hingeschaut werde, analysierte die schulpolitische Sprecherin der FDP, Stefanie Ruffen. Will sagen: Kinder, die keine Lobby haben, fallen eben eher hinten runter als Kinder aus besser sozial-ökonomisch besser gestellten Stadtteilen. Aufgrund des zu knappen Kita-Angebots macht es nach Ansicht von Ruffen deutlich mehr Sinn, für Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen oder Defiziten bei Motorik und Konzentration ein Vorschuljahr an den Grundschulen einzuführen, so wie es dies in den 70er Jahren auch schon gab. In Hamburg gibt es diese Option seit einigen Jahren. Dort kann eine Vorschulpflicht ausgesprochen werden für Kinder, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen prüft auch das NRW-Schulministerium derzeit, wie NRW die Sprachförderung bis zur Einschulung verpflichtend machen kann.