„Schalom und Alaaf“NS-Dok zeigt neue Ausstellung über jüdische Karnevalisten – 200 Jahre Geschichte

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Auf dem historischen Bild ist der Rosenmontagszug im Jahr 1934 zu sehen.

Historische Aufnahme des Rosenmontagszug im Jahr 1934 in Köln: Seit dem Jahr waren immr mehr antisemitische Motivwagen Teil des Rosenmontagszuges. (Symbolbild)

Die Ausstellung „Schalom und Alaaf“ im NS-Dokumentationszentrum ist bis 31. März 2024 zu sehen. Aufgrund der Ereignisse hat sie eine besondere Aktualität.

Der Eröffnungszeitpunkt ist symbolträchtig und von aktueller Brisanz. Wenige Tage vor Sessionsbeginn, 85 Jahre nach der Reichsprogromnacht und einen Monat nach den Angriffen der Hamas-Terroristen auf Israel eröffnet das NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz am Dienstag, 7. November eine Ausstellung, die jüdische Karnevalisten ins Zentrum rückt. Die sechsmonatige Schau „Schalom & Alaaf. Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval“ ist als Beitrag der Gedenkstätte zum Jubiläum „200 Jahre Kölner Karneval“ zu verstehen.

OB Henriette Reker ließ es sich nicht nehmen, im Rahmen der Pressekonferenz an „Gegenwehr und Zivilcourage gegen den sich bahnbrechenden Antisemitismus“ zu appellieren. Über die Terrorangriffe der Hamas auf Israel sei man entsetzt sowie über die sich seit dem 7. Oktober mehrenden antisemitischen Fälle in Deutschland sowie in Köln. „Es ist unsere Verpflichtung, jüdisches Leben zu unterstützten“, so die OB. Jüdinnen und Juden gehörten zur Karnevalsfamilie dazu. Ihren Beitrag zum Karneval zu zeigen sei daher ein „Herzensanliegen“.

Nach dem größten Angriff auf Juden seit der Schoah habe man im NS-Dok diskutiert, ob es angebracht wäre, die Ausstellung abzusagen, sagte Direktor Henning Borggräfe. Doch schnell sei dem Team klar gewesen: „Wir wollen zeigen, wohin Judenhass schon einmal hingeführt hat.“

Ein Ausschnitt aus der Ausstellung „Schalom und Alaaf“, zu sehen ab dem 7. November im NS-Dok in Köln.

Ein Ausschnitt aus der Ausstellung „Schalom und Alaaf“, zu sehen ab dem 7. November im NS-Dok in Köln.

Ausstellung zeigt Ambivalenz im Umgang mit jüdischen Karnevalisten

Jüdinnen und Juden in Köln waren von Beginn des organisierten Karnevals im Jahr 1823 reger Teil auf Bühnen, auf der Straße, aber auch bei Umzügen. Zugleich waren sie sofort auch den „Dynamiken der Diffamierung, Verhöhnung sowie der Ausgrenzung aus Vereinen“ unterworfen, wie Kuratorin Annemone Christians-Bernsee vom NS-Dokumentationszentrum berichtet. „Dieser Ambivalenz wollen wir nachspüren.“

Die Ausstellung gliedert sich in die vier thematischen Bereiche Straßenkarneval, Bühnenkarneval, Vereinsleben und Exil. Eine Galerie stellt 70 jüdische Karnevalisten vor – vom berühmten Bühnenkünstler Alfred Heinen bis zu Marlis Zilken, die Ende der 1920er Jahre im Alter von zwei Jahren als „Roter Funke“ verkleidet den Karneval auf der Straße feiert. Mehr Raum bietet die Schau wichtigen Persönlichkeiten wie dem Kabarettisten Hans Tobar (1888-1956) oder Max Salomon (1886-1970), der 1922 den ersten und einzigen jüdischen Karnevalsverein „Kleinen Kölner Klub“ gründete.

Kabarettist Hans Tobar lebte den Karneval auch im New Yorker Exil

Hans Tobar, der zwischen 1914 und 1923 Mitglied der Roten Funken war, trat schon als Jugendlicher bei Veranstaltungen von jüdischen und nichtjüdischen Karnevalsvereinen auf.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933 durfte er nur noch auf jüdischen Veranstaltungen auftreten. Tobar gelang 1939 die Flucht nach New York. Trotz Ausschluss aus der Gesellschaft in Köln blieb er dem Karneval eng verbunden. So veranstaltete er „Rheinische Hans-Tobar-Abende“, bei denen er auf Kölsch, Deutsch und Jiddisch vortrug.

Angesichts der Gräueltaten, die sich in Europa gegen Juden ereigneten, sei es besonders bemerkenswert, dass Ende der 40er Jahre schnell wieder Bemühungen auch von jüdischer Seite kamen, die karnevalistische Tradition aufleben zu lassen: 1949 wurde die sogenannte Kappenfahrt auch dank Moritz Goldschmitz, zweiten Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, von den Briten genehmigt. Gerade im Rosenmontagszug hatte sich der Antisemitismus von seiner besonders hässlichen Seite gezeigt. Antisemitische Motivwagen waren ab 1936 Gang und Gebe. 

Präsident der Kölschen Kippa Köpp hat Ausstellung mitrealisiert

Mit Aaron Knappstein, dem Präsidenten der Kölschen Kippa Köpp sowie dem Historiker Markus Leifeld habe man sich zwei Experten ins Boot geholt, sagt Kuratorin Christians-Bernsee. Der Historiker Leifeld liefert mit seiner Forschung zum Kölner Karneval im Nationalsozialismus die Grundlagen zur Ausstellung. Daran anknüpfend habe man weitere intensive Recherche betrieben und versucht Biografien nachzuzeichnen. Nachfahren von Hans Tobar sowie weitere, heute teils in Israel lebende Verwandte von anderen jüdischen Karnevalisten, gaben ebenfalls entscheidende Impulse zur Recherche.

Die Ausstellung ist dienstags bis freitags von zehn bis 18 Uhr geöffnet. Samstag und Sonntag von elf bis 18 Uhr, Eintritt 4,50 Euro, ermäßigt 2 Euro. Infos zu Führungen und Begleitveranstaltungen finden Sie hier.

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