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Wirtschaftsforscher zu Olympia in Köln„Kosten werden in der Regel im Vorfeld dramatisch unterschätzt“

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Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) untersucht unter anderem die Wirtschaftlichkeit von Sport-Großveranstaltungen (Archivbild).

Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) untersucht unter anderem die Wirtschaftlichkeit von Sport-Großveranstaltungen. (Archivbild)

Im Interview: Oliver Holtemöller ordnet als Professor am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) den finanziellen Aufwand Olympischer Spiele ein.

Herr Holtemöller, was würde wirtschaftlich auf Köln zukommen, wenn hier Olympische Spiele stattfänden?

Im Allgemeinen gibt es durch Olympische Spiele keine positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte auf die Region, sondern die Kosten überwiegen die Einnahmen. Das hängt aber vor allen Dingen damit zusammen, wie umfangreich die Bauaktivitäten im Vorfeld sein müssen. Also hat man die Sportstätten schon oder müssen sie neu gebaut oder saniert werden? Werden sie dann dauerhaft genutzt oder verfallen sie, verursachen nur Unterhaltskosten, aber keine weiteren Erträge? Es gibt viele Einflussfaktoren, die von den lokalen Gegebenheiten abhängen. Im Allgemeinen sind positive Effekte die Ausnahme: In Barcelona 1992 und Salt Lake City 2002 ist es gelungen, dauerhaft Verbesserungen in der Infrastruktur, im Verkehrswesen zum Beispiel, zu erreichen.

Dass es kurzfristig ein positives Verhältnis von Ertrag und Kosten gibt, ist sehr unwahrscheinlich. Man kann darüber diskutieren, ob es gelingt, Projekte anzustoßen, gerade Verkehrsinfrastrukturprojekte, die einen langfristigen positiven Nutzen haben. Zum Beispiel eine neue U-Bahn. Aber auch da wäre es so, dass kurzfristig erstmal die Kosten anfallen, und der positive Nutzen eher in der längeren Frist liegt. Aber wenn eine U-Bahn einen positiven Nutzen bringt, dann kann man sie auch ohne Olympischen Spiele bauen.

Die Frage eines U-Bahn-Baus in Köln ist sowieso schon eine schwierige. Was ist mit Wohnungsbau, können Olympische Spiele den nicht vorantreiben?

Da gilt ja das gleiche: Wenn man in der Auffassung ist, dass man mehr Wohnungen braucht, dann muss man halt mehr bauen, dafür muss man nicht Olympische Spiele durchführen.

Was sollten Bürger wissen, bevor sie in ein Referendum gehen?

Es ist ganz wichtig, zu verstehen, wovon man wirklich spricht. In manchen Studien ist die Methodik fragwürdig, zum Beispiel weil nicht klar zwischen Umsatz und Wertschöpfung unterschieden wird oder weil Kontrollgruppenvergleiche fehlen. Es gibt auch Substitutions- und Verdrängungseffekte, was zum Beispiel Besucher angeht: Wer ein Ticket fürs Stadion hat, geht dann nicht ins Theater. Touristen, die eher ihren ruhigen Museumsurlaub machen wollen, meiden Austragungsorte von Sportveranstaltungen in der Zeit. Es kommen für den Sport also nicht vollständig zusätzliche Touristen ins Land, sondern sie verdrängen andere zum gewissen Teil. Deshalb muss man mit der Interpretation der Zahlen vorsichtig sein.

Kosten für Olympia  werden oft unterschätzt

Können Kostenplanungen für Olympia überhaupt realistisch sein – die Bewerbung wird jetzt vorbereitet, die Spiele finden vielleicht erst 2044 statt?

Jetzt kann es nur grobe Überschlagsrechnungen geben, es passieren noch ganz viele Dinge, die allgemeine Inflation zum Beispiel, die allerdings die Einnahmen- und die Ausgabenseite betrifft. Die Kosten sind mit großer Unsicherheit verbunden. Wir wissen allerdings aus der Analyse vorheriger Olympischer Spiele, dass die Kosten im Vorfeld in der Regel dramatisch unterschätzt werden. Das ist auch kein Zufall, diejenigen, die Interesse an der Durchführung haben, neigen eben dazu, die Kosten niedriger darzustellen als sie dann tatsächlich sind.

Wieso sollte eine Stadt oder Region überhaupt Austragungsort werden wollen?

Die Frage, ob sich eine Großsportveranstaltung wirtschaftlich lohnt, würde ich nicht stellen. Olympia ist kein Instrument der Wirtschaftsförderung. Da gibt es 1000 Instrumente, die besser sind. Die Fragen sind eher: Bringt uns das in sportlicher Hinsicht weiter, hat das  positive Effekte auf Jugendliche, die dann bestimmte Sportarten mehr ausüben, nützt das den Sportvereinen vor Ort, was tut es mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Man kann den Bürgern transparent erklären, welche Vorteile und Nachteile die Durchführung der Olympischen Spiele auf gesellschaftlicher Ebene hat. Dann kann jeder entscheiden, ob einem der Nutzen diesen Aufwand wert ist.
Makroökonomie-Professor Oliver Holtemöller

Es ist eine Frage der Transparenz: Die Politik tut manchmal so, als ob es gegen Olympische Spiele sprechen würde, dass sie unter dem Strich etwas kosten. Aber man kann den Bürgern transparent erklären, welche Vorteile und Nachteile die Durchführung der Olympischen Spiele auf gesellschaftlicher Ebene hat. Dann kann jeder entscheiden, ob einem der Nutzen diesen Aufwand wert ist. Doch es wird weitgehend versucht, den Aufwand runter- und den wirtschaftlichen Nutzen hochzurechnen.