100 Jahren nach seinem AusschlussHans David Tobar ist wieder Mitglied bei den Roten Funken

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Historisches Bild der Roten Funken (Ostermann, 2.v. links; Tobar 2.v. rechts).

Historisches Bild der Roten Funken (Ostermann, 2.v. links; Tobar 2.v. rechts).

Damit alles seine Ordnung hat, wurden vor der Wiederaufnahme Tobars dessen ausstehende Vereinsbeiträge beglichen - 500 Millionen Reichsmark.

1923, im Krisenjahr der Weimarer Republik mit Inflation und rapidem Kursverfall der Reichsmark, mussten etwa 70 Mitglieder die Roten Funken verlassen, weil sie die Vereinsbeiträge nicht mehr bezahlen konnten. Unter ihnen war der jüdische Kabarettist, Rezitator, Krätzchensänger und Autor Hans David Tobar. 100 Jahre später ist er wieder Teil der „Kölsche Funke rut-wieß von 1823“. Tobar wurde kürzlich posthum als Ehrenmitglied im II. Knubbel (Öllich) aufgenommen.

Die Roten Funken haben das historische Bild von damals im Bademantel nachgestellt.

Die Roten Funken haben das historische Bild von damals im Bademantel nachgestellt.

Damit alles seine Ordnung hat, wurden vor der Wiederaufnahme Tobars dessen ausstehende Vereinsbeiträge beglichen. Knubbelführer Jürgen Zumbé überreichte Funkenpräsident Heinz-Günther Hunold eine alte Banknote über 500 Millionen Reichsmark, ausgestellt am 1. September 1923 vom Reichsbankdirektorium. Das Ganze fand auf Norderney, dem Ziel der diesjährigen Tour des II. Knubbels, statt. Die mehr als 600 Mitglieder der Roten Funken verteilen sich auf vier Abteilungen, Knubbel genannt. Deren Namen sind Streckstrump, Dopp, Stoppe und eben Öllich.

Tobar gründete Karnevalsgesellschaft auf Norderney

Das Ziel Norderney wählten die etwa 50 mitgereisten Funken für ihre Knubbeltour nicht zufällig aus. Die Nordseeinsel spielte im Leben von Hans David Tobar eine wichtige Rolle. In den 1920er-Jahren verbrachte er die Sommermonate regelmäßig auf der Insel. Er war eine Art Botschafter des Kölner Karnevals. Tobar gründete dort die Karnevalsgesellschaft „Zuppegröns“ und organisierte „Rheinische Matineen, Nachmittage und Abende“.

Häufig unterstützt von Karnevalisten und Künstlern aus Köln. Unter ihnen sein Freund Willi Ostermann. „Um an das Leben von Hans David Tobar zu erinnern und ihn zu ehren, haben wir für seine Wiederaufnahme in unsere Gemeinschaft ebenfalls einen Rheinischen Nachmittag mit kölschen und plattdeutschen Liedern organisiert“, sagt Knubbelführer Jürgen Zumbé. Der Chor der Roten Funken, die „Mösche vun de Ülepooz“, sang unter anderem das Lied „Ja, das ist schön“ mit dem Refrain „schön ist die Jugend und schön sind die Rosen“, für das Tobar 1922 den Text geschrieben hat.

Flucht vor den Nazis nach Rotterdam und New York

Hans David Tobar zählte vor 1933 zu den beliebtesten und erfolgreichsten Künstlern in Köln. In den 1920er Jahren schrieb und inszenierte er Karnevalsrevuen, die vor allem im Kaiserhof in der Salomonsgasse aufgeführt wurden. Bei den Roten Funken stieg er 1922 zum Ehrensenator auf. 1931 veröffentlichte der „Karnevals-Ulk“, offizielle Zeitschrift des Festkomitees, auf der Titelseite die von Tobar geschriebene Büttenrede „Mittagessen bei der Familie Körnchen“. Die Leserschaft erfährt, dass dieser Text „in den großen Karnevals-Gesellschaften sowie im Westdeutschen Rundfunk“ von der Bühnenkünstlerin Gertie Ransohoff vorgetragen wurde.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 änderte sich die Situation für den bekannten Karnevalskünstler schlagartig. Im Februar 1933 tauchte sein Name im Autorenverzeichnis der von ihm mitverfassten Revue „Alle Poppe danze“ überraschend nicht auf. Ab da gab es für ihn im offiziellen Karneval keine Aufträge mehr. Tobar moderierte in den kommenden Jahren Tanzabende für die Kölner Synagogen-Gemeinde und schrieb Programme wie „Krach im Morgenland“ für den Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr. Im Dezember 1939 gelang ihm mit seiner Familie die Flucht nach Rotterdam und von dort aus nach New York. Hans David Tobar wurde am 18. April 1888 in Köln geboren, er starb am 4. April 1956 in New York.

Die „Mösche vun de Ülepooz“ möchten zur Erinnerung an das neue Ehrenmitglied Tobar mit „Der Rhein, der uns sein Liedchen leise rauschte …“ ein weiteres seiner Lieder einstudieren. „Leider konnten wir den Text zunächst nicht lesen, weil der in Sütterlin geschrieben ist“, erzählt Jürgen Zumbé. Die Schrift wurde nur zwischen 1911 und 1941 als offizielle Schreibschrift in den Schulen gelehrt. Wie gut, dass es einen Roten Funken gibt, der diese Schrift noch beherrscht. Der 98 Jahre alte Ludwig Sebus, seit fast 70 Jahren Roter Funk, hat die Liedzeilen übersetzt.

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