Eigentlich sollte der SV Adler Dellbrück die Rasenfläche zum Training mit Fußballkindern nutzen dürfen. Das verzögert sich nun deutlich.
Masterplan GeothermieNRW plant 1000 Meter tiefe Forschungsbohrung in Dellbrück

Eingekeilt zwischen Tennisplätzen und dem Kunstrasenplatz des Sportvereins Adler Dellbrück liegt einer kleinen Senke ein alter Sportplatz (links unten), der von Bäumen und Büschen umrandet und mit Gras bewachsen ist. (Luftaufnahme mit Drohne.)
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Ab Ende des Jahres will das Land NRW auf einem ehemaligen Sportplatz am Thurner Kamp in Köln-Dellbrück bis zu 1000 Meter tief in die Erde bohren. Das bestätigten die Kölner Stadtverwaltung und das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium NRW (MWIKE) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Nachfrage. Es handelt sich um eine Forschungsbohrung, die Teil des sogenannten „Explorations- und Bohrprogramms“ ist, einer zentralen Maßnahme des Masterplans Geothermie NRW. Diesen hatte das Land vor gut einem Jahr veröffentlicht, es setzt sich darin das ehrgeizige Ziel, bis 2045 bis zu 20 Prozent des Wärmebedarfs in NRW mit Erdwärme zu decken. „Nachhaltig, sicher, bezahlbar: So sieht die Wärmeversorgung der Zukunft in NRW aus“, sagt Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur: „Dafür heben wir den Schatz unter unseren Füßen und nutzen Erdwärme als unerschöpfliche klimaneutrale Energiequelle aus der Region.“
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Projekt:
Wird der Platz aktuell genutzt?
Nein. Die Bezirksvertretung Mülheim hatte 2022 beschlossen, den ehemaligen westlichen Platz der Sportanlage Thurner Kamp in eine ökologische Ausgleichsfläche umzuwandeln. Der Boden des ehemaligen Ascheplatzes wurde saniert und als Rasenfläche angelegt. Diese liegt nun in einer kleinen Senke, umgeben von Bäumen und Büschen. Südwestlich grenzen die Tennisplätze des TC Grün-Weiß Dellbrück an die Fläche, nordwestlich liegt der 2018 errichtete Kunstrasenplatz des SV Adler Dellbrück.
Gibt es keinen Bedarf, die Fläche wieder als Sportplatz zu nutzen?
Doch. Der SV Adler Dellbrück bemüht sich seit einiger Zeit intensiv um die Fläche. Die Umwidmung in eine ökologische Ausgleichsfläche sei ohne Rücksprache mit dem Verein und ohne eine Bedarfsabfrage erfolgt, sagt Martin Hilpisch aus dem Elternrat des Klubs. Mit rund 800 Mitgliedern und rund 28 Fußballmannschaften leide Adler Dellbrück akut unter Platzmangel. „Bei uns ist wirklich Druck auf dem Kessel“, sagt Hilpisch, ein zweites Spielfeld wäre die Rettung. Kein „Geschenk“, das ist dem Vater eines der Fußballkinder wichtig. Es gehe darum, dass der Verein seiner gesellschaftlichen wie sozialen Verpflichtung nachkommen und „Kindern und Jugendlichen eine dringend benötigte Freizeitperspektive bieten“ könne.
Wie stehen die Chancen?
Bis Anfang des Jahres sah es gut aus. Das Sportamt der Stadt Köln habe dem Verein eine Umwandlung der Fläche in eine bespielbare Naturrasenfläche in Aussicht gestellt, sagt Hilpisch. Das bestätigt Ratsfrau Elfi Scho-Antwerpes, bei den Kommunalwahlen Direktkandidatin der SPD in Dellbrück, die den Verein bei seinen Bemühungen unterstützt. Kurz darauf erfuhr der Klub allerdings von der geplanten Bohrung – eine Nutzung der Fläche zu Trainingszwecken ist dadurch mindestens für diesen Sommer unmöglich. „Das hat uns umgehauen, die Entrüstung war groß“, sagt Hilpisch: „Auf uns wirkt es, als sei dieses Projekt durch die Hintertür reingedrängt.“ Es habe eine Informationsveranstaltung mit einer Kommunikationsagentur gegeben, die im Auftrag des Geologischen Dienstes NRW die Mitglieder des Fußball- und des Tennisvereins über die Bohrung aufklären sollte. Man habe bei dieser Gelegenheit seine Abneigung gegen da Projekt deutlich gemacht, sagt Hilpisch.

Das Sportamt der Stadt Köln hatte dem Fußballverein Adler Dellbrück in Aussicht gestellt, diesen ehemaligen Sportplatz am Thurner Kamp in eine Naturrasenfläche umzuwandeln, die der Klub für den Trainingsbetrieb mit Kindern nutzen kann. Nun soll dort erst einmal gebohrt werden.
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Warum hat der Geologische Dienst NRW, die geowissenschaftliche Einrichtung des Landes NRW, ausgerechnet den ehemaligen Sportplatz in Dellbrück für die Bohrung ausgewählt?
„Der Standort in Köln-Dellbrück wurde im Einvernehmen mit der Stadt Köln gewählt, weil die zu erkundende Kalksteinschicht mit einer Bohrungen in einem angemessenen Zeit- und Kostenrahmen zu erreichen ist“, teilt ein Sprecher des MWIKE von Ministerin Mona Neubauer mit. Nach Angaben des Geologischen Dienstes handelt es sich um ein über 400 Millionen Jahre altes Kalkgestein. Sie Lage in maximal 1000 Meter Tiefe sei ausreichend, um die notwendigen Erkenntnisse zu gewinnen. Wäre eine tiefere Bohrung nötig, würden die Bohrkosten deutlich steigen Das Gelände am Thurner Kamp sei infrastrukturell für die Bohrung gut geeignet und werde aktuell nicht anderweitig genutzt. Das Sportamt und das Umweltdezernat der Stadt Köln haben hier offenbar unabhängig voneinander unterschiedliche Zusagen gemacht. Nun teilte die Stadt Köln mit: „Nach Abschluss der Bohrungen durch den Geologischen Dienst wird die vorhandene Wiesenfläche wiederhergestellt. Der Verein kann diese Fläche, wie zuvor besprochen, zu Trainingszwecken mit Kindergruppen nutzen.“ Eine vollständige Instandsetzung der Fläche als Naturrasen sei allerdings nie zugesichert worden. Den Platz als Fläche für mögliche Ausgleichspflanzungen für Baumaßnahmen auf Sportanlagen im gesamten Kölner Stadtgebiet vorzusehen, sei im übrigen mit dem Verein abgesprochen gewesen. Da widerspricht die Stadt den Aussagen der Elternvertreter von Adler Dellbrück.
Warum wird in Dellbrück überhaupt gebohrt?
„Erdwärme ist klimafreundlich, rund um die Uhr verfügbar, sicher, fördert regionale Wertschöpfung und kann einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten“, teilt ein Sprecher des MWIKE mit. Viele Regionen in NRW böten nach jetzigem Stand gute Voraussetzungen für eine breite Nutzung von Erdwärme, die bislang vorliegenden Erkenntnisse „über die genaue Tiefenlage und Wasserführung der potenziell für eine Erdwärmenutzung geeigneten Gesteinsschichten“ seien für eine Planung und Realisierung von Geothermieprojekten aber nicht ausreichend. Deshalb ermittele der Geologische Dienst NRW im Auftrag des Landes durch seismische Messungen ob und wo potenziell Wasser führende Gesteine wie Kalksteine oder Sandsteine im tiefen Untergrund vorhanden sind. Und eine von maximal acht Bohrungen in NRW soll nun in Dellbrück vorgenommen werden. Bei dieser einzigen auf Kölner Gebiet geplanten Bohrung wolle man Erkenntnisse über eine in 600 bis 1000 Metern Tiefe erwartete Kalksteinschicht gewinnen. Diese führe potenziell Wasser wäre somit für die Geothermie-Nutzung geeignet. „Die Erkenntnisse der Erkundung haben Aussagekraft für die gesamte Region. Sie werden allen Interessierten kostenlos und digital zur Verfügung gestellt“, so der Sprecher des Ministeriums.
Womit müsse die Anwohner in Dellbrück rechnen?
Voraussichtlich Ende 2025 soll zunächst mit dem Bau eines Bohrplatzes begonnen werde. Die Durchführung der Bohrung unterliege „strengen wasserschutz-, naturschutz- und bergrechtlichen Anforderungen“. So werde sichergestellt, „dass es zu keinerlei Beeinträchtigungen von Menschen und Umwelt kommt“. Es werden Lärmschutzwände installiert, gegenüber dem SV Adler Dellbrück war von einer Höhe von zehn Metern die Rede. Die Bohranlage selbst wird rund 20 Meter hoch sein. Präventiv werde eine Lärmampel eingerichtet, sagt ein Sprecher des MWIKE. Weist diese auf eine kritische Lärmentwicklung hin, würden weitere lärmreduzierende Maßnahmen eingeleitet. „Die eigentlichen Bohrarbeiten werden rund zwei bis drei Monate dauern, daran schließen sich weitere Untersuchungen an. Die Gesamtdauer der Maßnahme wird etwa ein Jahr umfassen“, heißt es aus dem MWIKE. Anschließend werde die Bohrung verfüllt und der Platz in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Dies werde in einem Nutzungsvertrag mit der Stadt Köln festgeschrieben.
Wo wird noch gebohrt?
Bislang wurden im Rahmen des Programms zwei flachere Bohrungen in Düsseldorf und Schwelm durchgeführt. Die erste bis zu 1000 Meter tiefe Forschungsbohrung läuft aktuell in Krefeld. „Die bisherigen Ergebnisse sind sehr vielversprechend für die Region“, teilt der Geologische Dienst NRW mit. Weitere Bohrungen sind in Planung. Die Erkenntnisse werden im Geothermieportal NRW veröffentlicht: www.geothermie.nrw.de