Bonner Mordkommission ermitteltSo verlief der tödliche Polizeieinsatz in Köln-Bickendorf

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Die Polizei sperrt Vitalisstraße nach einem Einsatz.

Die Polizei sperrt Vitalisstraße nach einem Einsatz. Ein mutmaßlicher Räuber stirbt.

Nachdem ein Mann nach der Schussabgabe von Polizisten starb, ist nun seine Identität bekannt. Die Mordkommission aus Bonn ermittelt.

Einen Tag nachdem ein Polizeieinsatz für einen mit einem Messer bewaffneten Mann tödlich endete, sind Details zu dem Fall bekannt geworden. Und doch bleiben vorerst noch einige Fragen offen: Wie konnte sich der Mann nach dem Schuss der Beamten mit dem Messer selbst verletzen? Handelt es sich um einen Unfall oder tat er es mit Absicht? Und vor allem: Wie gerechtfertigt war die Schussabgabe der Polizeibeamten?

Die Staatsanwaltschaft Köln prüft nun genau das: Sie habe ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, um zu klären, „ob es mit Blick auf den Tod des Mannes konkrete Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Fremdverschulden von Polizeibeamten“, sagte Staatsanwalt Ulrich Bremer am Freitag. Die beteiligten Polizisten werden dabei als Zeugen vernommen.

Mutmaßlicher Räuber kommt aus Bonn

Wie Bremer ausführt, kam es nach ersten Ermittlungsergebnissen folgendermaßen zu dem Tod: Auf dem Helmholtzplatz in Ehrenfeld hat der Mann, ein 36-jähriger Euskirchener, mit Gewalt versucht, zwei Frauen auszurauben und in ihre Autos zu gelangen. Als dies misslang, flüchtete er in Richtung Vitalisstraße.

Eines der beiden Raubopfer, eine 28-Jährige, verfolgte den Mann und rief gleichzeitig die Polizei zu Hilfe, so die Kölner Polizei. Zwei Anwohnerinnen, die den Vorfall von ihrem Balkon aus beobachtet haben, schildern gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die 28-Jährige den Mann in ihrem Auto verfolgte, als er zu Fuß in die Vitalisstraße in Bickendorf einbog. Dort, so Staatsanwalt Bremer weiter, habe der Mann versucht, in ein Taxi einzusteigen, um seine Flucht fortzusetzen.

Der Taxifahrer allerdings verweigerte dem Mann die Fahrt und stieg seinerseits aus dem Wagen. Daraufhin setzte sich der Mann auf den Fahrersitz und versuchte loszufahren. In diesem Moment traf die Polizei ein, die den Mann stellte, so die Staatsanwaltschaft. „Der Betroffene führte dabei ein Messer bei sich, das er trotz Aufforderung nicht weggelegt haben soll.“ Kurz darauf gab einer der Polizisten einen Schuss ab, der den Mann im Oberkörper traf. Auf dem Boden liegend, soll sich der Mann mit dem Messer weitere, schwere Verletzungen zugezogen haben, so die Staatsanwaltschaft.

Mordkommission Bonn ermittelt aus Neutralitätsgründen

Laut der Anwohnerin handelte es sich um einen Mannschaftswagen mit zwei Polizeibeamten. „Sie haben zwei oder drei Mal geschrien: Messer weg. Dann fiel der Schuss“, so die Frau. Kurze Zeit später seien weitere Polizisten und ein Rettungswagen eingetroffen, schildert sie. Die Rettungskräfte, so Staatsanwalt Bremer, hätten noch versucht, den Mann zu reanimieren und brachten ihn in eine Klinik. Doch wenig später starb er an seinen Verletzungen. Laut Staatsanwaltschaft sei der Euskirchener in der Vergangenheit nicht mit Gewaltdelikten aufgefallen. Noch bis in die Nachtstunden war der Tatort mit Sichtschutz abgesperrt.

Aus Neutralitätsgründen ermittelt nun eine Mordkommission der Bonner Polizei in dem Fall – ein übliches Vorgehen bei Vorfällen, bei denen die Frage im Raum steht, ob sich Polizisten strafbar gemacht haben. Bei den Ermittlungen „werden alle in Betracht kommenden Zeugen vernommen, Spuren und weitere Beweismittel wie etwa Bodycam-Aufnahmen der Polizei ausgewertet, um den Geschehensablauf möglichst lückenlos aufzuklären“, so Staatsanwalt Bremer. Die Ermittlungen sollen klären, wie gerechtfertigt der Schuss der Polizisten auf den Mann war – und wie genau sich der Mann nach dem Schuss mit dem Messer selbst verletzen konnte.

Laut Paragraf 64 des Polizeigesetzes NRW dürfen Polizisten nur unter strengen Auflagen Schusswaffen nutzen. Unter anderem dann, wenn nur dadurch eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben abzuwenden ist. Der Schusswaffengebrauch ist auch dann erlaubt, wenn eine Person zu fliehen versucht „und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt“.

Bei den Ermittlungen liege ein besonderes Augenmerk auf „der Durchführung aller notwendigen rechtsmedizinischen Untersuchungen zur Klärung der Todesursache“, so Staatsanwalt Bremer weiter. Eine Obduktion der Leiche wurde angeordnet. Sie soll auch klären, welche Verletzungen für den Tod des Mannes ursächlich sind. War es der Schuss? Die Verletzungen mit dem Messer? – Oder beides? Mit weiteren Ergebnissen der Ermittlungen ist wohl nicht vor kommender Woche zu rechnen.

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