Nach ProzessfehlerGericht rollt Fall um getöteten 15-Jährigen in Köln neu auf

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Der heute 67-jährige Klaus P. (l.) mit seinem Verteidiger beim Prozess in Köln

Köln – Wegen Totschlags an einem Jugendlichen verurteilte das Kölner Landgericht im März 2013 den heute 67-jährigen Klaus P. zu fünf Jahren Haft. Seit Montag wird der Prozess vor einer anderen Strafkammer neu aufgerollt. Zwar hatte seinerzeit der Staatsanwalt das Urteil akzeptiert, obwohl er zehn Jahre Gefängnis gefordert hatte; doch sowohl die Verteidigung als auch die Eltern des Opfers hatten Revision beantragt. Den Antrag der beiden Nebenkläger verwarf der Bundesgerichtshof im November 2013, demjenigen der Verteidiger, die auf Freispruch plädiert hatten, gab es statt. Wegen Überlastung der Justiz hat der neue Prozess erst jetzt begonnen.

Die Staatsanwaltschaft legt Klaus P. zur Last, am Abend des 11. April 2012 „ohne Vorwarnung“ dem 15-jährigen Marlon H. in die linke Brustseite gestochen und dabei dessen Tod „zumindest billigend in Kauf genommen“ zu haben. Tatort war ein Platz an der Takustraße in Ehrenfeld, wo Wohnwagen von Schaustellern standen. Anlass der Tat soll gewesen sein, dass Marlon H.s Vater den Angeklagten wegen eines getretenen Hundes zur Rede habe stellen wollen.

15-Jähriger starb trotz Notoperation in Kölner Klinik

Klaus P. habe ihn zu Boden gestoßen, ein Messer mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge gezückt und unvermittelt den Sohn attackiert. Der starb trotz einer Notoperation am folgenden Morgen. Die Verteidigung hatte im damaligen Prozess eine Unfallversion des Geschehens vorgebracht: Der Vater des Opfers habe Klaus P. mit einem Messer bedroht und der in der Nähe stehende Großvater sogar ein Beil in der Hand gehabt. Aus Angst habe Klaus P. mit seinem eigenen Messer „herumgefuchtelt“, und Marlon H. sei in die Klinge „hineingelaufen“. Dem schenkte die 5. Große Strafkammer keinen Glauben.

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Der Bundesgerichtshof hob deren Urteil mit Hinweis auf einen Prozessfehler auf: Bei einer Zeugenvernehmung in Abwesenheit des Angeklagten sei eine Skizze vom Tatort in Augenschein genommen worden, ohne ihn danach über das Ergebnis zu informieren. Im Januar 2014 wurde das Verfahren an eine Strafkammer verwiesen, die, wie sich zeigte, dauerhaft mit Haftsachen ausgelastet war. Klaus P. war nach 21 Monaten in Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gekommen.

Angeklagter musste sechs Jahre auf den neuen Prozess warten

Sechs Jahre musste er auf den neuen Prozess warten, der nun vor der 11. Großen Hilfsstrafkammer stattfindet. Deren Vorsitzender Achim Hengstenberg sagte, eine „erhebliche rechtsstaatswidrige Verzögerung“ komme in Betracht, die neben der Dauer der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Ohnehin kann die neue Strafe aus juristischen Gründen nicht höher als die bereits verhängte sein.

Klaus P., der heute im Saarland lebt, äußerte sich am Montag noch nicht zur Sache. Wie im ersten Prozess ist kein Geständnis zu erwarten. Ausführlich ging es um die Verhandlungsfähigkeit des 67-Jährigen, denn er ist gesundheitlich stark angeschlagen. Zu einer Herz- und einer Lungenerkrankung kommen Bandscheibenprobleme. Außerdem kam zur Sprache, nach dem Geschehen sei Klaus P. wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung gewesen. Von massiven Schlafproblemen, „Flashbacks“, in denen er den tödlich verletzten Jungen wiedersehe, und depressiven Verstimmungen war die Rede. Maximal zwei Stunden am Stück sei Klaus P. verhandlungsfähig, sagte ein psychiatrischer Sachverständiger. In zwei Wochen wird der Prozess fortgesetzt.

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