GutachtenHarte Einschnitte für Klimaneutralität in Köln nötig

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Autos und Lkw stehen auf der Autobahn A555 im Stau.

Alltag in Köln: Autos und Lkw stehen im morgendlichen Berufsverkehr auf der Autobahn im Stau.

Das Gutachten zur Kölner Klimaneutralität umfasst eine ganze Reihe an wissenschaftlichen Erkenntnissen und wichtigen Maßnahmen, die die Politik in Zukunft beachten muss. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2035.

„Das Ziel ist klar“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Köln soll bis 2035 klimaneutral sein. „Die wichtigste Erkenntnis ist jetzt aber: Köln kann es schaffen.“ Die Stadtverwaltung hat nun das Gutachten „Köln klimaneutral 2035“ vorgestellt. Das mehr als 1000 Seiten starke Werk stellt die Strategie vor und umreißt die nötigen Schritte, damit die Stadt in 13 Jahren keine Treibhausgase mehr ausstößt.

Das Gutachten unterbreitet verschiedene Vorschläge. Eine mögliche Maßnahme könnte sein, dass in Zukunft keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Dieser Ansatz bezieht sich auf eine entsprechende „aktuell in Rede stehende EU-Verordnung“, teilt die Verwaltung im Nachgang mit. „Die Stadt Köln kann kein entsprechendes Verbot aussprechen“, heißt es weiter. „Sollte ein entsprechendes Verbot auf EU-Ebene relevant werden, ist dieses natürlich auch von der Stadt Köln umzusetzen“, sagt die Verwaltung.

Kölner Experten liefern wichtig Erkenntnisse

20 Wissenschaftler und Ingenieure, sämtliche Dezernate der Stadt und der Kölner Klimarat waren an der Erstellung des Gutachtens beteiligt. Vier Forschungsstellen wie das renommierte Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie haben das Ganze wissenschaftlich begleitet.„Eines der Kernergebnisse ist: Wir müssen den Energiebedarf drastisch senken“, sagt Andreas Hübner von der Ingenieurgesellschaft Gertec, die ebenfalls maßgeblich an dem Gutachten beteiligt war.

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Eine andere Erkenntnis sei: Der Einfluss der Stadtverwaltung ist begrenzt. Zu viel hängt von äußeren Faktoren ab, wie etwa der weltwirtschaftlichen Lage oder unvorhersehbaren Ereignissen wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Dennoch müssen wir als Stadtverwaltung unsere Hausaufgaben machen“, sagt Umweltdezernent William Wolfgramm.

Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in Köln

So wird die Stadt auf jedem Gebäude, auf dem es möglich ist, eine Photovoltaik-Anlage errichten. Städtebauliche Projekte werden nach ihrer Klimarelevanz priorisiert, jegliche Stadtentwicklung unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet. Die Stadt will weiterhin auch Besitzer von Privathäusern animieren, ihre Gebäude energetisch zu sanieren.

Ein zuletzt aufgelegtes Förderprogramm über 20 Millionen Euro ist annähernd ausgeschöpft und soll in den kommenden Jahren ausgeweitet werden. Laut Wolfgramm werde geprüft, auch Industriebetrieben Förderungen zukommen zu lassen. „Photovoltaik in Großstädten ist ein Schlüssel zur Klimaneutralität“, betont Hübner.

Andreas Hübner, William Wolfgramm und Henriette Reker im Historischen Rathaus in Köln bei der Vorstellung des Gutachtens.

Um die ehrgeizigen Ziele erreichen zu können, müssen weitgreifende Maßnahmen schnellstens umgesetzt werden.

Das mit 38 Prozent größte Sparpotenzial sieht die Studie in der klimaneutralen Energieversorgung. Bis 2035 müsse der Verbrauch fossiler Energien in Köln auf null sinken. Dazu müsse die lokale Erzeugung von Wärme und Strom durch erneuerbare Energien erhöht werden. Köln könne indes nur bis zu 31 Prozent der benötigten Energie auf dem eigenen Stadtgebiet erzeugen, sagt Hübner. Der Rest müsse weiterhin zugekauft werden.

Umstrukturierung des Kölner Verkehrs

Der Verkehrssektor ist ebenfalls stark gefordert, um Kölns Klimaneutralität zu erreichen. In der Stadt sollen in den kommenden Jahren 3500 Ladesäulen für Elektroautos entstehen, was angesichts derzeit einiger hundert Kölner Stromtankstellen sehr ambitioniert ist. „Und ohne den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und der Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf Rad und Fußgänger werden wir unsere Ziele nicht erreichen“, mahnt Hübner.

Dazu gehöre auch, dass das digitale Netz und mit ihm die Möglichkeit zum Homeoffice deutlich verbessert werden müsse, um den Pendlerverkehr zu reduzieren. Das Gutachten hat noch viele weitere Aspekte aufgeführt, manche davon sind relativ unvorhersehbar. So müssen unter anderem etwa die Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger dazu motiviert werden, selbst ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen. „Jeder muss seinen Beitrag leisten. Wir brauchen eine breite Allianz“, fordert Reker.

Kölner Politik wird weitere Maßnahmen beschließen

Als Nächstes geht das umfangreiche Gutachten zur Beratung in die politischen Gremien. Spannend wird es im kommenden Sommer. Dann will die Verwaltung einen „konkreten Aktionsplan“ mit weiteren ausformulierten Maßnahmen vorlegen, sagt Dezernent Wolfgramm.

>>Das Gutachten „Köln klimaneutral“ ist hier einzusehen

Reker kündigt im Zuge des Gutachtens neue Investitionen an. Die Klimastrategie „wird sich auch im Haushalt abbilden“, sagt sie, ohne jedoch Zahlen zu nennen. „Aber das sind gute Investitionen“, denn es sei massiv kostspieliger, wenn der Klimawandel nicht gestoppt werden sollte, wie etwa die Bilder aus der Flutkatastrophe im Ahrtal eindrucksvoll gezeigt hätten. „Wenngleich ich das Wort Klimawandel gar nicht mehr benutzen möchte, weil es zu harmlos ist. Ich rede eigentlich nur noch von Klimakrise“, ergänzt Reker.

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