Atelier schneidert winzige SmokingsHänneschen und Bärbelchen tragen Haute-Couture aus dem Severinsviertel

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Hänneschen und Bärbelchen in Abendgarderobe auf der Bühne.

Bärbelchen trägt im aktuellen Stück ein Strasskleid, Hänneschens Smoking ist dazu passend auch mit Strass verziert. Die Abendgarderobe entstand in einem Kölner Atelier.

Für das Jubiläumsstück im Hänneschen-Theater haben sich die Knollendorfer in Schale geworfen, genäht wurde in der Südstadt.

Wenn Simone Hertwig über Stoffe spricht, dann wird ihre Leidenschaft sofort deutlich. „Ich bin ein Stoffaholic“, sagt sie über sich selbst. Haute-Couture ist ihre Welt. Und so ist es gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt, wenn die Knollendorfer Fijore mit ihrer Abendgarderobe von „Coco Schwadnell“, „Oscar de la Rente“ oder „Jean Paul Oje“ prahlen. Im Jubiläumsstück zu 222 Jahre Hänneschen-Theater „Medden im kölsche Levve, iewich jung jeblevve“ glänzen Hänneschen, Bärbelchen, Schäl und Co. seit Freitag in kölscher Haute-Couture – handgefertigt in der Südstadt.

Englische Baumwolle und Spitze von Valentino

Simone Hertwig präsentiert in ihrem Atelier den Stoff für das Abendkleid der  Bärbel-Figur.

Für Simone Hertwig war es eine Ehre, die Kleider für das neue Hänneschen-Stück zu fertigen. In der Hand hält sie den Stoff von Bärbelchens Strasskleid.

Das Bärbelchen trägt französische Seide und Spitze von Valentino, das Kleid vom Röschen ist aus pinkem Crash-Samt aus den 80ern und Zänkmanns Kätts Abendgarderobe zieren französische Haute-Couture-Brokatbänder. Auch die Männer haben sich für die Gala zum großen Jubiläum rausgeputzt: Sie tragen schwarze Smokings aus englischer Baumwolle mit Reversspiegel und Galonstreifen aus Satin, Fliegen aus Seidentaft und weiße Hemden mit Perlmuttknöpfen.

Atelier „Principessa“ kleidet Hänneschen-Puppen ein

Als das Hänneschen-Theater im vergangenen Sommer auf das Atelier „Principessa“ zukam, war Inhaberin Simone Hertwig direkt begeistert. „Das ist eine Ehre, das Hänneschen ist eine Institution in Köln.“ Ihre vier Mitarbeiter im Atelier seien dabei weniger euphorisch gewesen, sagt Hertwig: „Die meinten, ich wäre verrückt.“ Und das nicht ohne Grund: Das „Principessa“ mitten im Severinsviertel hat als eines der letzten großen Ateliers in Köln zwar insgesamt 1200 Stoffe und 200 Grundschnitte, doch die Ausstattung der Hänneschen-Puppen stellte das Team trotzdem vor neue Herausforderungen.

Die Puppen des Hänneschen-Theaters sind nicht nur klein, das Nähen ihrer winzigen Outfits Fingerspitzenarbeit, ihre Körper sind dazu auch von den Proportionen her weit von Einheitsgrößen entfernt. Hier ein Buckel, da ein dicker Bauch oder ein ungewöhnlich langer Hals: Für die zehn Outfits, die im „Principessa“ gefertigt wurden, brauchte es zehn eigene Schnittmuster und einige Fehlversuche.

Hänneschen-Puppen stehen in Abendgarderobe beisammen.

Die Smokings und Kleider für das Jubiläumsstück im Hänneschen sind in einem Atelier in der Südstadt entstanden.

Beim Design ließ das Hänneschen-Theater dem Atelier freie Hand. Aber die Knollendorfer wissen sowieso selbst am besten, was sie wollen, sagt Hertwig. „Die Puppen entwickeln ein Eigenleben.“ Beim Röschen etwa sei klar gewesen, dass es nicht einfach eine kleine Tasche unterm Arm tragen kann, stattdessen hätte sie etwas gewollt, das sie rumschleudern und womit sie im Zweifel auch zuhauen kann.

Nach einigen Wochen hätten sowohl Hertwig als auch ihre Mitarbeiter die Puppen morgens ganz selbstverständlich gegrüßt. Insgesamt zweieinhalb Monate arbeiteten sie an den Smokings und Kleidern, bis sie sich wieder von den Puppen verabschieden mussten: „Wir waren traurig, als sie gehen mussten, aber froh, dass die Arbeit getan war.“

Jubiläumsstück läuft noch bis zum Herbst

Bei der Premiere am Freitag zeigten sich die Knollendorfer erstmals der Öffentlichkeit in ihren neuen Kleidern. Auch Hertwig saß dabei im Publikum: „Es war unheimlich berührend.“ Bis zum 23. Juni sowie vom 17. August bis zum 27. Oktober läuft „Medden im kölsche Levve, iewich jung jeblevve“ noch im Hänneschen-Theater.

Jetzt widmet Hertwig sich mit ihrem Team erstmal wieder dem Tagesgeschäft und näht etwa Kostüme, Braut-, Kommunions- oder Taufkleider. Seit ihren ersten Schritten in der Modewelt habe sich viel geändert, viele Ateliers hätten aufgehört, weil der wirtschaftliche Druck zu groß sei. In den 80ern und 90ern habe Hertwig noch Aufträge über 20 Outfits und mehrere tausend Euro für eine Kreuzfahrt bekommen – das gibt es heute kaum bis gar nicht mehr.

Hertwig verkauft jedoch nicht nur schicke Alltagskleidung und Haute-Couture, sondern auch „Ringel Couture“. Im Winter wird das Atelier rot-weiß, dann konzentriert sich Hertwig ganz auf Ringelshirts, Petticoats, Kostüme und Uniformen. Als kölsches Mädchen, sie war zwei Jahre alt, als ihre Familie nach Köln zog, hat sie nach dem Einkleiden der Hänneschen-Puppen noch einen Wunsch: „Das Dreigestirn einzukleiden wäre noch eine besondere Ehre für mich.“

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