Kölner StadtgeschichteHeizungskeller, Bar und Partykeller mit Weltkulturerbe

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Teddy Keller

Betreiber Luca Castiglione vor den Resten der römischen Stadtmauer in der „Gentle Bears Bar“

Köln – Ein Heizungskeller mit Weltkulturerbe? – Seit zwei Wochen trägt der Niedergermanische Limes den begehrten Unesco-Titel. Von der Grenzanlage der Römer ist allerdings nicht mehr viel zu sehen. Sie liegt tief in der Erde oder, so wie in Köln, als römische Stadtmauer versteckt in Tiefgaragen, überwachsen in Hinterhöfen, in vielen Häusern oft unzugänglich im Keller – zum Beispiel des Rathauses. 

Links und rechts von Heizungs- und Lüftungsrohren gehen die Reste des Praetoriums und der Römermauer auf. „Das ist  die  Situation um das Jahr 300“, erklärt Prof. Alfred Schäfer vom Römisch-Germanischen Museum. „Was heute die Wände des Kellers, das bildete damals eine Gasse für die patroullierende Garde des Statthalters.“ Der Mitarbeiter des Rathauses  staunt: „Römisch?“

Heizung Keller

Links römische Stadtmauer, rechts Praetorium – und dazwischen die Heizungsanlage des Rathauses

Wer sich mit Alfred Schäfer auf die Suche nach den verborgenen Teilen der Römermauer macht, lernt die Stadt mit anderen Augen zu sehen. „Wo jetzt der Alter Markt ist, war in der Antike zunächst ein Nebenarm des Rheins. Das ganze Gelände wurde schon in römischer Zeit und dann im Mittelalter aufgeschüttet.“ 

Sechs Meter unter der Straße: Das Hafentor

Nachvollziehbar wird das sechs Meter unter dem Kurt Hackenbergplatz. Im Dunkel liegt das 2007 ausgegrabene Hafentor, eines von fünf stattlichen Torhäusern der rheinseitigen Römermauer. „Dieses großartige Zeugnis  antiker Baukunst wird aber erst mit der neuen Historischen Mitte für Besucher zugänglich sein“, vertröstet Schäfer. 

Keller Schäfer

Prof. Alfred Schäfer erklärt das Hafentor

Weiter geht  es, vorbei an Dom und Domschatzkammer, wo die Fundamente  eines Römerturms im Verborgenen liegen. Schäfer betritt in der Komödienstraße das a&o Hostel. „Dürfen wir mal kurz gucken?“ Die Rezeptionistin ist irritiert. „Ach so, der Turm!“ Das erhaltene Rund bildet hier den dekorativen Hintergrund für die Eisbox.

Der einzig erhaltene Römerturm

Auf der Straße Burgmauer begleiten uns hinter dem Zeughaus ansehnliche 87 Meter restaurierte Römermauer. Dafür fristet der einzig erhaltene Römerturm an der viel befahrenen Zeughausstraße noch ein trauriges Dasein. Seit Jahren wartet er auf die Restaurierung. „Die Mittel sind beantragt“, sagt Schäfer. „Wir sind guter Dinge, dass das aufwändig dekorierte Mauerwerk bald wieder sichtbar wird.“ Der Turm gehört zwar der Stadt, öffentlich zugänglich aber ist er nur am „Tag des offenen Denkmals“ – sofern seine Statik denn endlich gesichert wird.

In der Straße „Am Römerturm“ begrüßt Alfred Schäfer die Architektin Ulrike Halfmann und Andre Wefers, der hier die Schlüsselgewalt hat. Man kennt  sich – durch die Römermauer. „Die Häuser hier stehen alle auf der Mauer“, weiß Schäfer. Auch Haus Nummer 19. „Das Elternhaus meines Vaters“, erzählt Andre Wefers. „Nach dem Krieg war hier unsere Heizung- und Sanitärfirma. Natürlich wussten wir, dass wir im Keller die Römermauer haben. Die war halt mit Teerfarbe gestrichen, wegen der Bodenfeuchte.“ 

Vorbildlich restauriert

Über die Jahre konnten die Wefers die Nachbarhäuser erwerben und durch Ulrike Halfmann modernisieren lassen. „In Nummer 15 war mal ein Puff“, erklärt Wefers, „mit Kontakthof, Sauna und Bar im Keller.“ Bei der Sanierung kam hinter einer Verschalung die Römermauer zutage, erzählt Ulrike Halfmann, die sich bei ihren Modernisierungsmaßnahmen sehr für den  Erhalt der historischen Gebäudesubstanz engagiert. Statt Rotlicht gibt es nun eine dezente Galerie-Beleuchtung. Ein fachgerecht restauriertes Stück Römermauer wurde Teil des Kunstraums. 

Partykeller

Architektin Ulrike Halfmann und Andre Wefers vor der Römermauer im Partykeller der Familie Wefers

Im Haus nebenan ist der Partykeller der Wefers mit Karnevalsorden dekoriert – aber die sanierte Römermauer ist der eigentliche Blickfang. „Vorbildlich saniert“, lobt Schäfer. „Die Römermauer war uns es  uns wert“, sagt Wefers. „Die steht hier ja schon seit dem Anfang der Stadt.“ Dagegen gibt die eingerüstete Römermauer am Mühlenbach ein wüstes Bild ab. „Wenn Stadt und Land Geld geben, gibt es hier statt eines Hundeklos ein Vorzeigestück  mit hoher Aufenthaltsqualität“, hofft Schäfer.

Wenige Meter entfernt hat das rund vier Quadratmeter große Mauerstück in der „Gentle Bears Bar“ schon wilde Zeiten erlebt. Ende der 1980er Jahre war die vormalige „Römerstube“ auch schon mal Treff der Leder- und Fetischszene. Heute stehen hier sanfte Bären am Tresen: „Schwule Männer, die Bart tragen, werden in der internationalen Community Bären genannt“, erzählen Frank und Luca Castiglione, die die Bar seit 2017 führen. „Wir sind die einzige Kölner Bar mit Römermauer“. 

Die einzige Bar mit Römermauer

Frank und Luca gehörten vor 18 Jahren zu den ersten schwulen Paaren in Köln, die sich standesamtlich trauen ließen. Der langjährige Polizist und der Fachkrankenpfleger einer  psychiatrischen Klinik sind sozial und politisch engagiert. „Die Bar ist das Vereinslokal des gemeinnützigen »Bartmänner Köln  e.V.«.  Wir organisieren Veranstaltungen, auf denen z.B. für schwule Flüchtlinge oder jetzt für schwule Katastrophenopfer gesammelt wird.“ Und sie  organisieren  die „Mister Bear German“-Wahlen“, die jedes Jahr einige Tausend schwule Bartträger in die Stadt bringt.

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Die Castigliones haben ihre  Römermauer grau gestrichen. „Jetzt, da wir hier gewissermaßen ein Welterbe  haben, denken wir darüber nach, sie  fachmännisch restaurieren zu lassen. Hier stehen viele Touristen vor der Tür und fragen, wo denn die Römermauer sei. Die sind uns alle herzlich willkommen.“ 

Mehr Werbung verdiente auch das   Ubier-Monument „An der Malzmühle“, Corona-bedingt  geschlossen. „Auch dieser Hafenturm war   Teil des Limes“, erklärt Schäfer. „Durch den Unesco-Titel  bekommt die Stadtmauer jetzt mehr Aufmerksamkeit. Eine  Chance für das Bauwerk – und für die Stadt.“  

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