Kölner Schauspielerin Nora Boeckler„Als ich gesagt habe, dass ich schwanger bin, wurde die Rolle innerhalb einer Stunde neu besetzt“

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Nora Boeckler in Rollkragenpullover und Winterjacke im Porträt. Einmalige Verwendung!

Die Schauspielerin Nora Boeckler lebt in Köln. Sie ist vergangenes Jahr Mutter geworden, was sie in der Branche lange verheimlichte.

Boeckler spielt im neuen Kinofilm „Oskars Kleid“ über ein Trans-Kind mit. Im Interview verrät sie, wie sie auf ein Outing ihres Kindes reagieren würde und warum sie ihr Mutter-Sein lange verheimlichte.

An diesem Donnerstag startet im Kino der neue Film von Florian David Fitz, „Oskars Kleid“, in dem Sie mitspielen. Worum geht es?

Nora Boeckler: „Oskars Kleid“ ist ein wahnsinnig schöner, wichtiger und berührender Familienfilm. Der sicherlich auch zu wilden Diskussionen anregen wird. Es geht darum, dass der Familienvater Ben, gespielt von Florian [David Fitz], erfährt, dass sein Sohn Kleider trägt und Lili genannt werden möchte. Ben ist Polizist und sehr festgefahren in seinen Einstellungen. Für ihn ist klar: Das Kleid muss weg. Der Film hat aber auch noch andere Ebenen. Der Vater selbst hat eine schwierige Beziehung zu seinen Eltern. Das hat mich sehr berührt, denn nur die wenigsten von uns haben ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Eltern.

  • Nora Boeckler wurde 1980 geboren und lebt gemeinsam mit ihrem Mann Ronald Tenholte und ihrer Tochter in Köln.
  • Sie lernte Schauspiel an der Kölner Schauspielschule der Keller, arbeitet als Komikerin und Schauspielerin.
  • Regelmäßig ist sie unter anderem in der Vox-Serie „Tonis Welt“ zu sehen.
  • Der Kinostart von „Oskars Kleid“ ist am 22. Dezember. 

Der Filmstart war ursprünglich schon für 2021 geplant. Wie ist es für Sie, dass er nun nach so langer Zeit erscheint?

Boeckler: Ich freue mich wahnsinnig darauf, dass der Film jetzt kommt, weil er es so verdient hat, gesehen zu werden. Die Premiere wurde drei Mal verschoben, coronabedingt konnten wir den Film nie so präsentieren, wie wir wollten. Es hat sich aber gelohnt zu warten. Das Thema ist so präsent wie nie. Und über die Weihnachtsfeiertage haben viele Familien Zeit, gemeinsam ins Kino zu gehen.

Boeckler spielt neben Florian David Fitz in dem neuem Kinofilm

Welche Rolle übernehmen Sie in „Oskars Kleid“?

Boeckler: Ich spiele Frau Steck vom Jugendamt. Ich werde informiert, dass in der Familie etwas nicht ganz rund läuft und schaue mir die Situation deshalb vor Ort an. Ich wirke auf den ersten Blick nicht so, als würde man mit mir gerne Kaffee trinken wollen – ganz anders als privat natürlich! (lacht) Ich sehe in der Rolle auch ganz anders aus, durfte das erste Mal mit Perücke spielen. Man muss schon genau hinsehen, um mich zu erkennen.

Nora Boeckler als Frau Steck vom Jugendamt im Kinofilm Oskars Kleid, rechts neben ihr steht Florian David Fitz, im Vordergrund sind zwei Kinder zu sehen.

Nora Boeckler in einer Szene in „Oskars Kleid“ mit Florian David Fitz (rechts).

Sie sind selbst im letzten Jahr Mutter geworden. Wie blicken Sie persönlich auf das Thema des Films? Wie würden Sie reagieren, wenn ihr Kind sich später einmal outen sollte?

Boeckler: Im Film geht es ja auch darum, wie wir uns als Eltern verhalten, wenn das Kind nicht so wird, wie man es erwartet hat. Nicht die Kleidung trägt, die man selbst will, nicht das Hobby ausübt, was man gut findet. Es ist nicht leicht, immer alles richtig zu machen. Natürlich habe ich mir als Mutter nun noch einmal mehr Gedanken darüber gemacht. Ich will meiner Tochter das Gefühl vermitteln, dass sie immer mit allem zu mir kommen kann. Dass sie ihre Wünsche und Träume mir gegenüber äußern kann. Das wäre toll.

Boeckler über das Mutter-Werden und warum die Filmbranche es immer noch nicht unterstützt

Ihre Tochter ist 16 Monate alt. Sie haben bislang nicht darüber gesprochen, Mutter geworden zu sein. Warum?

Boeckler: Weil es als Schauspielerin, die nicht zur Hollywood-Riege gehört, immer noch nicht unterstützt wird, Mutter zu werden. Ich hatte Angst, dass ich meinen Beruf dann nicht mehr ausüben kann. Ich liebe meinen Beruf. Ich habe mir deshalb lange Zeit gelassen, ich bin ja nun auch keine junge Mutter mehr. Beruflich wird man teilweise dafür bestraft, ein Kind zu bekommen.

Inwiefern?

Boeckler: Ich hatte im dritten Monat meiner Schwangerschaft eine Drehanfrage und bin offen damit umgegangen, dass ich schwanger bin. Innerhalb von einer Stunde wurde die Rolle neu besetzt. Das hat mich sehr getroffen. Die meisten Frauen in der Filmbranche verheimlichen deshalb, dass sie ein Kind bekommen – übrigens auch Regisseurinnen oder Kamerafrauen. Bei „Tonis Welt“ [Vox-Serie, Spin-Off zu „Der Club der Roten Bänder“] war es zum Glück ganz anders. Ich habe dort acht Wochen nach der Entbindung wieder gedreht und es war selbstverständlich, dass ich trotz „frisch gebackene Mutter“ arbeite, worüber ich mich sehr gefreut habe. Das ist traurigerweise immer noch nicht Standard, obwohl wir uns im 21. Jahrhundert befinden.

Nora Boeckler spielt Frau Steck im Kinofilm Oskars Kleid.

Szene aus „Oskars Kleid“. Nora Boeckler spielt Frau Steck vom Jugendamt (rechts).

Wie managen Sie die Dreharbeiten als Mutter?

Boeckler: Ich bekomme es gut hin, beides miteinander zu vereinen. Ich habe seit der Geburt meiner Tochter so viel gearbeitet wie vielleicht noch nie. Ich habe eine Leihoma hier in Köln, weil ich selbst leider keine Eltern mehr habe. Und mein Mann ist ein ganz toller Vater, der auch mit zum Set kommt.

Boeckler startet mit eigener Comedy-Serie auf Amazon

Ist Köln eine gute Stadt, um ein Kind großzuziehen?

Boeckler: Das ist eine gute Frage. Wir diskutieren das in unserer Familie auch viel. Auf dem Land wäre es vielleicht schöner. Mein Mann und ich haben vier Monate lang mal einen Ausflug ins Umland gemacht – und sind dann wieder zurück nach Köln gezogen. Ich liebe Köln. Momentan ist es für mich der richtige Ort, auch für mein Kind.

Im Oktober sind bei Amazon die ersten beiden Folgen Ihrer eigenen Comedy-Serie „Ding Dong – Der ganz normale Wohnsinn“ erschienen. Was hat es damit auf sich?

Boeckler: Corona war für uns Künstler, die nebenbei auch noch auf der Bühne stehen, hart. Ich wollte irgendetwas machen. Schon während meiner Deutschlandtour mit meinem Solo-Programm hatte ich das Bedürfnis, kleine Videos zu drehen. Meine Figuren waren dann etwas eingestaubt, ich wollte sie wieder an die Oberfläche bringen. Gemeinsam mit dem Produzenten Jan Lukas Winter habe ich gebrainstormt und das Format entwickelt. Die Serie begleitet nun die skurrilen Bewohner eines Kölner Mehrfamilienhauses. Ich habe im siebten Monat, hochschwanger gedreht. Ich habe in der Corona-Zeit also eine Serie gedreht, ein Kind bekommen und meinen Führerschein gemacht! (lacht)

Den Führerschein auch noch?

Boeckler: Ja, und ich bin glaube ich auf kaum etwas so stolz. (lacht) Mir war klar, dass ich den Führerschein vor der Geburt meiner Tochter schaffen muss – danach hätte ich es nicht mehr hinbekommen. Die Fahrstunden habe ich dann immer mit Handtuch unter dem Po gemacht – falls die Fruchtblase geplatzt wäre. Tatsächlich hatte ich dann am Donnerstag meine Fahrprüfung und am Dienstag ist meine Tochter zur Welt gekommen. Die Fahrprüferin hat aber noch zu mir gesagt: Fahren Sie die ersten Monate vielleicht erstmal lieber ohne Kind! (lacht)

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