Tod von Kölner Kurt BraunKlinik entließ Angeklagten als „nicht mehr behandlungsfähig“

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Clemens K. Kölner Gericht

Der 60-jährige Angeklagte Clemens K. sitzt neben seiner Verteidigerin Harriet Krüger im Landgericht auf der Anklagebank

  • Im Dezember vergangenen Jahres wollte Kurt Braun, Angestellter der Stadtkämmerei, eine offene Geldforderung bei einem Mieter an der Straße Auf der Schildwache eintreiben.
  • Kaum hatten er und seine Kollegin geklingelt, wurde die Wohnungstür aufgerissen und der 47-Jährige mit einem Messer angegriffen. Er wurde schwer verletzt, starb noch am Unfallort.
  • Am fünften Verhandlungstag hat Bastian S., der Betreuer von Clemens K., vor Gericht ausgesagt.

Köln – Bastian S. (29) hatte gerade sein Studium der Sozialpädagogik abgeschlossen, als er im Oktober 2017 bei der Arbeiterwohlfahrt sein Anerkennungsjahr als Betreuer begann, Clemens K. war sein erster Fall. Der aktenkundige Einzelgänger, seit Jahrzehnten unter Betreuung, verhielt sich gegenüber dem Neuen so wie er es stets praktizierte: Er öffnete weder Tür noch Briefe, ignorierte Termine, war grundsätzlich nicht erreichbar. „Er lehnte eine Betreuung ab“, erinnert sich S., der am fünften Verhandlungstag im Prozess um den getöteten städtischen Mitarbeiter Kurt Braun als Zeuge gehört wurde.

Die seltenen Male, wo K. dann doch Kontakt zuließ, hat S. seinen Klienten „freundlich, friedlich, nett – wenn auch merkwürdig“ in Erinnerung. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, denen gegenüber K. aggressiv und gewalttätig dahergekommen war. Dass K. amtliche Unterstützung benötigte, war ebenfalls seit Jahren bekannt. Denn er kümmerte sich weder um seine Vermögensverhältnisse noch sonstige behördlichen Belange, obwohl er von Sozialhilfe lebte und daher seine Mitarbeit erforderlich war.

Klinik entlässt Clemens K. als „nicht mehr behandlungsfähig“

Bastian S. war auch derjenige, der Clemens K. in Empfang nahm, als er im April 2019 nach seiner zwangsweisen Einweisung in der LVR-Klinik wieder entlassen wurde. Die Klinik habe K. als „nicht mehr behandlungsfähig“ auf freien Fuß gesetzt, eine Zwangsmedikation abgelehnt, offensichtlich auch keine Gefahr mehr gesehen. Die Gewaltattacken auf den Amtsarzt und der Messerangriff auf einen Pfleger in der Klinik waren dem Betreuer bewusst. Dass K. trotz dieser augenfälligen Fremdgefährdung wieder in Freiheit gelassen wurde, darauf reagiert der Betreuer mit einem Schulterzucken: „Was sollte ich denn machen? Ich bin kein Arzt. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Entlassung in der Praxis so gut wie möglich umzusetzen.“

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Trotz der Gewaltattacken seines Klienten habe er sich gleichwohl „zu keinem Zeitpunkt bedroht gefühlt“. Er begleitete Clemens K. in dessen Wohnung, im Gespräch habe er ihn „weder aggressiv noch verhaltensauffällig“ empfunden, allerdings wie schon zu einem früheren Zeitpunkt „Merkmale einer psychischen Erkrankung“ festgestellt. Im Auftrag seiner Vorgesetzten habe er den Fall K. noch telefonisch beim Sozialpsychiatrischen Dienst vorgestellt, dort als Antwort erhalten: „Was sollen wir denn da noch machen, wenn er nicht behandlungswillig ist?“

Dass ein Gewaltausbruch von Aschermittwoch 2019 gegenüber einer städtischen Bediensteten letztlich glimpflich ablief, war letztlich nur der Geistesgegenwart der Frau zu verdanken. Sie und eine Kollegin hatten den Amtsarzt begleitet, der mit Polizeischutz auf Anordnung des Gerichts den Geisteszustand von Clemens K. untersuchen sollte. „Er stürmte aus der Tür auf mich zu und versetzte mir ein paar Hiebe mit einem spitzen Gegenstand auf den Kopf“, mit der anderen Hand habe er ihr Faustschläge verpasst, erinnerte die Mitarbeiterin im Zeugenstand den Angriff.

Kölner Mitarbeiterin schützt sich mit Aktenmappe vor Clemens K.

Blitzartig hatte sie sich zum Schutz ihre Aktenmappe vor den Kopf gehalten. Ein Foto der beschädigten Mappe dokumentiert auf der Leinwand im Gerichtssaal die Wucht, mit der K. mit dem Schraubenzieher zugestochen hatte. Sie habe „Schnittverletzungen im Gesicht und Prellungen des Joch- und Nasenbeins erlitten“, schildert die Mitarbeiterin ihre Verletzungen, bis heute habe sie psychologische Hilfe in Anspruch genommen. „Ich wollte nicht behelligt werden. Deren Vorgehen war nicht legitim“, kommentiert Clemens K. sein damaliges Verhalten. Die Kollegin erinnerte bei dem Einsatz die Notwendigkeit eines Wäschewechsels, weil sich Clemens K. damals eingekotet hatte. „Das war ich nicht, das hat man mir damals hinten reingeschüttet“, erklärt K. seine damals schmutzige Wäsche.

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