„Akte zu, Affe tot“Ärger für Kölner Richter nach einem falschen Freispruch

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Richter Frank Altpeter

Der Kölner Richter Dr. Frank Altpeter führte die Verhandlung in erster Instanz.

Köln – Es war dieser Tag, als der Kölner Richter Frank Altpeter (61) den Gerichtssaal mit einer Bühne verwechselte. Witzig, spritzig führte er durch die Hauptverhandlung. Als wären sie in der TV-Show „Richterin Barbara Salesch“ gelandet – das müssen sich die anwesenden Schüler einer Klasse gedacht haben, die anhand eines Kriminalfalls um Entführung, Raub und Körperverletzung eigentlich hautnah das deutsche Rechtssystem kennenlernen sollten. Doch sie lernten nur, wie man es nicht macht. Und für den Richter hatte das Schauspiel mit einem falschen Freispruch ganz erhebliche Folgen.

Richter verstieß gegen die Strafprozessordnung

Ein Strafprozess läuft eigentlich nach einem bestimmten Schema ab, so steht es im Gesetz. Der Anklageverlesung folgen in der Regel die Beweisaufnahme, dann die Plädoyers und die Verkündung des Urteils. Doch irgendwann im Laufe der Verhandlung am 15. Januar 2020 entschied sich Richter Altpeter, dass für ihn die Vorgaben aus der Strafprozessordnung nicht mehr gelten.

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Die drei Angeklagten mit Verteidigern beim Prozess im Januar 2020.

Verhandelt wurde gegen drei junge Männer, die einen Mann nach einer Hochzeitsfeier in Niehl geschlagen, in ein Auto gezerrt, entführt und schließlich beraubt haben sollen. Gefängnis drohte, mehrere Jahre. Einer nicht ganz stringenten Aussage des mutmaßlichen Opfers folgte die Vernehmung eines unwilligen Zeugen, der Schläge und Tritte beobachtet haben will.

„Akte zu, Affe tot“ statt „Im Namen des Volkes“

Im Gerichtssaal sträubte er sich, er habe Angst, so der Zeuge. „Sollen wir ihn jetzt in Beugehaft nehmen?“, scherzte Richter Altpeter. Um danach die Abkürzung zu nehmen: „Akte zu, Affe tot“ schallte es auf einmal durch Saal 29 des Kölner Amtsgerichts.

Das Verfahren war beendet. Ohne Plädoyers, ohne Urteilsverkündung. Den irritierten Verteidigern aus Essen musste Altpeter erklären, dass ihre Mandanten freigesprochen wurden. „Man muss erkennen, wenn ein Pferd tot ist“, sagte Altpeter noch zu den Schöffen, die eigentlich gleichberechtigt mit dem Richter das Urteil fällen sollten. Dann scherzte er mit den Zuschauern und erzählte noch von einem Richter-Kollegen, der immer ähnlich kurzen Prozess mache.

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Obwohl Staatsanwalt Rudolf Jürgens den „Freispruch“ in der Verhandlung zunächst mehr oder weniger mitgetragen hatte, legte seine Behörde Rechtsmittel gegen das kuriose Urteil ein. Ein Alarmsignal für Richter Altpeter, dem nun dienstliche und sogar strafrechtliche Konsequenzen drohten. Altpeter versuchte, sein Urteil zurückzunehmen, schließlich sei es ja nicht richtig verkündet worden. Das Oberlandesgericht pfiff ihn zurück.

Justizministerium bestätigt Disziplinarmaßnahme

Keine vier Monate nach dem Skandal-Urteil räumte Richter Altpeter seinen Posten in der Abteilung 613 des Amtsgerichts. Inzwischen wurde er in die Nachlassstelle versetzt, kümmert sich jetzt um Erbangelegenheiten.

Seitens des Präsidenten des Amtsgerichts, Henning Banke, wurde der Sachverhalt einer eingehenden disziplinarrechtlichen Würdigung unterzogen, „auf deren Grundlage gegenüber dem betroffenen Richter eine inzwischen bestandskräftige Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist“, so ein Sprecher des NRW-Justizministeriums zum „Kölner Stadt-Anzeiger“. Strafrechtlich hat Altpeter nichts mehr zu befürchten. „Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung führt zu einer Rechtsbeugung“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Anfrage, die Behörde habe den Sachverhalt geprüft und einen Anfangsverdacht verneint.

Kriminalfall wird neu aufgerollt

Was bleibt, ist ein Krimi, der nicht richtig aufgeklärt wurde. Und das soll sich am 9. Juni ändern. Vor dem Berufungsgericht wird Richter Thomas Beenken den Fall gegen die drei Beschuldigten neu aufrollen, mit allen Zeugen. Ein ausführliches Urteil aus erster Instanz wird Beenken dabei nicht zur Verfügung stehen – da Amtsrichter Altpeter es nie geschrieben hat.

Eva Kuhn ist als Nebenklage-Anwältin neu im Verfahren, sie vertritt jetzt den mutmaßlichen Geschädigten. Kuhn sagt auf Anfrage: „Mein Mandant hofft, dass seine Opferinteressen in der zweiten Instanz gewürdigt werden.“

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