„Das ist absurd“Schulministerin verärgert Kölner Gesamtschulen mit Verbotsplänen

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Die Gesamtschule in Holweide

  • NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will zwei Kölner Gesamtschulen in Holweide und Höhenhaus ein seit Jahrzehnten praktiziertes pädagogisches Konzept verbieten, an dem sich bislang niemand gestört hat.
  • Die Elternvertreter sind auf dem Baum, das geplante Verbot halten sie für ein völlig falsches Signal.
  • Nun sind Protestaktionen geplant. Die Hintergründe des Streits um den sogenannten Holweide-Erlass aus dem Jahr 1984 lesen Sie hier.

Köln – Eigentlich geht es um eine Angelegenheit für schulpolitische Spezialisten, um komplizierte Dinge wie „Fachleistungsdifferenzierung“ oder „Team-Kleingruppen-Modelle“ und um einen Beschluss der deutschen Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 1984, als man sich auf den so genannten „Holweide-Erlass“ einigte.

Man kann es aber auch einfacher sagen: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) plant, zwei großen, renommierten Kölner Gesamtschulen ein seit Jahrzehnten praktiziertes pädagogisches Konzept zu verbieten, an dem sich bislang niemand gestört hat. Die Elternvertreter der Gesamtschule Holweide sprechen von einem völlig „falschen Signal“ gegen die Inklusion und die Idee des gemeinsamen Lernens.

Das neue Schuljahr soll mit Protestaktionen beginnen

Die Schulkonferenz hat kurz vor Ferienbeginn eine mehrseitige Resolution beschlossen. Das neue Schuljahr soll mit Protestaktionen beginnen. Die Erziehungsgewerkschaft GEW sieht einen „Angriff auf die Lern- und Lehrbedingungen“, der Grund zur Sorge „um die weitere Entwicklung auch an anderen Schulen und Schulformen“ sei. Die Ministerin wolle ein sehr erfolgreiches Modell „kaputtmachen“, zürnt die Linke im Stadtrat. „Das ist absurd. Sie sollte stattdessen die Personalsituation an den inklusiv arbeitenden Schulen verbessern.“

Bei dem Streit geht es um die Frage, wie eine Gesamtschule mit leistungsschwächeren Schülern umgeht, wenn sie möglichst lange ein gemeinsames Lernen aller Schüler anbieten will. Gesamtschulen arbeiten in den Hauptfächern und Naturwissenschaften mit einer so genannten inneren und äußeren Differenzierung.

Schüler werden in den einzelnen Fächern in eine Gruppe von leistungsschwächeren und leistungsstärkeren Schülern aufgeteilt. Sie können dann im Klassenverband unterschiedlich gefördert und nach unterschiedlichen Kriterien benotet werden. Das nennt man „innere Fachleistungsdifferenzierung“. Alternativ kann die Klasse auch in einen Grundkurs und einen Erweiterungskurs aufgeteilt werden. Das ist dann eine äußere Fachleistungsdifferenzierung.

Der „Holweide-Erlass“

Mit dem so genannten „Holweide-Erlass“ aus dem Jahr 1984 wird den beiden Kölner Gesamtschulen in Holweide und Höhenhaus erlaubt in den Fächern Deutsch, Physik und Chemie bis zur Klasse 10 und in Mathematik bis zur Klasse 9 auf diese Aufteilung der Schülerschaft zu verzichten.

Es gehört zum pädagogischen Konzept der Schulen, dass auch die schwächeren Schüler – so lange wie möglich – nicht offiziell über die Zeugnisse als „schwächer“ abgestempelt werden. So vermeide man „soziale Differenzierung und Formen von Stigmatisierung“, so die Schule in ihrem Brief an die Ministerin. Man ermögliche den Schülern so, „ihren eigenen Bildungsweg ohne Angst vor Abstufungen zu verfolgen“. Der Holweide-Erlass ermögliche „deutlich mehr Spielraum in der pädagogischen Gestaltung des längeren, gemeinsamen Lernens“. Schüler würden nach ihren jeweiligen Stärken und Schwächen gefördert, ohne sie zu früh in Schubladen einzusortieren. Die Schule verweist auf hohe Übergangsquoten in die Oberstufe und Erfolge bei der Inklusion.

Das könnte Sie auch interessieren:

In den Schulen wird über die Motivation der Ministerin spekuliert, eine seit Jahrzehnten geübte Praxis in Frage zu stellen. Gebauer argumentiert gegenüber den Schulen ausschließlich juristisch. Die Sonderregelung für Köln sei hinfällig, weil eine neue Allgemeine Schulordnung in Kraft getreten sei. Zum Stand der Diskussion teilt das Ministerium mit, dass man die Stellungnahmen der Schulen vor einer „finalen Entscheidung auswerten“ wird. „Zum kommenden Schuljahr wird es – unabhängig von der Auswertung – keinesfalls eine Änderung der bisherigen Erlasslage geben.“

KStA abonnieren