„Viele haben nicht so viel Glück“Wie Eltern von Kleinkindern den Alltag in Kölner Kitas erleben

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Tobias und Eva Goerlich mit Fiete und Baby Anouk

Tobias und Eva Goerlich mit Fiete und Baby Anouk.

Vom Gefühl großer Dankbarkeit, akuter Sorge wegen Personalmangels und Eltern, die als Aushilfs-Betreuer einspringen – Kölner Eltern berichten.

Nach einem Aufruf des „Kölner Stadt-Anzeiger“, von den Erfahrungen aus dem Kita-Alltag zu berichten, haben sich Leserinnen und Leser gemeldet, die über Missstände und Ärgernisse berichteten. Doch es gab auch einige, die positive Erfahrungen teilen wollten. Hier veröffentlichen wir eine Auswahl beider Sichtweisen.

Tobias Goerlich: Begeistert vom Engagement des Kita-Teams

„Unser dreijähriger Sohn Fiete besucht seit August 2022 die Kita des Quäker-Nachbarschaftsheims in Ehrenfeld. Wir sind begeistert vom Engagement des Teams und von der gesamten Einrichtung. Fiete wurde so liebevoll eingewöhnt, dass er fast immer fröhlich in die Kita geht. Das Team besteht fast zur Hälfte aus männlichen und weiblichen Fachkräften, was es wohl in wenigen Kitas gibt.

Täglich wird frisch für die Kinder gekocht und im Laufe des Jahres finden viele Feste und Aktivitäten statt – Sankt-Martins-Zug, Weihnachtsbasar, Flohmarkt, gemeinsames Grillen, eine eigene Karnevalssitzung, ein Fußball-Turnier, Übernachten der großen Kinder in der Kita und monatliche Waldangebote. Über das normale Maß der Betreuung sind die Mitarbeitenden jederzeit ansprechbar. Wir sind dankbar, dass Fiete hier zur Kita gehen darf – aus unserem Freundeskreis hören wir ganz andere Geschichten. Wir hoffen, dass unsere einjährige Tochter Anouk im nächsten Sommer auch einen Platz bekommt.“

Katharina Baiz: Eltern helfen in der Kita aus

„Ich bin im Elternbeirat des Fröbel-Kindergartens in Bayenthal und erlebe die Kita in dieser Funktion und natürlich auch als Mutter. Die Folgen des Personalmangels sind gravierend: Wir hoffen und bangen von Woche zu Woche. Die Aufrechterhaltung der Betreuung hängt am seidenen Faden. Die Randzeiten mussten bereits gekappt werden: Die Kinder müssen morgens eine halbe Stunde später gebracht und nachmittags eine halbe Stunde früher abgeholt werden.

Zwei Frauen und ein Mann stehen vor dem Fenster eines Gebäudes.

Katharina Baiz, Kim Marenbach, Johannes Irmer (von links) sind im Elternbeirat des Fröbel-Kindergartens in Bayenthal.

Wegen des Personalmangels wurde eigens ein Ausfallmanagement entwickelt, das den Kita-Alltag beherrscht: Die Anzahl der betreuten Kinder wird entsprechend der Anzahl der verfügbaren Mitarbeitenden angepasst. Es kommt mitunter vor, dass 30 von 90 Kindern zu Hause bleiben müssen. Aktuell sind täglich Eltern zur Unterstützung des Personals in der Kita. Das Team leistet weiterhin Unglaubliches und macht eine tolle Arbeit! Ich war selbst zwei Tage im Hilfs-Einsatz und konnte mir davon ein Bild machen. Die Mitarbeitenden betreuen die Kinder weiterhin liebevoll und mit einer bewundernswerten Kondition.

Auch die Unterfinanzierung von Kitas hinterlässt in unserer Einrichtung Spuren. Sie ist in einem maroden Zustand, dringend notwendige Instandsetzungen werden auf die lange Bank geschoben. Im vergangenen Sommer wurde das von allen Kindern geliebte, aber leider in die Jahre gekommene Klettergerüst aus Sicherheitsgründen abgerissen. Für Ersatz wurde bis heute nicht gesorgt. Das Geld, das vom Träger zur Verfügung gestellt wurde, reicht nicht aus. Doch unsere tolle Kitagemeinschaft versucht die Finanzierung selbst zu stemmen – durch Einnahmen bei Flohmärkten oder den Verkauf von selbst geknüpften Armbändern.“

Daniela Baum: Glücklich mit der Situation in der Kita

Familie Baum mit ihren beiden Kindern am Strand

Daniela und Konstantin Baum mit ihren Kindern Konstantin (l.) und Jonathan

„Unsere Kinder sind seit unserem Umzug nach Köln im Sommer 2020 in einer städtischen Kita in Ossendorf. Es gab nicht einen Tag, an dem die Kita oder einzelne Gruppen geschlossen waren – abgesehen von der Corona-Zeit, als es positive Pooltests gab. Der Personalschlüssel hat irgendwie immer gepasst: Wenn mal einzelne Erzieherinnen fehlten, waren zufällig auch viele Kinder nicht da. Somit ging der Normalbetrieb weiter.

Verkürzte Öffnungszeiten gab es bisher nicht, auch das Vorschulprogramm und die Ausflüge leiden bisher nicht unter der allgemeinen angespannten Personalsituation. Wir hatten auch in diesem Winter keine Einschränkungen oder Nachteile und sind mit der Situation in unserer Kita sehr glücklich. Darüber sind wir sehr dankbar, denn wir kennen viele Familien, die nicht so ein Glück haben.“

Mutter von zwei Kindern: „Kein gutes Gefühl, Kinder in die Kita zu schicken“

„Der Personalmangel war schon länger zu spüren, aber seit einem Jahr ist es besonders schlimm. Unsere städtische Kita im Rechtsrheinischen hat seit eineinhalb Jahren keine Leitung und wird kommissarisch geführt. Zudem fehlen mehrere Fachkräfte. Das führt zu Unruhe im Team, Unruhe bei den Eltern und Unruhe bei den Kindern. Durch den ständigen Wechsel zwischen Erzieherinnen und Gruppen fehlen Struktur und Beständigkeit. Ich habe mittlerweile kein gutes Gefühl mehr dabei, meine Kinder in die Kita zu schicken. Außer freiem Spiel scheint nicht viel stattzufinden. Die Erzieherinnen machen alle einen tollen Job, aber das System ist kollabiert.

Dazu kommt die ständige Ungewissheit: Werden die Kinder betreut oder nicht? Mein Mann und ich sind beide berufstätig und auf die Flexibilität eines 45-Stunden-Vertrages angewiesen. In Wochen, in denen wir beide wichtige Termine haben, bringe ich meine beiden Kinder lieber zu meinen Eltern, die 100 Kilometer entfernt wohnen. 

Die Corona-Zeit mit ihren Ausfällen war das eine. Inzwischen ist es ein Dauerzustand geworden, dass wir viel selbst auffangen müssen. Was am Tag an Arbeit liegen bleibt, müssen wir am Abend nachholen. Die Betreuungszeiten wurden schon vor einem halben Jahr auf 40 Stunden pro Woche gekürzt. Unsere Kita öffnet nun erst um 8 Uhr. Das ist in manchen Berufen, etwa als Lehrer, ein Problem. Wir müssen trotzdem weiter die Beiträge für 45 Stunden bezahlen, da der Betreuungsausfall noch nicht erheblich genug sei. Da fühlt man sich mit Füßen getreten.“

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