Stolperstein für Karnevalisten„Seine kölsche Seele hat er bis zu seinem Tod erhalten“

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Vicki Tobar, ihre Cousine Lisa Ho und deren Sohn David (v.r.) am Montag vor dem Haus an der Meister-Gerhard-Straße

Vicki Tobar, ihre Cousine Lisa Ho und deren Sohn David (v.r.) am Montag vor dem Haus an der Meister-Gerhard-Straße

Köln – „Wir sind sehr berührt und dankbar, dass unsere Eltern und Großeltern den Kölnern im Gedächtnis bleiben. Damit hatten wir nach all den Jahren eigentlich nicht mehr gerechnet. Aber nun werden sie immer hier sein“, sagte Vicki Tobar (67). Die Enkelin des früheren jüdischen Karnevalisten Hans David Tobar (Tochter von dessen Sohn Theodor Max) war mit ihrer Cousine Lisa Ho (Tochter von Tobars Tochter Lieselotte) und deren Sohn David aus New York für eine Woche nach Köln gekommen. Sie wollte dabei sein, als der Künstler Gunter Demnig am Montagmorgen vor dem Haus an der Meister-Gerhard-Straße 5 für die Familie ihres Großvater vier sogenannte Stolpersteine verlegte. Dort hatten die Tobars zuletzt gelebt, ehe sie 1939 vor den Nazis nach Amerika flüchteten – mit einem der letzten Schiffe von Rotterdam aus.

Gedenken an Familie Tietz

Gunter Demnig mit dem neuen Stolperstein

Gunter Demnig mit dem neuen Stolperstein

Ein Stolperstein in Gedenken an Alfred Leonhard Tietz liegt seit Montag auch vor dem Eingang des Kaufhofs Hohe Straße. Rund 20 Menschen waren gekommen, um zuzusehen, wie Künstler Gunter Demnig die Plakette am einstigen Arbeitsplatz des deutsch-jüdischen Kaufmanns einsetzte. Tietz war der älteste Sohn von Kaufhof-Gründer Leonhard Tietz. Stifter des Stolpersteins ist der Deutsche Alpenverein, in dem der Geehrte prominentes Mitglied war. „Tietz hat sich viel mit den Alpen beschäftigt und den Bau einer Sektionshütte mit einem Darlehen von 1000 Reichsmark gefördert“, sagte der Vorsitzende Karl-Heinz Kubatschka. Zuvor waren bereits fünf Stolpersteine für Tietz und seine Familie an der ehemaligen Villa Tietz an der Parkstraße im Marienburg verlegt worden. (hof)

In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Hans David Tobar (1888 bis 1956), der mit Willi Ostermann befreundet war, in der Type als der „Verdötschte Jüdd“ ein beliebter Büttenredner und Sänger auf den Karnevalsbühnen. Doch schon bald nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 erhielt er von den Nazis ein Auftritts- und Redeverbot.

Stattgarde spendet Steine

„Doch seine kölsche Seele hat er bis zu seinem Tod erhalten“, wusste Aaron Knappstein zu berichten. Er ist Präsident des neuen jüdischen Karnevalsvereins „Kölsche Kippa Köpp“ und Mitglied bei der Stattgarde Colonia Ahoj, die vor fünf Jahren den Hans-David-Tobar-Preis ins Leben gerufen und nun auch die Stolpersteine bezahlt hat. „Tobar ist ein Symbol für alles, was wir in jener Zeit verloren haben.“ So war er in die Stadtgesellschaft integriert, beherrschte perfekt die kölsche Mundart, liebte die Stadt und den Karneval.

Knappstein: „Tobar was a real kölsche Jung. Auch noch in Amerika.“ Denn nach seiner Flucht gründete er in New York einen Karnevalsverein für Emigranten. „Er war halt immer ein bisschen jeck“, erinnerten sich auch dessen Enkelinnen. Vicki Tobar war 1967 schon einmal mit ihren Eltern in Köln , ihre Cousine Lisa Ho (64) zuvor sogar schon zweimal – als Kind und Jugendliche 1966 und 1972. Ihr Sohn David (32) war vor fünf Jahren mit seiner 88-jährigen Großmutter Lilo Cordaro angereist, als diese der ersten Verleihung des Hans-David-Tobar-Preises im Gloria beiwohnte. „Damals haben wir vor dem Haus an der Meister-Gerhard-Straße auch ein Foto gemacht.“

Besuch im NS-Dok

Als ersten Preisträger hatte die Stattgarde den damaligen Festkomitee-Präsidenten Markus Ritterbach ausgewählt. Der habe sich „für Toleranz und Integration im Fasteleer verdient gemacht und auch die öffentliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Kölner Karneval mit initiiert“, hieß es. Weitere Preisträger waren seitdem Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes für ihr „langjähriges, unermüdliches Engagement für Akzeptanz, Toleranz und die rechtliche Gleichstellung der schwul-lesbischen Community“ und der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck für seinen Einsatz für die „Ehe für alle“.

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Nach der Stolpersteinverlegung führte Knappstein die Besucher aus New York noch durch das NS-Dokumentationszentrum, wo einige Erinnerungsstücke an deren Großvater aufbewahrt sind. Weitere werden nun hinzukommen, denn Vicki Tobar hatte noch eine Reihe Fotos und Briefe mitgebracht.

Für Knappstein geht die Stolperstein-Aktion an diesem Dienstag noch weiter. Dann werden Gedenksteine für die Familienmitglieder der Brüder Salomon verlegt, die einst den ersten jüdischen Karnevalsverein „Kleiner Kölner Klub“ gegründet hatten: für Wilhelm Salomon und seine Familie an der Brüsseler Straße 88, für Max Salomon und dessen Familie an der Lothringer Straße 1.

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