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Tanz in den MaiKölner Tanzschule bietet Singlekurse für alle Levels

Lesezeit 4 Minuten
Tanzende in einem Saal

Tanzkurs-Teilnehmer im Tanzzentrum an der Weißhausstraße.

Im Tanzzentrum an der Weißhausstraße können sich sowohl Paare als auch Singles durch sämtliche Levels tanzen. 

Tanz in den Mai klingt ein wenig wie Halloween oder die anderen kalendarisch verordneten Aktivitäten, denen man einmal im Jahr nachgeht; wenn überhaupt. Die Vorstellung, ausschließlich am letzten Aprilabend zum Tanzen aufzubrechen, wäre für Irene und Ferdi ähnlich schrecklich wie die Erinnerung an die Pandemie-Zeit. Denn kein Wohnzimmer dieser Stadt ersetzt den Saal, in dem das Paar seit nunmehr einem Vierteljahrhundert mindestens einmal in der Woche zu Mambo- oder Walzer-Rhythmen in Schwingung gerät. 

Eine Galaxie sogenannter Tubelights, kleiner an Drähten fest gelöteter Glühbirnen, die sich zu Hunderten in Streifen über die gesamte Decke ziehen, schenken dem Raum warmes Licht und verwandeln ihn in eine Art Raumschiff. Man kann sich das Ganze vorstellen wie einen glühenden Kokon im XXL-Format; das totale Gegenteil von dem steinernen Ungeheuer namens Unicenter in nur etwa 200 Meter Entfernung.

Vor 25 Jahren beim Single-Tanzkurs kennengelernt

Manchmal steht Barbara Minzenmay an der Seite in einer Art Kommandozentrale am Mikrofon: „Ihr müsst Eure Damen nach dem letzten Wechselschritt gehenlassen, nicht festhalten!“, mahnt sie die Herren und lächelt. Meistens jedoch befindet sich die Tanzschulen-Leiterin selbst mitten im Geschehen, schnappt sich zwischendurch den groß gewachsenen Jan und führt vor, wie es richtig geht oder wie man eleganter dreht. Eins zwei, Wechselschritt. 

Irene und Ferdi haben sich vor 25 Jahren in diesem Raum kennengelernt – bei einem Single-Kurs. Inzwischen sind sie 63 und 60 Jahre alt. Das klingt nach Oldies, was die beiden gemessen an den Anderthalbjährigen, die hier als „Windelflitzer“ ihre ersten Hüpfversuche machen, zwar sein mögen, aber nicht sind. Helmut, der mit 97 Jahren älteste regelmäßige Mittänzer ist um Ostern gestorben und schaut jetzt sicherlich von oben in der ersten Reihe sitzend auf die Menschen, die seine langjährige Passion teilen. Andere über 80-Jährige sind noch regelmäßig dabei. Es gibt kaum etwas, was der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlicher ist, als das regelmäßige Tanzen, ist Minzenmay überzeugt.

Wer sich im Tanzzentrum Weißhausstraße aufs Parkett begibt, ist – zumindest optisch – um Lichtjahre entfernt von dem, was man im Fernsehen regelmäßig zum Thema Tanzen vorgeführt bekommt. Keine Sixpacks, sondern eher kleine Bäuche, keine gelackten Frisuren, keine Kleidchen, die kaum das Gewicht eines Standardbriefes erreichen, sondern bequeme Oberteile und überwiegend Hosen. Außerdem sind hier nicht nur Paare im althergebrachten Sinne willkommen. Es gibt Single-Kurse in allen Levels, was nach Worten der Tanzschulen-Inhaberin „unser Alleinstellungsmerkmal“ ist.

Es tanzen auch gleichgeschlechtliche Paare

„Hier ist es völlig egal, wer mit wem“, erklärt die 55-Jährige. „Hauptsache, alle haben ihren Spaß!“ Auffallend ist tatsächlich, wie oft sich die Menschen hier an- oder zulächeln. Sowohl die eingespielten Paare als auch die Neuzugänge. Im Anschluss an die regulären Kurse gibt es an den Freitagabenden stets noch die Tanzparty, bei der Erlerntes geübt und vertieft werden kann. Die Interaktion mit dem Partner auf der Tanzfläche sei immer wieder eine großartige Erfahrung und perfekt, „um in den Flow zu kommen“ so umschreibt es Harry, der auch nach der Trennung von seiner Frau dabeigeblieben ist. Inzwischen seien es 20 Jahre. 

Zwei junge Frauen drehen sich mit sichtlichem Vergnügen beim Jive. Eine schlaksige, etwa 1,90 Meter große Frau und ihr fast einen Kopf kleinerer Partner handlen die Drehung auf ihre Weise. Mario, Wilfried oder Alfred – Herren, die seit Jahren regelmäßig dabei sind, genießen es, mit unterschiedlichen Partnerinnen tanzen zu können. Und natürlich gibt es Tanzschulen-Fans wie Kirsten, die seit sechs Jahren kommt, inzwischen auf „Goldstar“-Niveau tanzt und großen Spaß hat, derweil der nicht zu Rumba oder Foxtrott zu bewegende Gatte zufrieden zu Hause sitzt. Man muss als Ehepaar ja nicht alles im Doppelpack machen.

Nach jeder Stunde Applaus

Für Barbara Minzenmay besteht kein Zweifel, dass sie sich den besten Job der Welt geangelt hat. „Nenn mir einen Beruf, wo man nach jeder Stunde Applaus kriegt!“, bemerkt die Kölnerin lachend. Sie war gerade mal 18 Jahre, als sie bei Dresen mit ihrer Ausbildung zur Tanzlehrerin begann. Als 1985 die Tanzschule an der Weißhausstraße eröffnete, stieß sie dazu. Im Laufe der Zeit hat sie „zwei Chefs überlebt“ und den Betrieb im Jahr 2002 schließlich übernommen.

Inzwischen wird sie von Tochter Alexandra unterstützt, die vor allem die Kurse für die Jüngeren leitet, bei denen dann nicht nur Standard-Tänze, sondern auch Hiphop auf dem Plan steht. Dass sie die existenzbedrohende Corona-Zeit überlebt hat, verdankt sie nicht zuletzt Paaren wie Irene und Ferdi, die selbstverständlich durchbezahlt haben in der Hoffnung, dass Anfassen und die Annäherung ohne Mund-Nasenschutz irgendwann wieder möglich sein würden. 

Minzenmay steht selber an mindestens vier Tagen mit auf den Parkett, übrigens einem der wenigen Schwingparkettböden in dieser Stadt. Die Kinder, die sie damals im Kinderkurs unterrichtet hat, kommen inzwischen mit ihren eigenen Kindern. Und das natürlich nicht nur im Wonnemonat Mai.

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