Getötete Fußgängerin in KölnZeuge berichtet von dramatischen Minuten nach dem Unfall

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Grabkerze Unfallstelle

Rosen und eine Grabkerze stehen an der Unfallstelle auf der Aachener Straße in Höhe der KVB-Haltestelle Melaten.

Köln – Genau 24 Stunden nach dem tödlichen Unfall auf der Aachener Straße in Lindenthal, um 9.25 Uhr, fahren am Freitagmorgen Polizisten an der Unglücksstelle vorbei. Es sind Ermittler des Verkehrsunfallteams. Mit ihrem Streifenwagen nehmen sie exakt die Strecke, die auch die mutmaßliche Verursacherin, eine Smart-Fahrerin, tags zuvor gefahren ist. Die Beamten wollen herausfinden, wie die Sonne zur Unfallzeit steht und ob die 24-Jährige hinter dem Steuer geblendet gewesen sein und deshalb möglicherweise eine für sie Rot zeigende Ampel ignoriert haben könnte. Denn noch immer ist der Grund für den Unfall unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen die junge Smart-Fahrerin aus Köln.

Laut Zeugen ist die 43-Jährige bei Grün über die Straße gegangen

Augenzeugen hatten ausgesagt, dass sie eine 43-jährige Frau angefahren hatte, die bei Grün zeigender Fußgängerampel von der KVB-Haltestelle Melaten kommend die Aachener Straße in Richtung Gehweg überqueren wollte. Die 43-jährige, gehörlose Frau hatte die Fahrbahn kaum betreten, da wurde sie von dem roten Smart erfasst und zu Boden geschleudert.

„Ich wollte gerade meinen Laden aufschließen, da hörte ich diesen lauten Schlag“, berichtet Markus de Sousa am Freitagmittag. De Sousa führt seit sieben Jahren den Friseurladen gleich gegenüber der Unfallstelle. „Ich drehte mich um, sah die Frau auf der Straße liegen und fiel in eine Art Schockstarre.“ Nach einigen Sekunden sei er zu der Verletzten gelaufen und habe mit zwei weiteren Zeugen Erste Hilfe geleistet. Eine Frau, die an der Haltestelle stand und den Unfall mit angesehen hatte, habe minutenlang einfach nur geschrien. „Sie war vollkommen geschockt“, schildert de Sousa. Er sei in seinen Salon gelaufen, habe die 112 angerufen und Handtücher geholt, um sie auf die Wunden des Opfers zu pressen. „Der Rettungsdienst war sehr schnell da und hat großartige Arbeit geleistet. Auch die Polizei“, sagt de Sousa. „Alle waren unheimlich professionell, ruhig, freundlich und sehr empathisch.“

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Opferschützer kümmerten sich um geschockte Zeugen

Opferschutzbeauftragte der Polizei sprachen Umstehende und Augenzeugen an, fragten, ob sie seelische Unterstützung benötigten. Im Friseursalon betreute ein Opferschützer zwei Jugendliche, „die vor Schreck ihre Sprache verloren hatten“, erinnert sich de Sousa. Das Leben der 43-Jährigen aus Wuppertal konnten die Einsatzkräfte aber nicht mehr retten – allen Reanimationsversuchen zum Trotz. Die Frau hinterlässt einen Sohn.

Am Freitagvormittag stehen Rosen und eine weiße Grabkerze an der Stelle, wo die Rettungskräfte vergeblich um das Leben der Frau kämpften. Markus de Sousa, der Friseur, ist immer noch aufgewühlt. Seine anfängliche Schockstarre ist inzwischen einer Art Wut gewichen – Wut wegen der gefährlichen Verkehrssituation rund um die Haltestelle Melaten. Zu eng, zu voll, zu rücksichtlos gehe es hier Tag für Tag zu, schildert de Sousa. Vier Schulen liegen in direkter Umgebung, vor allem morgens und mittags seien chaotische Szenen zu beobachten. „Schüler gehen oder rennen bei Rot, Radfahrer fahren zu dritt oder zu viert nebeneinander und gefährden Fußgänger, auch Autofahrer fahren immer wieder über Rot – manche, weil sie die Ampel nicht sehen.“

Ein Vater, der seine Kinder jahrelang hier zur Grundschule gebracht hat, bestätigt: „Ich kenne keine andere Ampel in der Stadt, wo Autofahrer so häufig über Rot fahren wie hier: manche ganz bewusst, andere unabsichtlich.“ Der Inhaber des Copy-Shops ein paar Meter weiter berichtet: „Am Nachmittag, nur ein paar Stunden nach dem tödlichen Unfall, habe ich gesehen, wie ein Junge bei Grün über die Straße ging und ein Auto hupend auf ihn zufuhr. Erst im letzten Moment hat der Fahrer bemerkt, dass er selbst ja Rot hat und konnte noch bremsen.“ Als Unfallschwerpunkt ist die Stelle bei der Polizei gleichwohl nicht bekannt.

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Tatsächlich aber ist die rechte der drei Autoampeln an der Unfallstelle je nach Blickwinkel von einem Baumstamm verdeckt, die obere vom Laub eines Baumes, nur die linke, die an der KVB-Trasse steht, ist einwandfrei zu erkennen. So mancher Autofahrer hat womöglich auch bereits die nächste Ampel in knapp 100 Metern Entfernung im Blick und übersieht diejenige direkt vor ihm.

Die Polizei wertet nun das Videomaterial vom KVB-Bahnsteig aus, vielleicht ist der Unfallhergang darauf zu erkennen. Ermittler stellten auch das Handy der 24-jährigen Smart-Fahrerin sicher, um zu prüfen, ob sie möglicherweise durch ihr Smartphone abgelenkt war – ein üblicher Vorgang. Konkrete Hinweise darauf liegen nach derzeitigem Stand nicht vor. Die Polizei (Telefon 0221/229-0) sucht dringend weitere Zeugen, vor allem solche, die Angaben zur Ampelschaltung zum Unfallzeitpunkt machen können.

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