Er wurde vor 100 Jahren BaudirektorWas Fritz Schumacher in Köln hinterlassen hat

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Decksteiner Weiher Köln

Der Äußere Grüngürtel am Decksteiner Weiher

Köln – Heute ist es normal, von der Uni bis zum Zoo durch Parklandschaften zu radeln. Es ist normal, auf der Jahnwiese Fußball zu spielen und am Decksteiner Weiher zu joggen. Doch im Sommer 1920 waren dies nur Gedankenspiele. Hätte Oberbürgermeister Konrad Adenauer nicht die Sorge vor Köln als „riesiger Steinwüste“ umgetrieben, vor einem „endlosen Häusermeer, ohne Licht und Grün“ – es hätte auch anders kommen können. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Zeit reif, sich umfassendere Gedanken über Kölns Zukunft zu machen. Die Innere Stadtumwallung mit ihren Festungsbauten und dem vorgelagerten Schussfeld lag schon einige Jahre brach, der äußere Festungsgürtel musste nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags aufgegeben werden. Im Sommer 1920 sahen sich die Kölner Stadtplaner zudem einem gigantischen Bevölkerungswachstum gegenüber. Auf zwei Millionen Menschen würde die Einwohnerzahl bis 1950 anwachsen, so die damalige Prognose. In dieser Situation entschied sich Adenauer, einige Weichen zu stellen, die bis heute prägend für das Stadtbild sind.

Nachdem Stadtbaumeister Carl Rehorst 1919 an der Spanischen Grippe gestorben war, überredete Adenauer 1920 den Hamburger Stadtplaner Fritz Schumacher, seine Nachfolge anzutreten. „Schumacher schrieb viel und konnte gut reden, er hatte ein wirkungsvolles Auftreten“, sagt Henriette Meynen, ehemals städtische Denkmalpflegerin: „Adenauer kapierte, dass er genial war.“ Kurz zuvor hatte Schumacher schon den Gestaltungswettbewerb für den Inneren Grüngürtel gewonnen. Ab August 1920 widmete er dann seine komplette Arbeitskraft als Baudirektor der Stadt am Rhein. Dafür ließ er sich drei Jahre lang von seinen Hamburger Pflichten beurlauben.

„Man muss die Stadt Köln als Ganzes sehen“

Schumacher arbeitete in Köln bis zur totalen Erschöpfung. Erstmals überhaupt machte er sich daran, ein umfassendes Konzept für die Zukunft der Stadt zu erarbeiten. Sein „Generalbebauungsplan“ legte fest, wie sich Industrie, Verkehr und Wohnungsbau entwickeln sollten. „Die These war: Man muss die Stadt als Ganzes sehen, nur so bekommt man die Entwicklung einer Großstadt in den Griff“, sagt Joachim Bauer vom Grünflächenamt.

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Der Baumeister, abgebildet im Buch „Schumacher, Fritz: Stufen des Lebens. Erinnerungen eines Baumeisters“ aus dem Jahr 1935.

Ein besonders wichtiges Element des städtischen „Gesamtorganismus“ waren die Grünflächen als Lebensadern. Wollte Hobbygärtner Adenauer bislang nur die beiden Festungsringe begrünen, ging Schumacher einen Schritt weiter. „Sein Verdienst ist es, dass er Adenauer überzeugt hat, dass auch Verbindungen nötig sind“, sagt Henriette Meynen. Zusammen mit diesen „Radialen“ sollten die beiden Grüngürtel ein Grünsystem bilden. Schon 1925 entstand etwa als westliche Radiale der Lindenthaler Kanal als Verbindung vom Aachener Weiher durch den Stadtwald zum Äußeren Grüngürtel. Die konkrete Umsetzung übernahm Gartenbaudirektor Fritz Encke.

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Der Innere Grüngürtel wurde zwischen 1922 und 1924 mit Hilfe von Arbeitslosen als Beschäftigungsprogramm angelegt, nachdem die militärischen Bauten weitestgehend geschleift worden waren. Nach Schumachers Konzept sollte er sich zu einer grünen Stadterweiterung mit Wohngebieten und öffentlichen Gebäuden entwickeln. Am Aachener Weiher war sogar ein zweiter Hauptbahnhof angedacht. Doch die wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Republik durchkreuzten diese Pläne. Nur wenige Bauwerke wurden realisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam der Innere Grüngürtel durch mehrere Trümmerberge zwar ein neues Gepräge, blieb aber weitestgehend unbebaut.

Kölner Grundstückbesitzer mussten enteignet werden

Der Äußere Grüngürtel erforderte besondere Anstrengungen. Die Grundstücksbesitzer, zumeist Landwirte, weigerten sich, ihre Flächen abzutreten und drohten, keine Milch mehr zu liefern. Erst mit dem 1920 von der Nationalversammlung verabschiedeten „Reichsrayongesetz“ konnte die Stadt Enteignungs-Verfahren einleiten: Die Eigentümer wurden entweder finanziell entschädigt, oder sie bekamen ein Ersatzgrundstück im Umland. Adenauer gelang es außerdem, mehrere Festungsbauwerke zu erhalten. „Er brauchte die Gebäude für soziale Zwecke, etwa als Umkleiden für Sportler“, sagt Henriette Meynen. 27 Festungswerke wurden zu sogenannten grünen Forts umgestaltet. Der Äußere Grüngürtel sollte Zerstreuung und Erholung für Jedermann bieten. Sportplätze, Wälder, Kleingärten, Freilichttheater und natürlich das Stadion in Müngersdorf wurden geschaffen. Die Zeiten, als Grünflächen der Zierde dienten und nicht betreten werden durften, waren in den 1920er Jahren endgültig vorbei. 

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Trotzdem: Nicht immer gingen die Kölner pfleglich mit diesem Schatz um. Besonders in Zeiten der „autogerechten Stadt“ stand die Natur nicht hoch im Kurs. Lange Zeit existierten Pläne für eine „Stadtautobahn“ quer durch den Inneren Grüngürtel, das Autobahn-Kreuz Köln-Ost und das Gremberger Kreuz wurden Anfang der 1970er Jahre tatsächlich gebaut – zum Schaden der Merheimer Heide und des Gremberger Wäldchens. Und auch die zahlreichen Kunstrasenplätze sind Henriette Meynen ein Dorn im Auge. „Wir haben in Köln ein außergewöhnliches kulturlandschaftliches Erbe, das nicht von allen erkannt wird.“

Doch unterm Strich hat das Kölner Grünsystem die Jahrzehnte überdauert und wurde stetig ausgebaut. Wegen seiner Bedeutung für die Frischluftzufuhr vom Umland in die Innenstadt wurde es 1991 unter Landschaftsschutz gestellt. „Das ist das Faszinierende, dass 100 Jahre lang verschiedene Menschen, Strömungen und Vorstellungen immer an demselben Zielbild festgehalten haben“, sagt Joachim Bauer. Ob das so bleibt, ist die Frage. Fest steht: In Zeiten von Corona und Klimawandel ist Fritz Schumachers Erbe beliebter denn je.

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