Streit über KinderlärmKölner ersticht Nachbar im Treppenhaus

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Symbolbild

Köln – Wie repariert man eine zerrissene Wäscheleine? Auf den ersten Blick irritiert diese scheinbar belanglose Frage in einem Mordprozess. Doch es gibt Gründe, warum die Vorsitzende Richterin sich die Waschküche, Anzahl der Wäscheleinen und alle Vorrichtungen im Kellerraum des Mehrparteienhauses an der Berliner Straße vom Angeklagten Johannes S. (49) mit Papier und Bleistift aufzeichnen lässt.

S. hatte im Dezember 2018 auf dem Weg von der Waschküche in seine Wohnung im zweiten Stock seinen Nachbarn Alexander P. (55) erstochen. Das Messer lag oben auf dem Wäschekorb. Er habe es zufällig dort hingelegt, weil er zuvor im Keller die Leine repariert habe, erklärt S. auf der Anklagebank, warum er das Messer bei sich trug. Zufall und kein hinterhältiger Plan, wie es das Gericht zum Prozessauftakt noch annahm, um S. nicht wegen Totschlags sondern Mords zu verurteilen. Entsprechend wurde die Anklage geändert, die noch davon ausging, dass S. im Affekt „einen Menschen tötete, ohne Mörder sein“. Doch das Gericht vermutete aufgrund „des Spurenbildes und nicht vorhandener Abwehrverletzungen“ Heimtücke als Mordmerkmal.

Nerven lagen laut Angeklagtem blank

Bei seiner Festnahme hatte sich der Vater von zwei Töchtern zum Motiv nicht geäußert, umso mehr erklärt er nun, wie es zu dem tödlichen Geschehen kam. Immer wieder habe sich der Nachbar über den Lärm seiner Kinder beschwert: „Dafür hatte ich Verständnis, ich habe meinen Kindern deswegen auch Druck gemacht.“ Doch dann habe der Nachbar den Vermieter eingeschaltet, der pochte auf die Hausordnung, drohte mit Kündigung. Bei der vierköpfigen Familie lagen die Nerven blank.

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Es kam der 1. Dezember, S. hatte am Abend die Wäsche hoch geholt, Nachbar P. kam vom Einkauf zurück, ein unschöner Dialog begann: „Hoffentlich hältst Du jetzt endlich Deine Viecher zurück,“ soll S. mit Blick auf ein mahnendes Rundschreiben des Vermieters dem gebürtigen Äthiopier wutentbrannt entgegnet haben. „Das sind menschliche Wesen“, entgegnete S. empört und hatte daraufhin prompt die Faust des Nachbarn im Gesicht, begleitet von rassistischen Beleidigungen.

Deshalb soll es Notwehr gewesen sein, dass S. zum Messer griff, um sich gegen die Attacke zu wehren. Warum er sechsmal zustach, beantwortete er nicht. „Ich war völlig verwirrt und zerstört“, sagt er heute über die damalige Situation, als er zunächst weglief, dann aber Feuerwehr und Polizei alarmierte, denn: „Ich wollte helfen“. Doch das Opfer verblutete im Treppenhaus. „Es war eine fürchterliche Nachricht, und es tut mir unendlich leid“, sagt S. dazu. Der Prozess wird fortgesetzt.

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