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Kommentar

Kölner Gastro-Krise
Wenn Wein in Dosen serviert wird und das Kölsch ’ne Stange Geld kostet

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3 min
Für ein Foto wird am Rande einer Pressekonferenz der Dehoga unter dem Motto „Wo steht das Gastgewerbe? Was muss sich ändern?“ ein Kranz Kölsch angeboten. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Kölner Gastronomie klagt über hohe Kosten und ausbleibende Kundschaft. 

Warum Sie in Köln sehr schnell eine Wirtschaftskrise kriegen können. Unser satirischer Wochenüberblick.

Wenn es einen Wirt gibt, der alle Krisen schadlos überstanden hat, dann der legendäre Lommerzheim mit seiner Kneipe in Deutz, die so ziemlich jeder Kölner kennen dürfte, der weiß, dass ein Telefonbuch auf einem leeren Bierkasten eine prima Sitzgelegenheit ist und faustdicke Koteletts dem Gaumen und der Seele schmeicheln. An der Wand über dem Tresen hing die Mahnung an alle seine Gäste: „Ein Volk, das seine Wirte nicht ernähren kann, hat es nicht verdient, sich eine Nation zu nennen.“

Das kölsche Volk hat ihn nie enttäuscht. Auch Jahre nach seinem Tod ist der Laden Kult. Warum die vielen Kollegen, die seit Monaten über die Dauerkrise der Gastronomie klagen, nicht mit diesem Spruch für die Senkung der Mehrwertsteuer auf die Straße gehen, ist mir unbegreiflich.

Vermutlich, weil sie ständig arbeiten müssen. Haben Sie nach dem Ende der Sommerferien mal versucht, in einem ihrer Lieblingslokale spontan einen Tisch zu bekommen? Ohne Reservierung? Vergessen Sie es. Ganz schnell. Sonst könnten Sie eine Wirtschaftskrise kriegen.

Aus Sicht der Gastronomen schreitet die Branche durch ein nicht enden wollendes Jammertal. Dabei tun sie doch alles, um ihre Stammkunden zu halten und neue zu locken. Ich war kürzlich in einem Lokal, da wird der Wein jetzt in Dosen serviert. In homöopathischen Dosen, um genau zu sein. Null-Komma-Eins-Fünf für 8,90 Euro. Da muss man schon froh sein, dass die erste Zahl hinter dem Komma keine Null ist.

Das hat man zwar Nullkommanix verschluckt, ist aber zum Glück selbst nach drei oder vier Dosen noch bei klarem Verstand, um sich am nächsten Morgen erinnern zu können, welcher Laden das war, den man nie wieder betreten wird.

Gastro: Zwei-Stunden-Slots am Tisch wie in Amerika

Das Schöne ist, man braucht keinen Tischnachbarn, der einem erklärt, welch edler Tropfen hier serviert wurde und fragt auch nicht weiter, warum der Wirt die Stange Kölsch, die man aus Sparsamkeitsgründen anschließend bestellt hat, ganz offensichtlich mit einer Stange Geld verwechselt hat. Da bekommt das Wort Trinkgeld eine völlig neue Bedeutung.

Wenn das so weiter geht mit der Wirtschaftskrise, dürfte bald das letzte Tabu gebrochen sein und das Nationalgetränk der Kölner im Stößchen angeboten werden. Nullkommaeins. Um die Schmerzgrenze beim Preis nicht zu überschreiten, die ungefähr bei 2,50 Euro liegt.

Und dann dieser allabendliche Stress, weil die Kundschaft sich einfach nicht daran gewöhnen will, dass der reservierte Tisch nach zwei Stunden wieder vergeben ist. Das machen die Amerikaner schon immer so, während wir uns über die vielen Vintage-Cafés aufregen, die aus nostalgischen Gründen passend zum 50er-Jahre Mobiliar draußen nur Kännchen anbieten. Selbstverständlich auch laktosefrei, mit Soja- oder Hafermilch. Für neun Euro. Da hat man schnell den Kaffee auf. Vom Kuchen ganz zu schweigen.