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Stadt oft machtlosTeure Mikroappartements in Köln – „Leute ohne Geld bleiben auf der Strecke“

Lesezeit 4 Minuten
Köln: Häuserfassaden spiegeln sich in einer Glasfassade in der Moltkestraße.

Häuserfassaden spiegeln sich in einer Glasfassade in der Moltkestraße.

In Köln gibt es immer mehr überteuerte möblierte Appartements. Eigentümer versuchen, die Mietpreisbremse zu umgehen – mit gravierenden Folgen.

„Seit ich für meine 19-jährige Tochter ein Zimmer im Uni-Viertel suche, ahne ich zum ersten Mal in meinem Leben, was es bedeuten könne, ein Wutbürger“ zu sein, sagt Katrin Stein.

Von 42 angezeigten Ein-Raum-Appartements im Einzugsbereich Neustadt-Süd seien auf einer der führenden Immobilien-Plattformen lediglich zwei unmöbliert angeboten worden. „Und alle Angebote bestechen durch horrende Kaltmietpreise von bis zu 34 Euro pro Quadratmeter.“ Günstigere Appartements würden zumeist nur zum Tausch angeboten.

Inzwischen ist es eine völlig unrealistische Wunschvorstellung, sich auszusuchen, in welcher Wohnform man leben möchte
Katrin Stein, Mutter einer Tochter, die eine eigene Wohnung oder ein Zimmer sucht

Zugegeben, sagt Stein, ihre Tochter habe genaue Vorstellungen: Sie würde gern in der Nähe ihrer Eltern und der Uni wohnen und am liebsten nicht in einer WG leben. „In den vergangenen Jahrzehnten war das für die meisten Menschen möglich: Sich auszusuchen, in welcher Wohnform man leben möchte – und in welchem Viertel“, sagt Katrin Stein. „Inzwischen ist das wohl eine völlig unrealistische Wunschvorstellung.“

Porträt von Hans Jörg Depel vom Kölner Mieterverein in seinem Büro

Hans Jörg Depel vom Kölner Mieterverein

Sucht man auf den gängigen Plattformen im Internet Zimmer oder kleine Wohnungen, so werden tatsächlich nicht selten Angebote wie eine 44 Quadratmeter große, möblierte Zwei-Zimmer-Wohnung für 1440 Euro angezeigt - von privat. Oder 990 Euro kalt für ein möbliertes Zimmer, 30 Quadratmeter.

Der Markt funktioniert nach Angebot und Nachfrage – und die Nachfrage nach teuren Appartements ist hoch

„Auch durch den boomenden Markt mit möblierten Zimmern wird es für Alleinstehende, Studierende oder auch Paare immer schwerer, in Köln bezahlbaren Wohnraum zu finden“, sagt Hans Jörg Depel vom Kölner Mieterverein. Der Markt funktioniere nach Angebot und Nachfrage: Da die Anzahl der Single-Haushalte steigt und immer mehr Studierende in Köln leben, steigt auch die Nachfrage nach kleinen Appartements und Ein-Zimmer-Wohnungen. Immer mehr Menschen sind bereit, dafür viel Geld auszugeben – „und Leute, die es nicht haben, bleiben auf der Strecke“, so Depel.

Für Menschen, die nur für kurze Zeit beruflich in der Stadt zu tun haben, aber nicht für zwei Monate in einem Hotel leben wollen, sind so genannte Mikro-Appartements über gewerbliche Anbieter attraktiv.

Neben Vermittlungsplattformen wie „Homelike“ oder „Housing anywhere“ gibt es auch immer mehr Privateigentümer, die möblierte Wohnungen anbieten. Einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Studie des Forschungsinstituts Oxford Economics zufolge waren es im Oktober 2022 deutschlandweit 27 Prozent aller Wohnungen. In Köln liegt der Anteil möblierter Wohnungen mit einem Drittel noch höher – die Stadt liegt damit deutschlandweit an der Spitze der möblierten Wohnungsangebote. Rund zwei Drittel der möblierten Wohnungen werden der Studie zufolge in Deutschland von Privatleuten angeboten.

Auch der Kölner Stadtverwaltung fällt auf, „dass solche Angebote in jüngster Zeit vermehrt in Erscheinung treten“. Grundsätzlich gebe es in Köln eine gesteigerte Nachfrage nach Kleinstwohnungen. Mikroappartements in Hotels, Ferienwohnungen oder Wohnen-auf-Zeit-Angebote, die baurechtlich nicht als Wohnraum gelten, könnten rechtlich nicht beanstandet werden. Bei möblierten, überteuerten Appartements in regulärem Wohnraum handele es sich nicht selten um eine Zweckentfremdung, die grundsätzlich verboten sei.

Die Stadt sieht die Entwicklung kritisch, kann aber oft nichts tun

Den Trend zu möblierten Mikroappartements sieht die Stadt kritisch. Sie seien „keine Alternative zum regulären freifinanzierten und öffentlich geförderten Wohnungsbau“. Die möblierten Wohnungen seien „fast ausschließlich dem hochpreisigen Marktsegment zuzuordnen und üben demnach keinen preisdämpfenden Effekt auf den Wohnungsmarkt aus. Auch wenn es eine Nachfrage für dieses Wohnsegment gibt, steht dieser Wohnraum nur einer finanzstarken Klientel zur Verfügung“. Die Menschen, die dort auf Zeit lebten, identifizierten sich weniger mit ihrem Viertel und förderten „ein anonymes Wohnumfeld“.

Vielen Eigentümern dient die Möblierung von Wohnungen inzwischen dazu, die auch in Köln geltende Mietpreisbremse zu umgehen, die Mieten verbietet, die mehr als 20 Prozent vom ortsüblichen Mietspiegel abweichen.

Der sogenannte Möblierungszuschlag hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zwischen 2007 bis 2018 lag er nach Berechnungen von Oxford Economics in für die Studie ausgewählten Städten zwischen 3,53 Euro und 7,04 Euro pro Quadratmeter – inzwischen fällt er oft bedeutend höher aus. Vor allem wegen der eingeführten Mietpreisbremse, glauben die Forscher.

Zwar unterliegen eigentlich auch möblierte, nicht-gewerbliche Wohnungen der Preisbremse, „doch es ist sehr kompliziert, die Möblierungszuschläge runterzurechnen beziehungsweise als ungemessen zu klassifizieren und damit vor Gericht zu ziehen“, sagt Hans Jörg Depel, der es für erforderlich hält, in möblierten Zimmern die Nettokaltmiete und den Möblierungszuschlag verpflichtend auszuweisen. „Das müsste gesetzlich verankert werden, um das Schlupfloch zu schließen.“

SPD-Generalsekretär fordert Deckelung des Möblierungszuschlags

Das gleiche hatte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in einem Interview jüngst gefordert. Zudem müsse der Möblierungszuschlag gedeckelt werden – um Mietforderungen wie 1500 Euro für ein luxuriöses 20 Quadratmeter-Zimmer gar nicht erst zuzulassen.

Katrin Stein würde sich das ebenfalls wünschen. Sie hat inzwischen neben der Stadtverwaltung auch die Politik in Mails mit dem Missstand konfrontiert – von den Kölner Stadtratsfraktionen bis zur Landeregierung und dem Bundesbauministerium. Die Gentrifizierung von Vierteln sei viel zu oft einfach hingenommen worden, meint sie. Wenn immer mehr große Wohnungen aufgeteilt würden, um in teure, möblierte Appartements verwandelt zu werden, werde es für Familien wie für Singles immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ganze Viertel verlören so ihren Charakter. „Wenn der Gesetzgeber nichts tut, werden in den guten Lagen bald nur noch reiche und sehr reiche Menschen leben können.“ Wie es mit der Wohnungssuche für ihre Tochter weitergehe, wisse sie noch nicht. „Vielleicht versucht sie bald doch, eine WG zu gründen.“