„Hier ist nichts gestellt“Ausstellung in Deutz – Ehemalige Wohnungs- und Obdachlose in Köln zeigen die Stadt aus ihrer Perspektive

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Fotograf Reiner betrachtet seine Ausstellungsmotive im Offenen Treff der Oase.

Fotograf Reiner betrachtet seine Ausstellungsmotive im offenen Treff der Oase.

Alle Bilder wurden mit Einmal-Kameras angefertigt. Sie zeigen auf authentische Weise das Leben der Betroffenen in Köln.

Laut einer Studie des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe waren Ende Juni 2022 78.350 Personen in Nordrhein-Westfalen wohnungslos gemeldet. In der Statistik belegt Köln mit 12.580 Bürgerinnen und Bürgern den ersten Platz. Um die Sichtweise von Betroffenen wiederzugeben, initiierte die Beratungsstelle Oase das Projekt „Draussensichten“, das in den Räumlichkeiten an der Alfred-Schütte-Allee mehr als 30 Fotografien ehemals obdach- oder wohnungsloser Menschen zeigt.

Reiner sammelte Flaschen, um Lebensunterhalt zu stemmen

Die Aufnahmen beleuchten das Lebensumfeld der Projektteilnehmer. Alle Bilder wurden mit Einmal-Kameras angefertigt, die von der lokalen Dr.-Peter-Deubner-Stiftung finanziert wurden. Streetworker der Oase verteilten die Apparate an Interessenten. Vier Mitwirkende – Doro, Reiner, Gheorge und der kürzlich verstorbene Mitarbeiter des Straßen-Magazins „Draussenseiter“ Lothar – schafften es mit ihren Motiven in die mehrmonatige Ausstellung. „Die Bilder berühren durch ihre Authentizität. Hier ist nichts gestellt“, berichtet Kuratorin Anemone Träger, die das Unterfangen nach einem Zeitungsartikel über eine ähnliche Aktion in Berlin angeregt hatte.

Ein Gruppenfoto

Kuratorin Christina Bacher (v. l.), Fotografin Doro, Fotograf Reiner und Kuratorin Anemone Träger freuen sich über das Interesse an der Ausstellungseröffnung.

Seine tägliche Arbeit als Pfandflaschensammler dokumentierte dabei Ex-Dachdecker Reiner, der aufgrund psychischer Probleme seinen Job verlor und obdachlos wurde. Mehrere Monate lebte er in einem Verschlag in Poll und finanzierte sich über das Glas- und Plastikgut. Dabei erfuhr der 44-Jährige oftmals die Ablehnung von Kioskbesitzern. „Nur die wenigsten nahmen meine Sachen an. Ich verstehe nicht, warum. Ich benehme mich anständig, werde aber immer wieder abschätzig behandelt.“ Mittlerweile hat der passionierte Gärtner eine Wohnung in Kalk bezogen. Die Teilhabe an der Ausstellung bedeutet ihm viel. „Jeder von uns kann auf der Straße landen. Das geht schnell“, sagt Reiner.

Ausstellung in Deutz: Doro fotografiere Hauswände und Balkonblumen

Auch Rentnerin Doro präsentiert im offenen Treff ihre Abzüge. Die einstige Krankenschwester fühlte sich mit dem Objektiv zu Gebäuden hingezogen. „Immer wenn ich unterwegs war, habe ich Hauswände oder Balkonblumen geknipst. Vermutlich habe ich Häuser fotografiert, weil ich nie vergessen habe, dass ich selbst mal wohnungslos war und Glück hatte, von anderen aufgenommen zu werden.“ Als „komplett andere Sicht auf die Stadt“ bezeichnet Draussenseiter-Chefredakteurin Christina Bacher die fotografische Werkschau und empfiehlt nicht nur den Besuch, sondern auch eine Rückmeldung in Form persönlicher Eindrücke. Die Ausstellung ist bis zum 29. Januar 2024 zu sehen.


Adresse und Öffnungszeiten

„Draussensicht“, Offener Treff Oase e.V., Alfred-Schütte-Allee 4, 50679 Köln, Öffnungszeiten: Montag/Freitag 9 bis 13 Uhr, Dienstag/Donnerstag 9 bis 16 Uhr, Mittwoch nach telefonischer Terminvereinbarung unter 0221/9893530, www.draussenseiter-koeln.de

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