Physische, psychische, sexuelle Gewalt„Das OMZ ist gescheitert“ – Obdachlose müssen am Mittwoch aus der Gummersbacher Straße ausziehen

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Das „OMZ“ in der Gummersbacher Straße bei einem Tag der offenen Tür im Sommer 2021

Das „OMZ“ in der Gummersbacher Straße bei einem Tag der offenen Tür im Sommer 2021

Das Kölner Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ wird unterbrochen, der Gesundheitsdezernent findet harte Worte. Doch es gibt eine Perspektive.

Er würde doch gerne ein paar Sätze sagen, sagte Sozialdezernent Harald Rau zu Beginn der Sitzung des Sozialausschusses am Donnerstag. „Das OMZ ist auch deswegen gescheitert, weil es uns nicht gelungen ist, vulnerable Gruppen zu schützen“, sagte er. Die Bewohner des Obdachlosenprojekts „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) müssen zum 31. Mai aus dem Gebäude in der Gummersbacher Straße in Deutz ausziehen. Aufgeben will das Projekt niemand: Es folgen Zwischenunterkünfte, bis die neue Einrichtung auf der Winterberger Straße in Merheim ab September zur Verfügung steht. Rau will allerdings die – aus seiner Sicht gescheiterte – Ausrichtung des Projekts verändern.

Das Thema wird in den Parteien und in der Stadtgesellschaft seit Wochen intensiv diskutiert. Einige Demonstranten haben sich am Donnerstagmittag vor dem Rathaus getroffen, um lautstark für den Erhalt des Projekts in seiner selbstbestimmten Form zu kämpfen. Strittig ist der Übergang von der alten in die neue Unterkunft – und die Trägerschaft, die ab September vorgesehen ist. Viele Bewohner forderten einen nahtlosen Übergang, ebenso die Jugendorganisationen von Grünen, SPD und Linken. Rau hält eine Auszeit mit Zwischenlösung und eine Projekt-Trägerschaft für zwingend notwendig und begründete dies mit drastischen Schilderungen aus dem OMZ-Alltag.

Kölner Sozialdezernent: „Psychische und sexuelle Gewalt“

Es gebe in der Gummersbacher Straße „physische, psychische, strukturierte und sexuelle Gewalt“, sagte Rau. „Und es gibt Menschen, die dieser Gewalt unvermindert ausgesetzt sind. Wir wollen den Schutz der Menschen in dem neuen Projekt erhöhen.“ Es gebe regelmäßig Polizeieinsätze, auf die, so Rau, aus Angst keine Anzeigen folgen würden. „Der Übergang in die Winterberger Straße darf nicht sofort erfolgen. Es muss eine Unterbrechung stattfinden, dafür bin ich ganz entschieden.“

Er stehe auch hinter dem Bewerbungsverfahren, das potenzielle Bewohner des neuen Gebäudes durchlaufen sollen. Wer nicht mit der Stadt kooperiere und somit auch nicht in das neue Gebäude ziehen kann, werde weiterhin mit dem Nötigsten versorgt: Schlafstelle, Verpflegung, Tagesunterkunft und Beratung. Eine Sonderbehandlung könnten diese Personen aber nicht mehr erwarten. „Wir müssen ganz viel dafür tun, die alte Kultur nicht in die neue zu übertragen.“

Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt unterstützt Rau grundsätzlich bei dem eingeschlagenen Weg. Nach intensiven Verhandlungen entschieden sich die drei Fraktionen aber dafür, die Verwaltung sechs Tage vor dem geplanten Auszug aus der Gummersbacher Straße mit der Schaffung weiterer Zwischenunterkünfte zu beauftragen. Acht Betten hatte die Stadt bereits vorbereitet, 15 weitere sollen nun folgen, so der politische Auftrag. Damit die Bewohner nicht in Notschlafstellen unterkommen müssen.

Stadt Köln räumt ein: Womöglich zu wenig Hausverweise erteilt

Die Fraktionen bedankten sich für die Arbeit der Verwaltung und stimmten dem Antrag mehrheitlich zu, nur die FDP stimmte dagegen. „Wir wollen den Übergang in das neue Gebäude mit dem Antrag noch sicherer machen“, sagte Floris Rudolph (Grüne). „Wir wollen weg von der vorhandenen Gewalt“, sagte Martin Erkelenz (CDU). Elfi Scho-Antwerpes (SPD) betonte: „Wir wollen nicht, dass die Bewohner in Unterkünfte ziehen müssen, in die sie nicht gehören.“ Katja Hoyer (FDP) sagte, sie vertraue der Arbeit der Verwaltung. Den Antrag halte sie daher für nicht notwendig. Jörg Detjen (Linke) kritisierte – wie auch einige Bewohner des OMZ – dass die Stadt zuletzt kein Gebrauch von ihrem Hausrecht gemacht habe.

Dieser Aussage widersprach Harald Rau. „Wir haben in einzelnen Fällen Hausverweise erteilt“, sagte er. Und räumte anschließend dennoch ein: „Vielleicht aber nicht häufig genug.“ Bei der Zwischenlagerung von Möbeln suche die Stadt nach Lösungen. „Es kommen schwierige Wochen“, so der Sozialdezernent. 

Ob die Bewohner am 31. Mai allerdings widerstandslos aus dem Gebäude in der Gummersbacher Straße ausziehen, bleibt abzuwarten. Eine Räumung scheint nicht ausgeschlossen. Für den Stichtag ist ab 9 Uhr eine Demonstration vor Ort angekündigt, auf der sich ein Bündnis für den nahtlosen Fortbestand des Projekts einsetzen will.

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