„Menschenunwürdiger Zustand“Seniorenvertretung kritisiert fehlende Plätze in Kölner Altenheimen

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Eine Bewohnerin ist mit ihrem Rollator auf dem Flur eines Alten- und Pflegeheims unterwegs. (zu dpa: "Ministerium hat Corona-Anstieg in der Pflege «auf dem Schirm»") +++ dpa-Bildfunk +++

Eine Bewohnerin ist mit ihrem Rollator auf dem Flur eines Alten- und Pflegeheims unterwegs.

Dass Senioren durch Platzmangel in Kölner Pflegeeinrichtungen ihre Stadt verlassen müssen, ist für die Seniorenvertreter untragbar. Sie schlagen Alarm.

In der schwelenden Wohnungsnot ist nicht nur die jüngere Generation auf der Suche nach bezahlbarem Raum, auch die Älteren sehen sich mit existenziellen Problemen konfrontiert, wenn das eigene Heim aufgrund von Krankheit oder eingeschränkter Selbstversorgung verlassen werden muss. Der Umzug ins Seniorenheim ist nicht selten mit Überwindung verbunden, bedeutet er doch die Aufgabe der Vertrautheit und mitunter eine Einschränkung der Individualität.

Im Alter ausquartiert: Senioren verlassen die Stadt Köln durch Platzmangel

Der Verbleib im gewohnten städtischen Umfeld, die örtliche Nähe zu Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern kann diese Veränderungen erleichtern. Nach Auskünften der Seniorenvertretung Innenstadt häufen sich jedoch Fälle, in denen Personen mangels Kapazitäten in Altenheimen oder Pflegeeinrichtungen die Stadt verlassen müssen.

Ältere Menschen werden aus Platzmangel schlichtweg in die Eifel oder ins Ruhrgebiet verfrachtet. Das ist ein menschenunwürdiger Zustand
Karl Heinz Pasch, Seniorenvertretung Innenstadt

So berichtet Seniorenvertreter Hans Anton Meurers von einem aktuellen Fall, bei dem eine Kölnerin zum Wohnen in eine altersgerechte Einrichtung nach Brauweiler ausgewichen sei, was deren Tochter aus Chorweiler vor erhebliche Mobilitätsprobleme stelle. Regelmäßige Besuche würden somit erschwert, zudem habe die Frau kein finanzielles Budget für die Fahrten, erklärt der Ehrenamtler. Andere Dimensionen des Distanz-Konfliktes spricht Interessensvertreter Karl Heinz Pasch an: „Wir verfolgen die Situation sehr aufmerksam und werden zunehmend besorgter. Ältere Menschen werden aus Platzmangel schlichtweg in die Eifel oder ins Ruhrgebiet verfrachtet. Das ist ein menschenunwürdiger Zustand“, sagt das langjährige Mitglied der Seniorenvertretung Innenstadt.

Die Seniorenvertreter Hans Anton Meurers (l.) und Karl Heinz Pasch fordern von der Kölner Stadtverwaltung einen Ausbau von Altenheimen und Pflegeeinrichtungen.

Die Seniorenvertreter Hans Anton Meurers (l.) und Karl Heinz Pasch fordern von der Kölner Stadtverwaltung einen Ausbau von Altenheimen und Pflegeeinrichtungen.

Die damit verbundene Kritik richtet sich an die Stadtverwaltung, die es versäume, Grundstücke für Neubauten bereitzustellen. „Wir benötigen alleine in der Innenstadt bis 2025 100 neue Plätze. Ein Pflegebericht der Verwaltung aus dem Jahr 2019 kommt selbst zu dem Ergebnis, dass bis 2040 10.000 neue Plätze entstehen müssten. Das ist wohlbekannt, doch nichts geschieht“, so Hans Anton Meurers. Auch ein im Ausschuss „Soziales und Bauen“ 2021 festgelegter „Runder Tisch“ zur Erörterung der Situation mit allen Akteuren sei bisher nicht zustande gekommen.

Seniorenvertretung hofft auf Unterstützung der Bezirkspolitiker

Die Berücksichtigung von Altenheimen, Tages- oder Langzeitpflegestätten müsse in die Bebauungspläne, etwa der Parkstadt Süd oder dem Deutzer Hafen, schriftlich aufgenommen werden. Nur so sei der Entwicklung Einhalt zu gebieten, glauben die Seniorenvertreter. Unterstützung versprechen sich die Lobbyisten von der zuständigen Bezirksvertretung Innenstadt. Mittels eines Antrags sollen die Lokalpolitikerinnen und -politiker einen konkreten Beschluss verabschieden, der eine Anpassung an die Bedürfnisse verbindlich festschreibt.

Aktuell übersteigt die Nachfrage an Pflegeplätzen innerhalb des Stadtgebiets das Angebot
Sabine Wotzlaw, Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Köln

Konfrontiert mit den Vorwürfen relativiert die Verwaltung Gründe und Ausmaß der Situation. Demnach könne es in Einzelfällen dazu kommen, dass der bevorzugten Einrichtung nicht sofort entsprochen werden könne. Die Pflegeplatzsituation werde zudem durch den Fachkräftemangel verstärkt. Die Stadt unterstütze unter anderem mit dem Beratungstelefon für Senioren und Menschen mit Behinderung Bürger bei der Suche nach geeigneten Pflegeplätzen in einer Kölner Einrichtung. Mit einer Belegung von mehr als 90 Prozent sei jedoch von einer Vollauslastung der Kapazitäten zu sprechen.

Köln: Zu wenig Pflegeplätze für hohe Nachfrage

„Aktuell übersteigt die Nachfrage an Pflegeplätzen innerhalb des Stadtgebiets das Angebot“, berichtet Sabine Wotzlaw vom Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Derzeit befänden sich acht Wohngemeinschaften mit 73 neuen Plätzen im Bau. Darüber hinaus seien vollstationäre Dauerpflegeeinrichtungen in Riehl, Zündorf und Porz mit 273 Plätzen in der Errichtungsphase. Momentan verfügt die Stadt über 7715 Residenzen in 94 Dauerpflegeeinrichtungen. Ferner existieren 34 ambulante Wohngemeinschaften mit Bleiben für 250 Personen.

Sprechstunden der Seniorenvertretung Innenstadt finden jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat von 10 bis 12 Uhr im Büro auf der Ludwigstraße 8 sowie jeden letzten Dienstag im Monat von 10 bis 12 Uhr im Bürgerzentrum Deutz auf der Tempelstraße 41-43 statt. Die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler sind zudem via E-Mail erreichbar. Telefonische Auskünfte über die Seniorenvertretungen aller neun Bezirke erfolgen unter der Rufnummer 0221/221 275 15. Das städtische Beratungstelefon für Senioren und Menschen mit Behinderung ist unter 0221/221 274 00 erreichbar.

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