Abo

Stress und psychische ErkrankungenWie Personalnot Arbeitnehmer und Arbeitgeber belastet

Lesezeit 3 Minuten
Bunte Post-its kleben im Gesicht einer Frau, die die Augen geschlossen hat.

In 352 von 801 Berufsgruppen fehlt es an Fachkräften. Diejenigen, die am Arbeitsplatz übrig bleiben, leiden unter Arbeitsverdichtung und psychischer Belastung.

Der demografische Wandel und die Pandemie haben vielen Berufsgruppen einen Fachkräftemangel beschert. Die, die noch arbeiten, klagen über psychische Belastung.

In der Gastronomie, im Handel, in der Logistik, im IT- und Dienstleistungsbereich - in Pflege und Erziehung ohnehin: kaum eine Branche, der nicht seit Längerem oder durch Corona derzeit akut Fachkräfte fehlen. Fast 540.000 Stellen, die regelmäßig nicht besetzt werden, gibt es aktuell. Das zeigte jüngst eine Auswertung von Arbeitsmarktdaten am Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

„Ich habe erlebt, wie eine Kollegin stundenlang weinte“ – Lesen Sie hier, mit welchen Problemen verbliebene Arbeitnehmer in ihrem Job-Alltag zu kämpfen haben.

„Uns erreichen zu wenige oder gar keine qualifizierten Bewerbungen“ –Hier schildern Arbeitgeber, warum es für sie so schwer ist, an geeignetes Personal zu kommen.

Waren vor einigen Jahren noch vergleichsweise wenige Felder des Wirtschaftslebens von Fehlen qualifizierter Mitarbeiter betroffen, sind es laut Bundeswirtschaftsministerium mittlerweile 352 von 801 Berufsgruppen. Die Gründe sind vielfältig. Das Handwerk etwa verliert schon lange Nachwuchs, weil es mehr Menschen ins Studium zieht, die Pflege leidet unter schlechter Bezahlung und hoher Arbeitsbelastung.

Der Fachkräftemangel vernichtet Wertschöpfung und damit Wohlstand

Zentral ist allerdings der demografische Wandel. Die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre gehen in Rente. Die Corona Pandemie hat die Lage zudem weiter verschärft. Weil beispielsweise Gastronomie, Hotellerie und Handel geschlossen wurden, trennten sich Unternehmen von Personal. Und weil die Perspektiven unsicher waren, orientierten sich viele Beschäftigte neu und wechselten in andere Branchen.

Die Folgen des Fachkräftemangels zeigen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen vernichtet das Fehlen geeigneter Beschäftigter Woche für Woche Wertschöpfung und damit Wohlstand.

Stress und psychische Belastung bei den Übriggebliebenen nehmen zu

Aber vor allem bei den verbleibenden Mitarbeiter steigt der Leidensdruck enorm. Überstunden, Stress und psychische Belastungen nehmen zu. Knapp zwei Drittel der Arbeitnehmer spüren Belastungen durch den Fachkräftemangel, weil sie deutlich mehr arbeiten müssen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Forschungsinstituts Respondi unter 3000 Fachkräften mit Berufsausbildung. Mehr als ein Viertel der Befragten macht der Umfrage zufolge zahlreiche Überstunden, weil es an Personal fehlt. Bei einem Drittel der Befragten hat sich die Arbeitszeit zudem deutlich verdichtet, sie müssen also mehr in der gleichen Zeit schaffen.

Und der Druck hat auch gesundheitliche Folgen. Mehr als ein Drittel fühlt sich durch die Arbeit strapaziert. Die psychische Last gehört für 52 Prozent der Fachkräfte zu den größten Anstrengungsfaktoren. Es folgen Termindruck und Zeitmangel mit 45 Prozent, sowie Mehrarbeit und Überstunden mit 37 Prozent.

Konkrete Daten zur aktuellen gesundheitlichen Situation der Fachkräfte auch in Folge von Corona sind noch rar. Aber bereits seit Jahren melden etwa die großen Gesundheitskassen, dass die Zahl der stressbedingten und oftmals psychischen Erkrankungen stetig ansteigt. Der Trend dürfte sich nach Einschätzung von Experten künftig noch verstärken.

KStA abonnieren