Postzusteller beklagt Job-Überlastung„Ich habe erlebt, wie eine Kollegin stundenlang weinte“

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Personell eng ist es auch in der Postzustellung.

Personell eng ist es auch in der Postzustellung.

Peter M.'s Branche leidet unter dem Fachkräftemangel – doch M. ist noch da. Und klagt über die stetig steigende Arbeitslast, die ihn krank gemacht hat.

Peter M. ist mehr als sein halbes Leben bei der Post tätig, schon seit Ausbildungszeiten. Seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen, und er ist einer der wenigen völlig überlasteten Arbeitnehmer, die sich überhaupt äußern wollen. Trotz Fachkräftemangels ist die Sorge um den Arbeitsplatz groß. In den vergangenen Monaten musste Peter M. eine gravierende Umstrukturierung seines Arbeitsplatzes miterleben, wie er berichtet.

Lesen Sie hier die andere Seite: Arbeitgeber schildern, warum es für sie so schwer ist, an geeignetes Personal zu kommen.

„Ich war seit Jahrzehnten in der Paketzustellung tätig, seit 30 Jahren – schon meine Lehre habe ich bei der Post gemacht. Ich habe in verschiedenen Funktionen gearbeitet: am Schalter, hauptsächlich aber in der Zustellung, zunächst von Briefen, dann von Paketen. Es gab dann eine Umstrukturierung für die ländlichen Betriebe hin zu einem sogenannten Verbund. Das heißt, Briefe und Pakete werden von ein und derselben Person zugestellt. Das dient auch der Personaleinsparung, was aber hinten und vorne nicht funktioniert: Seit die Post vor anderthalb Jahren auf diesen Verbund umgestellt hat, gab es kaum einen Tag, an dem die Bezirke personell ausreichend besetzt gewesen wären.

Ich mache meinen Job gern. Aber es geht nicht mehr. Viele Kolleginnen und Kollegen werden krank, weil die Belastung zu hoch ist.
Peter M., Postzusteller

Es fehlen ständig Leute – was zur Konsequenz hat, dass die Zusteller, die übrig bleiben, weitere Bezirke übernehmen müssen. Dort kennt man sich aber nicht gut aus, es kommt zu zusätzlichen Fahrtwegen, es gibt sogenannte Rückstände, weil auch im angestammten Bezirk Pakete und Briefe liegenbleiben, was wiederum zu Unzufriedenheit bei den Kunden führt. Diese Rückstände stauen sich auf – was gefordert wird, schafft man einfach nicht mehr, besonders, wenn man schon etwas älter ist. Ich mache meinen Job gern, bin gut darin und selbstbewusst, die Kunden mögen mich. Aber es geht nicht mehr. Viele Kolleginnen und Kollegen werden krank, weil die Belastung zu hoch ist.

Keine Frage, vor Weihnachten waren wir alle gewohnt, Überstunden zu machen. Das ist bei der Post normal. Aber dass es das ganze Jahr über so läuft, dass man kaum einmal pünktlich fertig ist, das führt zu enormer Belastung.

Auch das Arbeitsklima leidet unter dem Dauerstress

Hinzu kommt der Stress mit den Kollegen, die zustellen müssen, weil man selbst krank ist oder einmal frei hat: Das Arbeitsklima leidet – ich habe noch nie erlebt, dass die Leute derart gegeneinander hetzen wie derzeit. Wenn jemand krank ist, wird ihm unterstellt, dass er krankfeiert. Das geht auch von den Vorgesetzten aus: Andeutungen, Unterstellungen – „Merkwürdig, Du bist schon wieder direkt nach dem Urlaub krank!“ -, die man oft gar nicht direkt greifen kann.

Man kann nachts nicht schlafen, oder man träumt von dieser Situation, und im schlimmsten Fall führt das zu psychischen Problemen. Mich plagen schon seit Jahrzehnten chronische Rückschmerzen. Ich habe seit meiner Jugend gerne Sport getrieben, man muss sich ja bewegen, gerade, wenn man älter wird. Aber der Rücken ist durch die Schlepperei kaputt.

Bei anderen stehen psychische Probleme im Vordergrund: Ich habe erlebt, wie eine Kollegin stundenlang weinte, andere schreien herum, Aggressionen kommen immer häufiger zum Vorschein. Und viele stehen vor einem Burnout oder sind bereits über den Punkt hinweg. Es gab immer wieder schwierige Zeiten, zuletzt Corona, als die Leute nicht einkaufen konnten und via Internet bestellt haben – die Post hat gearbeitet. Aber das sich die Situation so zugespitzt hat wie aktuell, habe ich in meiner Berufslaufbahn noch nicht erlebt.“

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