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Soest aus KeramikKünstlerin formt ihre Heimatstadt als Blüte

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Keramikteller in verschiedenen Größen und Farben sind übereinander gestapelt. Ganz oben ist eine Schale platziert, so dass das Ganze an eine Blüte erinnert.

Soest-Geschirr steht auf einem Tisch.

Frauke Gerhard gibt ihren Keramik-Objekten eine tiefere Bedeutung als nur die Funktion allein. Bei ihr werden Gegenstände zu Symbolen. 

Ein Stapel unterschiedlich geformter Teller, zartrot, -blau und -türkis glänzend, mit einer cremefarbenen Schale darauf, einem gelben Becher darin, bildet genauer betrachtet eine Blüte. Eigentlich verbirgt sich hinter dem Werk „Terra Susatum“ von Frauke Gerhard eines der Exponate ihrer Ausstellung „One Many Show“, die in der Galerie Formformsuche am Filzengraben zu sehen ist, noch mehr: Gerhard hat Teller in der Form ihrer Heimatstadt Soest kreiert, mit Adern darauf, die Verkehrswege darstellen. Das abstrakte Keramikabbild ihrer Heimatstadt, ist ein Vorschlag für ein Symbol. „Es gibt Menschen, die hängen sich Afrika an einer Kette um den Hals“, sagt die Künstlerin.

Eine Frau mit Zopf und Brille hält einen großen Stein in der Hand.

Frauke Gerhard mit einem Riesenbovisten, einem Wiesenpilz,  im Vorgebirgspark

Die Soest-Keramikblüte ist ebenfalls alltagstauglich. Die Teller, Schalen und Becher können und sollen auch benutzt werden. „Sie sind auch spülmaschinenfest“, versichert Gerhard. Ein Tisch im Ausstellungsraum ist mit mehreren dieser Blüten gedeckt, als eine Art Tischkunst-Installation und ein Setting für ein Festessen.

„Glocal“ denken ist die Devise

Ein anderes Werk aus der „Soestreihe“ trifft die Aussage „Soest ist kein Nest!“. Es besteht aus einem zur Schale gebogenen Grundriss der Stadt, mit einer nestartigen Schale darauf, darin ein umgedrehtes rundes Schälchen, das wie ein kleiner Globus aussieht. „Immer wieder wurde mir gesagt, dass ich aus einem Nest komme“, sagt Gerhard. Das Keramik-Kunstwerk ist ihre Antwort, humorvoll, mit einem Bezug zum gesellschaftlichen Kontext: Man solle doch heute „glocal“ denken, betont die Künstlerin, globale Herausforderungen angehen und gleichzeitig lokal handeln. Und so ist ein ganzer Globus in ihrem Heimatnest zuhause.

Auf einem Tisch stehen mehrere Keramik-Objekte.

Keramik-Kreationen von Frauke Gerhard

Gerhards Arbeiten sind vielschichtig. Stets verbirgt sich eine weitere Perspektive auf einen größeren Kontext dahinter, eine Metaebene. Sie schafft Kunstwerke für den alltäglichen Gebrauch, mit Blick auf die Gesellschaft und einem größeren Kontext: Die Skulptur „Move“ sieht aus wie ein monsterartiges Wesen, bestehend aus vielen Keramikkugeln und Löchern darin, deren Inneres jeweils in einer anderen Farbe leuchtet und die sich sechs Beine teilen, von denen eines lustig angehoben ist. „Es ist ein Mob“, sagt Gerhard, „kopflos, nicht hierarchisch organisiert, auch lustig, der sich gemeinsam und etwas bewegt, wie ein Hündchen auch einmal jemanden ans Bein pinkelt.“ Jedes Schälchen gehört stets zu einer Gruppe, brilliert aber in seiner eigenen individuellen Farbe.

Der bedeutsamste Teil der Ausstellung ist für die Künstlerin selbst die gelbe Wand, die sich zu einer Wabe zusammenstellen lässt, im Ausstellungsraum aber eine Leseecke umschließt. Auf der Rückseite sind mit Fotos ihre Kunstwerke und ihre Forschungsarbeit dokumentiert. „Die Ecke ist selbst aber der fehlende Teil der gelben Wabe aus Römergläsern, die daneben an der Wand hängt.“ Es hat sich verselbständigt und ein eigenes Leben entfaltet, mit eigenem Tisch und unzähligen Schälchen in Wabenform und einer weiteren Dokumentation, einem Arbeitsbuch darauf.

Das Hexagon, die Ursprungsform der Natur, die der Bienenwaben, des Froschlaichs, hat Gerhard schon als Kind fasziniert, als sie es im Badeschaum entdeckte, lange bevor sie an der Fachhochschule für Freie Kunst und Design in Köln ihre Forschung zur Alltagskunst antrat. Ihre „Erdarbeiten“ deren Label „ton beine kerben“ selbstironisch auf die Achtzigerjahre verweisen, sind Teil ihres multimedialen Gesamtwerkes, zu dem auch Installationen im öffentlichen Raum gehören. Aber stets hat jedes einzelne Werk eine individuell malerisch gestaltete Oberfläche, eine eigene Bedeutung und einen eigenen Sinn: „Es ist schön, wenn ein Kunde jeden Morgen aus einer meiner Tasse seinen Tee trinkt und sich freut, dass er ein ganzes Farbbiotop vor der Nase hat“, sagt Gerhard.


Die Ausstellung läuft bis zum 15. November und ist samstags von 12 bis 18 Uhr und nach Absprache geöffnet.

www.ton-beine-kerben.de