Turnhalle am Gymnasium KreuzgasseVerrottet und vergessen

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Das marode Gebäude ist einsturzgefährdet.

Das marode Gebäude ist einsturzgefährdet.

Köln – Dem Gymnasium Kreuzgasse eilt der Ruf voraus, zu den renommiertesten Schulen im Stadtgebiet zu gehören. Nicht nur sein bilingualer Schwerpunkt und viele bekannte Schüler, auch das denkmalgeschützte Gebäude samt Turnhalle haben das Renommee der Kreuzgasse gehoben. Ebendiese Turnhalle, die 1958 fünf Jahre nach dem Hauptgebäude entstanden ist, steht seit exakt acht Jahren leer.

Das Innere der Halle sollte nur noch mit Schutzanzug und Atemmaske betreten werden. Es stinkt nach Moder, Schimmel und Fäkalien, Füchse nutzen den Boden, auf dem Tausende Gymnasiasten Handstand und Korbleger gelernt haben, als Toilette. Im Keramikbereich riecht es nach Urinstein, die Umkleiden sind vollgestellt mit alten Tischen und Stühlen – „der Bereich wird von der Schule inzwischen für Sperrmüll genutzt, weil in unseren Kellerräumen nicht genug Platz ist“, sagt Sportlehrer Johannes Orzel, der seit 1976 am Gymnasium Kreuzgasse unterrichtet. „Ekelhaft und beschämend“ nennt der 64-Jährige den Zustand der Halle. Nicht, weil der Schule ihre 30 Jahre alte Dreifachturnhalle nicht ausreiche – „das geht einigermaßen, auch wenn es gut war, auf die kleine Halle ausweichen zu können“. Es geht Orzel darum, wie die Stadt mit ihrem Eigentum umgeht – „und wie die Schulen darunter leiden“.

Gesperrt wurde die Halle im Sommer 2006, weil im 700 Kilometer entfernten Bad Reichenhall das Dach einer Eishalle eingestürzt war. Bei dem Unglück waren 15 Menschen gestorben – in der Folge ließ die Stadt Köln die Statik sämtlicher Hallen überprüfen. Ein Gutachter stellte eine „reduzierte Betonqualität“ fest, „die Standfestigkeit der Halle“ sei „nicht gewährleistet“. Aus Sicherheitsgründen musste die Anlage sofort gesperrt werden. Für einige Barren, Handballtore, Matten und Seile fand sich so schnell keine Verwendung – sie verrotten bis heute in der Halle. Einen Sicherheitszaun im Außenbereich sucht man vergebens – nirgends ein Hinweis auf die Einsturzgefahr.

Das Gymnasium Kreuzgasse wurde ursprünglich 1828 am Quatermarkt gegründet und zog 1868 in ein neues Gebäude an der Kreuzgasse, eine Seitenstraße der Schildergasse. 1943 brannte das Haus bei einem Bomberangriff aus. 1953 wurde der Grundstein für das aktuelle, von Karl Hell entworfene Gebäude an der Vogelsanger Straße gelegt. Die jetzt leerstehende Turnhalle kam erst 1958 hinzu. 1985 wurde daneben eine größere Halle eröffnet. 1989 wurde das Gymnasium unter Denkmalschutz gestellt.

Im Januar 2006 stürzte eine Eissporthalle in Bad Reichenhall ein. Seitdem prüft die städtische Gebäudewirtschaft in Köln regelmäßig die 297 Tragwerke von Turnhallen und Schulaulen in der Stadt. 2012 mussten acht Gebäude mit Sofortmaßnahmen gesichert werden. (att)

Nachdem die Mängel festgestellt waren, ließ die städtische Gebäudewirtschaft prüfen, wie die Halle statisch gesichert werden könnte – die Probebohrungen haben den Verfall bis heute überdauert. Das Ergebnis ergab, dass eine Sanierung 1,5 Millionen Euro kosten würde. Die städtische Tochtergesellschaft schlug deswegen einen Neubau vor – die Duschen und Umkleiden, die bis 2008 offen waren, sollten für die Vereine, die die benachbarte Sportanlage nutzen, behelfsmäßig saniert werden. Längst dienen die Umkleidekabinen als Sperrmüllkippe.

„Es ist ein Skandal, dass sich bis heute kein Amt zuständig fühlt“, sagt Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, der sich noch an einen Ortstermin in der Halle im Jahr 2010 erinnert. Den Vereinen sei zugesichert worden, Container zum Duschen und Umziehen auf der Sportanlage aufzustellen. „Geschehen ist bis heute nichts. Es ging zu wie bei Kafka: Jeder hat vorgegeben, etwas zu tun, keiner hat sich gekümmert. Die Vereine sind einfach hängengelassen worden.“

Gerd Wingert von der Kölner Turnerschaft sieht das ähnlich. Die Turner waren seit 1958 Hauptnutzer der Halle. „2006 sollten eigentlich nur die Fenster saniert werden, aber nach dem Unglück wurde dann die Statik überprüft“, sagt er. „Ich erinnere mich noch an die Aussage des Sportamts, dass das Gebäude nun gesichert werden müsse.“ Sicher ist bis heute nichts.

Die Gebäudewirtschaft ließ am Donnerstag zunächst ausrichten, sie sei nicht zuständig. Aus dem Schulamt hieß es, der Fall sei bekannt, Details folgten. Auch aus dem Sportamt kam zunächst keine Antwort. Fortsetzung folgt.

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