„Zwei Kaffee, bitte!“Kölner Friedhöfe sind eine Kräuter-Fundgrube

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Frau im Café mit Cappuccino

Michélle Busch arbeitet als Kräuterpädagogin

Was erzählen Menschen, wenn man sie anspricht und zum Kaffee einlädt? Dieser Frage geht Susanne Hengesbach in ihrer Rubrik  „Zwei Kaffee, bitte!“ regelmäßig nach.

Meine heutige Gesprächspartnerin ist alles andere als ein „City-Pflänzchen“, und wenn sie an diesem Tag nicht bei Globetrotter nach einer Reisetasche hätte schauen wollen, wäre die Chance, sie in einer Fußgängerzone aufzugabeln, minimal gewesen.

Dafür zieht Michélle Busch ungewollt die Aufmerksamkeit auf sich, wenn sie mit ihrem Weidenkorb in Parks oder Grünanlagen unterwegs ist. Dann höre sie immer wieder, wie Kinder ihre Eltern fragen: „Was macht die Frau da?“ – Das lässt sich leicht beantworten. Die 30-Jährige sammelt Pflanzen, an denen unsereins mehr oder minder achtlos vorbei geht – wie Gänseblümchen, Brennnesseln oder Löwenzahn.

„Die Pflanzen haben mich mehr überrascht“

Busch ist Biologin und hat, wie sie mir erzählt, vor drei Jahren eine Zusatzausbildung zur Kräuterpädagogin absolviert. „Sie sind also eine Person, die man vor sehr langer Zeit entweder auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder wie eine Halbgöttin verehrt hätte“, sage ich scherzhaft. Busch lächelt und erzählt, dass das Wort Hexe wirklich mit der Hecke in Verbindung stehe bzw. mit dem, was da wuchs.

Tatsächlich habe sie bereits in der Grundschule ein starkes Bedürfnis verspürt, Dinge zu ergründen, zu verstehen und zu durchleuchten. Und auch im Studium hätten sie „die Pflanzen mehr überrascht, als die Tiere“, weswegen sie heute ein starkes Interesse daran hätte, Menschen wieder das näherzubringen, was man früher von Generation zu Generation weitergegeben habe, was inzwischen aber vielfach – nicht zuletzt auch durch den großen Einfluss der Pharmaindustrie – in Vergessenheit geraten sei: die Volksheilkunde.

Der klassische Gärtner-Feind ist reich an Vitamin C

Als Beispiel nennt Busch das einheimische Wildkraut Mädesüß, das die gleiche Wirkung habe wie Aspirin, jedoch den Magen nicht reize. „Früher wussten wir viel besser darüber Bescheid, wie uns die Dinge aus der Natur helfen.“ Der 30-Jährigen geht es beim Sammeln von Wildkräutern zwar auch darum, das Essen schmackhafter zu machen. Mehr noch interessiert sie jedoch der gesundheitsfördernde Aspekt von Brennnessel oder Giersch. Letzterer, „der klassische Feind eines jeden Gärtners“ sei beispielsweise reich an Vitamin C.

Ich frage Busch, wo sie in der Millionenstadt Köln besonders fündig wird, und sie nennt die Merheimer Heide den Königsforst, das Gremberghovener Wäldchen und: Friedhöfe. Letztere seien eine besonders gute Quelle, da dort kein Urin von Hunden zu befürchten und „der Boden sehr nährstoffreich“ sei.

Den Menschen die Berührungsängste nehmen

Bei ihren Wanderungen oder Workshops, die sie unter anderem beim Umweltzentrum Gut Leidenhausen oder für „Wildes Grün“ anbietet, werde sie oft gefragt, ob sie keine Angst vorm Fuchsbandwurm habe. Die Kräuterpädagogin lächelt und sagt, dass ihr die langen, mit Hygienemitteln vollgepackten Gänge in Drogeriemärkten deutlich mehr Unbehagen bereiteten. Busch macht sich auch ihre Feuchtigkeitspflege und Haarspülung selber und sieht ihre Aufgabe ein wenig darin, „den Menschen ihre Berührungsängste zu nehmen“.

Wenn man die Köpfe von Gänseblümchen trockne und in Öl einlege, hätte man nach vier Wochen ein wunderbare, entzündungshemmendes Mittel, das bei Ausschlägen helfe. Auch um Brennesseln solle man keinen großen Bogen machen, sondern „beherzt zugreifen“. Als Tee wirke dieses „Unkraut“ nicht nur entwässernd, sondern sei „eine der nährstoffreichsten Pflanzen“ überhaupt.

„Wenn man etwas näher kennengelernt hat, schätzt und schützt man es mehr“, ist Busch überzeugt. Es gebe „nur wenige Pflanzen, mit denen wir uns vergiften können“, trotzdem würde sie jedem davon abraten, ohne Vorkenntnisse auf eigene Faust loszuziehen.

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