SchulplatznotKölner Investor will im Rekordtempo für die Stadt Schulen bauen

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Architektenmodell einer von Educia konzipierten Schule.

  • Matthias Schulle ist Vorstand der Kölner Educia AG, die der Stadt Schulen vermieten will.
  • Im Interview verrät er, wie es gelingt, Grundstücke für Schulstandorte zu erwerben, obwohl die Stadt selbst solche Grundstücke nicht findet.
  • Warum es für die Stadt lukrativ ist, diese Schulen schlüsselfertig zu mieten.
  • Wie es im Schulbau auch unkonventionelle Wege zum Ziel gibt, wenn man den Schulhof aufs Dach verlegt und dadurch Flächen spart.

In Köln fehlen in den kommenden zehn Jahren 54 neue Schulen. Schuldezernent Robert Voigtsberger spricht von einer „Jahrhundertaufgabe“, die zu bewältigen sei. Jetzt treten Sie mit Ihrem während der Pandemie gegründeten Kölner Unternehmen Educia an, einen Teil der so dringend benötigten Schulen privatwirtschaftlich zu bauen. Was ist Ihr Angebot? Schulle: Wir bauen als Projektentwickler und Investor Schulen, die wir dann langfristig an die Stadt vermieten. Das Besondere ist, dass wir nicht nur investieren und vermieten, sondern auch die Grundstücke dafür besorgen. Es gibt riesige Lücken in der Bildungslandschaft, weil Standorte fehlen. Die wollen wir schließen. Educia ist ausschließlich Investorin und Vermittlerin für Bildungsimmobilien – da ist nicht Wohnen oder anderes dabei. Das ist mit diesem Fokus in Deutschland einmalig.

Was für Vorteile hat die Stadt, wenn Sie diesen Weg mit Ihrem neu gegründeten Unternehmen geht?

Erstens kann die Stadt keine Schulen bauen, wenn sie keine Grundstücke hat. Wir haben welche. Zweitens hat sie zu wenig Ressourcen: 50 Schulen zu bauen, das schaffen weder Gebäudewirtschaft noch die Schulbaugesellschaft, die zu wenig Personal hat. Außerdem ist dieses riesige Investment von der Stadt finanziell schlicht nicht zu stemmen, wenn sie überall selber Bauherrin ist.

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Matthias Schulle

Die Stadt hat sich diesem Weg nun geöffnet: In der letzten Ratssitzung kurz vor den Sommerferien gab es eine Mehrheit dafür, drei Schulstandorte durch Investoren realisieren zu lassen, die auch das Grundstück mitbringen sollen. Allerdings sollen diese über eine europaweite Ausschreibung ermittelt werden. Das kann dauern….

Es ist so, dass die öffentliche Hand sich lange schwer tat, neue Wege zu gehen. Es ist erst mal gut, dass sie das jetzt tut. Aber eine europaweite Ausschreibung ist ein schwerfälliges, langwieriges Verfahren, das weder juristisch nötig noch zielführend ist. Zumal Zeit angesichts der fehlenden Schulplätze ein wichtiger Faktor ist. Mal ehrlich: Warum sollte ein Spanier in Madrid ein Schulgrundstück für Köln anbieten. Da gibt es andere Beschaffungsmodelle, die juristisch konform sind. Eines ist. als Stadt zu sagen: Wir suchen etwas und dann kommt jemand auf uns zu. So macht es die Stadt ja auch bei den Räumen, die sie gerade in der Nähe der bestehenden Gymnasien sucht, um diese zu mieten oder zu kaufen, um Mehrklassen unterzubringen.

Was können Sie der Stadt denn konkret schon jetzt an Schulstandorten anbieten?

Wir haben passende Standorte gesichert, Grundstücke gekauft und auf eigenes Risiko konzeptionelle Pläne für gesuchte Schulen gemacht – bis hin zur Baubeschreibung. Und zwar für bislang fünf Schulen: Zwei im Rechtsrheinischen und drei im Linksrheinischen. Die Stadt braucht nur noch sagen: Gefällt mir, hätte ich gerne angepasst für eine Grundschule, eine Gesamtschule oder ein Gymnasium. Für einen Standort – eine Grundschule in Ehrenfeld – haben wir vor anderthalb Wochen sogar schon ein ganz konkretes Mietangebot abgegeben, das die Stadt gerade prüft.

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Schulmodell des dänischen Architekten Henning Larsen.

Die Stadt sucht seit Jahren vergeblich nach geeigneten Flächen für Schulbauten. Wo bekommen Sie scheinbar mühelos die Flächen her, die die Stadt hängedringend sucht und nicht findet?

Wir sind ganz gezielt auf Bestandshalter vor allem von Gewerbeimmobilien zugegangen und haben unser Modell dort vorgestellt. Es gibt in Köln sehr viele überalterte gewerbliche Standorte. Da gab es viele Besitzer, die auch neugierig auf das Modell Schulentwicklung waren. Manche Grundstückseigentümer sagen sogar, bevor sie ein Bürogebäude draufsetzen, fühlen sie sich besser, wenn es eine Schule wird. Selbst wenn sie dann zehn Euro weniger bekommen. Wenn die einzelnen Grundstücke zu klein waren, haben wir mit verschiedenen Eigentümern gesprochen und die Grundstücke kombiniert. Wobei ich betonen muss: Wir zahlen auch einen vernünftigen Grundstückspreis, der in die Bodenrichtwerte passt. Wir sind da marktfähig.

Die Stadt hat ja sehr genaue Vorstellungen, wie ihre neu gebauten Schulen aussehen sollen. Es gibt ein modernes Raumkonzept, das etwa Standards wie moderne Cluster-Schule statt klassischer Flurschule setzt. Kommt das in Ihren Schulen auch zur Anwendung?

Klar, wir kennen das Konzept und weichen davon auch nicht  ab. Wir arbeiten außerdem mit renommierten Architekturbüros und deren Gestaltungsentwürfen zusammen – etwa mit dem dänischen Schulbauarchitekten Henning Larsen oder mit Gernot Schulz aus Köln. Alles ist auf nachhaltiges Bauen ausgerichtet, als Passivhaus in Holzhybrid oder Holzbau.

Trotzdem arbeiten Sie doch mit kleineren Grundstücksgrößen als die Stadt bei ihren in Eigenregie gebauten Schulen…

Stimmt, wenn die Kommune ein Grundstück sucht, sind die Anforderungen an die Größe meist höher. Wir machen keine Abstriche bei Klassengrößen oder Innenräumen. Aber wir sparen Fläche, indem wir etwa einen Schulhof auf die Erdgeschossdachfläche packen oder Sporthallen nicht nebeneinander auf die grüne Wiese packen, sondern halbversenkt ins Gebäude integrieren. Wir denken also etwas unkonventioneller.

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Welche unkonventionellen Wege haben Sie noch in petto, um noch mehr Schulstandorte zu finden?

Wir sind jetzt auch auf Lebensmittelsortimenter wie Rewe oder Aldi zugegangen. Die Idee ist, dass vielleicht das ein oder andere Gebäude in der Lage und Dimension nicht notwendig ist. Oder dass man auf den Supermarkt, der im Erdgeschoss ist, eine Schule aufsetzen kann. Also kreativ eine Kombination aus Schulstandort und Vollsortimenter zu überlegen. Der Zuspruch ist groß.

Trotzdem fragt man sich, wie Schulbau für einen Investor ein lukratives Geschäft sein soll, mit dem man in großem Stil Geld verdienen kann?

Warum nicht? Die Investitionskosten sind doch einer Büroimmobilie ähnlich. Vorteil dieses Modells ist doch die langfristige Vermietung, was man bei Bürogebäuden ja nicht hat. Bei Schulen sind das mindestens 20 oder 25 Jahre – plus Verlängerungsoption. Viele sagen, das ist wirtschaftlich nicht interessant. Aber die meisten haben keine Ahnung davon. Sie wissen nicht, was eine Schule kostet, weil sie nicht wissen, wie eine Schule funktioniert. Wir von Educia sind die einzigen, die das machen. Das heißt, wir sind Marktführer in einem Tätigkeitsfeld, das es vorher nicht gegeben hat. Mein Ziel ist, die gerne gepflegte Distanz zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft verringern. Weil wir uns die angesichts der Größe der Aufgabe schlicht nicht mehr leisten können.

Aber für die Stadt ist das doch bestimmt kein Schnäppchen, ein nagelneues Schulgebäude zu mieten. Die Frage ist doch auch, wie sich das finanziell im Verhältnis zur Eigeninvestition verhält.

Die Rechnung ist ganz einfach: Wir bauen günstiger und schneller als die öffentliche Hand. Länger bauen kostet Geld und das öffentliche Vergaberecht führt eher zu Verteuerungen und Nachträgen. Wer sich Bauvorhaben der öffentlichen Hand drei Jahre später anguckt, weiß, wieviel Prozent teurer das dann ist: 50 Prozent oder manchmal doppelt so teuer. Das kann sich die Privatwirtschaft gar nicht leisten. Und wir machen Tempo. Wir realisieren die jeweilige Schule in 36 Monaten – immer vorausgesetzt wir warten nicht 18 Monate auf die Baugenehmigung und die Ämter ziehen mit.

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