Schuldnerhilfe schlägt AlarmBis zum Frühjahr droht vielen Kölnern die Verschuldung

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Geldstücke liegen in einem Portemonnaie.

Der Beratungsbedarf wegen Verschuldung ist in Köln massiv angestiegen.

Die Kölner Schuldnerhilfe meldet einen massiven Anstieg des Beratungsbedarfs und kann nicht mehr jede Anfrage beantworten. Geschäftsführerin Nina Rüther sagt: Im Frühjahr wird es noch schlimmer.

Einkommensschwache Kölnerinnen und Kölner leiden massiv unter der aktuellen wirtschaftlichen Krise. „Menschen in prekären Verhältnissen rechnen viel mehr als in den vergangenen Jahren, nicht nur bei den Energiepreisen, sondern auch bei den Lebenshaltungskosten“, sagt Nina Rüther, Geschäftsführerin der Kölner Schuldnerhilfe. Besonders gefährdet seien neben Arbeitslosen auch Menschen, die gerade so viel Geld verdienen, dass staatlich nichts aufgestockt werden kann.

Die Schuldnerhilfe, eine gemeinnützige Einrichtung, steht allen kostenlos zur Verfügung, die um ihre finanzielle Lage besorgt sind. „Unser Beratungsangebot richtet sich an jede Kölnerin und jeden Kölner, die oder der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet und Hilfe sucht“, sagt Rüther. „Vielen Menschen, die verschuldet sind und Angst haben, überschuldet zu werden, fehlt oft der Überblick. Scham spielt hier auch eine große Rolle.“

Verschuldete Kölner: „Viele melden sich erst, wenn es zu spät ist“

Wegen eines erhöhten Beratungsbedarfs wurde zu Beginn der Pandemie eine telefonische „Helpline“ eingerichtet, bei der sich Betroffene melden können. Im Vergleich zum Vorjahr sind die telefonischen Anfragen um erneut ein Drittel angestiegen, telefonisch werden pro Monat inzwischen rund 600 Menschen beraten. „Das ist schon enorm viel“, sagt Rüther über den Anstieg, der ihr Sorgen bereitet. Als besonders dramatisch erlebt sie Fälle, bei denen Betroffene an der Belastungsgrenze arbeiten und ihr Leben trotzdem nicht mehr finanzieren können. „Es gibt in Köln Familien, bei denen beide Eltern arbeiten und trotzdem jonglieren müssen, um nicht in eine Schieflage zu geraten. Diese Menschen trifft es jetzt besonders hart.“

Aus Rüthers Sicht werden viele Probleme, die sich aus der Inflation und insbesondere dem Anstieg der Strom- und Gaspreise ergeben, erst im kommenden Frühjahr sichtbar. „Viele melden sich erst, wenn es zu spät ist und versuchen es zu lange alleine“, so Rüther weiter. „Viele, die jetzt schon straucheln, werden sich erst im Frühjahr melden. Das ist das große Problem.“ Bei ihr melden sich regelmäßig Menschen, die bereits ihre Reserven aufgebraucht und Freunde um Geld gebeten haben.

„Politisch wird viel gesprochen und überlegt, es fehlt aber an Kapazitäten“

„Am Anfang versuchen die meisten, zu überbrücken: Was habe ich noch gespart, wen kann ich noch nach Geld fragen? Die meisten Menschen versuchen erst, alle Rechnungen irgendwie zu zahlen und suchen sich dann Hilfe. Das ist die falsche Reihenfolge“, sagt Rüther. „Dieses Vorgehen führt auch zu großen psychischen Belastungen, oft schafft man es nicht mehr, die eigenen Briefe zu öffnen.“ Die Schuldnerhilfe steigt meistens in dieser Situation ein und hilft den Betroffenen, überhaupt wieder handlungsfähig zu werden.

Obwohl es einen Rechtsanspruch gibt, kann derzeit aufgrund des hohen Aufkommens nicht jede angefragte Beratung durchgeführt werden. „Politisch wird viel gesprochen und überlegt, es fehlt aber an Kapazitäten für die Beratung“, sagt Rüther. „Gäbe es mehr Budget, könnten wir auch mehr beraten. Wir spüren jetzt eine Grenze.“ Aus ihrer Sicht ist eine Aufstockung dringend notwendig. Trotz der Engpässe rät sie dringend dazu, eine Beratung anzufragen, wenn dies notwendig sein könnte.

Energieversorger schalten Strom und Gas in Köln nicht sofort ab

Eine gute Nachricht: Über die Schuldnerhilfe konnte erreicht werden, dass Kölnerinnen und Kölnern nicht sofort der Strom abgestellt wird, sobald sie nicht mehr zahlen können. „Einige Energieversorger sind bereit, mit uns, also den Schuldnerberatungsstellen, ins Gespräch zu kommen“, so Rüther. „Die Versorger kümmern sich aus unserer Sicht schon, um die Menschen nicht allein zu lassen und richten unter anderem Fonds ein. Mit diesen Fonds werden auch Sperren für Strom und Gas verhindert. Da sind die Versorger kompromissbereit.“

Zwar hält Rüther Maßnahmen wie die Energiepauschale für richtig, ebenso wie die verzögerten Stromsperren würden sie aber nicht dabei helfen, Menschen in schwierigen Lagen nachhaltig durch die Krise zu bringen. „Pauschalzahlungen lösen keine Probleme von Grund auf. Ich würde mich freuen, wenn Menschen in prekären Lebenssituationen über konkrete Hilfen aufgeklärt werden.“ Mit mehr Wissen über die eigene finanzielle Lage sei das Risiko, sich zu verschulden, deutlich geringer.

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