Kölner Schule der ZukunftReiner Frontalunterricht war gestern

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Eine der vielen, luftig gestalteten Raumgruppen am Gymnasium Zusetraße. 

Köln – Seit knapp einem Monat ist das neu eröffnete Gymnasium Zusestraße mit Leben gefüllt. Die Fünftklässler lernen in dem 22.000 Quadratmeter Gebäude und erproben dabei so ganz nebenbei die Pädagogik der Zukunft. „Es ist so ganz anders als in meiner Grundschule. Ich finde es toll“, sagt die zehnjährige Leia, während sie gemeinsam mit ihrer Freundin Louisa auf den orange-roten Sitzelementen in dem lichten Vorraum der Klasse als Zweierteam Aufgaben bearbeitet.

Zeitgemäße Unterrichtsgestaltung

Das, was hier architektonisch und pädagogisch umgesetzt wurde, ist eine Art Prototyp. So wie in der Zusestraße, die in der Rekordbauzeit von zwei Jahren an den Start ging, soll in der Zukunft in allen neu gebauten und auch in den generalsanierten Kölner Schulen gelernt werden.

Im Kern bedeutet dies eine räumliche Anpassung der Schulen an zeitgemäße Unterrichtsgestaltung: Wichtigster Punkt ist der Abschied von der traditionellen Flurschule, in der von der ersten bis zur sechsten Schulstunde im Frontalunterricht gelernt wird. „Es ist das Konzept von der Schule als Lebensort, das hier exemplarisch für alle weiteren Schulen umgesetzt wird“, fasste Schuldezernent Robert Voigtsberger den Paradigmenwechsel zusammen.

Der so genannte „Planungsrahmen für pädagogische Raumkonzepte an Kölner Schulen“ sieht für neue oder sanierte Schulen wahlweise zwei Optionen vor: Das der „Offenen Lernlandschaft“ ganz ohne klassische Klassenräume, wie sie derzeit in der im Bau befindlichen Heliosschule verwirklicht werden soll. Und als wohl künftig eher Standard werdende Konzept als Clusterschule, wie die Zusestraße nun eine geworden ist: Das heißt jeweils drei Klassen bilden einen so genannten Cluster: Das ist eine Art Raumgruppe, die ein Jahrgang gemeinsam nutzt. Die drei Klassenräume sind offen in Richtung eines so genannten großen Differenzierungsraums, wie das im Pädagogendeutsch heißt. Das, was technisch klingt, ist vor Ort beinahe wohnlich: Auf verschiebbaren Sitz- und Gruppenelementen oder Sitzsäcken können die Schülerinnen und Schüler hier in Arbeitsgruppen lernen. Oder eben nach der Schule im gebundenen Ganztag auch entspannen, quatschen und spielen. Außerdem gehört zu jedem Cluster ein Arbeitsraum für stilles Arbeiten, eine kleine Teeküche und eine Teamstation für die zu den Klassen gehörenden Lehrkräfte sowie eigene Sanitärräume. „Cool ist auch, dass ich so alle aus meiner Jahrgangsstufe kennenlerne, weil wir ja auch gemeinsam hier spielen und lernen“, sagt Louisa (10)

Die neue Formel, nach der architektonisch entsprechend neu gestalteten Kölner Schulen nun gelernt werde, heiße 30:30:30:10, erläutert Voigtsberger. Das heißt: Nur noch je 30 Prozent klassischer Frontalunterricht, Arbeit in Kleingruppen und individuelle Einzelarbeit und zehn Prozent Arbeit in der ganzen Klasse etwa mit Präsentationen.

Neben der Differenzierung ist Transparenz der Kern des Kölner Konzepts. Klassische Wände gibt es nämlich keine mehr: Die sind aus Glas, alles ist durchsichtig und die gläsernen Türen stehen dazu noch offen.

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Dies dient nicht nur dazu, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Schüler in den Differenzierungs- und Lernräumen im Blick behalten können. „Es ist auch Ausdruck einer anderen Lernatmosphäre, die von Transparenz geprägt ist“, fasst Schulleiterin Suntka Altrock die ersten Erfahrungen zusammen. Die Wände sind nicht nur durchsichtig, die Pädagogen eines Clusters bereiten auch den Unterricht gemeinsam vor. Es soll das Ende sein von Einzelkämpfertum hinter verschlossenen Klassentüren. Alle im Kollegium seien begeistert von der der guten Atmosphäre. Den Cluster bezeichnet Altrock als „Heimat der Klassen“, ein Ort zum Wohlfühlen. Und dass die Klassenleitungen hier auch ihr eigenes Teamzimmer hätten und ansprechbar wären, sorge dafür die Bindung zu den Kindern eines Jahrgangs zu stärken.

Eine große Bibliothek mit vielen gemütlichen Sitzelementen, großzügige Sportplätze und eine moderne Dreifachturnhalle, eine lichte Mensa, die sich in Richtung der multifunktionalen Aula hin öffnet, ergänzen das Konzept.

Dass auch die digitale Ausstattung auf der Höhe der Zeit ist, versteht sich beinahe von selbst: In allen Klassen hängen digitale Touchpanels statt Tafeln, alle Kinder haben IPads. Die Lehrerinnen und Lehrer sitzen oder stehen an „Lehrermonosäulentischen“, die die schweren, kaum verschiebbaren Lehrerpulte ersetzen. Hinter dem Wortungetüm verbergen sich kleine ovale Tische auf Rollen, die zum Sitzen oder Stehen höhenverstellt werden können. Alles folgt der Idee, dass das Mobiliar sich flexibel den unterschiedlichen Unterrichtskonzepten können soll.

Ferner Zukunftstraum

In den klassischen vielerorts dazu noch überfüllten Flurschulen der Stadt ist dieser moderne Stand der Pädagogik derzeit gar nicht umsetzbar. Und bleibt wohl noch ganz lange so etwas wie ein ferner Zukunftstraum. Aber das langfristige Ziel sei klar: Nach und nach sollen in allen Schulen diese Lernmöglichkeiten geschaffen werden, so Voigtsberger.

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