Kölner StadtgeschichteAls die Stadt noch elf Tore hatte

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Fort X

Das preußische Fort X an der Inneren Kanalstraße 

Köln – Römerturm, Ulrepforte, Fort X – im Bild und Plan der Stadt und in vielen Straßennamen sind sie präsent: die Mauern, Wälle, Basteien der einstigen Kölner Stadtbefestigungen. Sie zeugen von 2000 Jahren Geschichte, von Belagerungen und Verteidigungskämpfen, aber auch von politischer Freiheit und dem Reichtum der Stadt. Ob römische, mittelalterliche oder preußische Mauern, sie wurden unter großen Anstrengungen errichtet, leichtfertig zerstört und ihre Relikte oft nur halbherzig gepflegt. 

Über die Vielzahl der militärischen Denkmale und Standorte im gesamten Stadtgebiet legt der Verein „Fortis Colonia“ nun ein stattliches Sachbuch vor, das zu Besichtigungstouren einlädt, auf 300 Seiten durch alle Epochen der Stadtentwicklung von den Anfängen als römische Provinzhauptstadt bis zur preußischen Festungsstadt und dem heutigen Zustand der Gemäuer führt. Es sind Spaziergänge zu knapp 80 Standorten im Zentrum und in der Peripherie, zusammengestellt und profund erklärt von den Experten der Kölner der Stadtgeschichte: Alfred Schäfer vom Römisch-Germanischen Museum (RGM), der vormalige Direktor des Kölnischen Stadtmuseums Werner Schäfke, die ehemalige Stadtkonservatorin Henriette Meynen, „Fortis Colonia“-Vorstand Alexander Hess und die Festungsforscher Dirk Wolfrum und Jens Rohde.

Das Fort XI in Köln-Mülheim.

Das Fort XI in Köln-Mülheim.

Umfang und Gewicht mögen den Band nicht gerade als Vademecum empfehlen, aber nach dem Motto „Man sieht nur, was man weiß“ schärfen die Texte, Chronologien, Dokumente, Karten, Grafiken, Grundrisse und die vielen aktuellen Farbfotografien den Blick auf die Denkmäler. Die historischen Einführungen, digitalen Rekonstruktionen und weiterführenden Literaturhinweise qualifizieren den schönen Band tatsächlich als ein weiteres „Standardwerk“ zur Kölner Stadtgeschichte. Zumal sein kunsthistorisches Augenmerk Kölnern und Besuchern neue Hinweise und Einsichten vermittelt, so Henriette Meynen bei der Vorstellung des Buches am Montag im RGM. So verweist Alfred Schäfer in seinem Beitrag zur Römermauer immer wieder auch auf römische Bauten in Belgien, der Schweiz oder Frankreich.

Schon die Römermauer war fast vier Kilometer lang

Die Stadt liege in Schalen um den römischen Kern, erläuterte Henriette Meynen die Kölner Stadtbaugeschichte. Bestand die erste Verteidigungsanlage des Oppidum Ubiorum zur Zeit des Augustus noch aus Holz und Erde, schützte kaum 100 Jahre später, unter der Herrschaft des Domitian, bereits eine 3912 Meter lange Mauer mit 19 Türmen und elf Toren die römische Provinzhauptstadt. Über 1000 Jahre bot sie den Kölnern Schutz.

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Um 1250 wurde Köln dann zur drittgrößten Festung Europas ausgebaut: Zehn Kilometer lang war die prächtige Stadtmauer mit ihren 83 Türmen, Toren und Pforten, Wehrgängen, Wällen und Gräben und sprengte mit über einer Million Tonnen verbautem Steinmaterial selbst die Dimensionen des biblischen Himmlischen Jerusalem. Dieses gewaltige Bauwerk musste über lange Zeiträume instand gehalten werden. Und so erzählen Werner Schäfke und Henriette Meyen auch von Kölner Steuern und Zöllen und windigen Wegen, sie zu umgehen; von Gaffeln, Zünften und Patriziern, die mal gegeneinander mal miteinander, mal hinter, mal vor den Mauern um Herrschaft und städtische Selbstverwaltung rangen.

Im späten 14. Jahrhundert kamen die ersten Kanonen zum Einsatz. Sie wurden durch die Erweiterung des Schussfeldes und Gräben vor Köln beantwortet. Eine weitere Schale entstand: die vorgelagerten Bollwerke. Im 16./17. Jahrhundert, erneut als Reaktion auf neue Artillerietechnik, wurde die Stadtmauer mit Torzwingern, Außentoren und bastionären Umwallungen aufgerüstet. Alexander Hess beschreibt diese heute auch unter Eisenbahndämmen verschwundenen Anlagen. Ein Bastionsrest von 1469 wurde zuletzt beim U-Bahnbau vor dem Chlodwigplatz freigelegt. Über dem Rheinufertunnel, im Rheingarten, zeichnen heute Mauerlinien die Form der Martinsbastion nach.

Die Kölner Stadtbefestigungen

Einzigartige Zeugnisse aus der Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit. Touren entlang der historischen Stadtbefestigungen. Hrsg. von Henriette Meynen. Mit Beiträgen von Alfred Schäfer, Werner Schäfke, Henriette Meynen, Alexander Hess, Dirk Wolfrum, Jens Rohde. Regionalia Verlag. Erschienen als Band Nr. 3 in der Schriftenreihe Fortis Colonia. ISBN 978-3-95540-370-6, 39,95 Euro.

Diese Verteidigungsanlagen wurden nur halbherzig bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ausgebaut, zuletzt mit 23 landseitigen Bastionen, überwiegend Erdwerke nach niederländischem Vorbild. Die Kölner kauften sich von Schanzdiensten frei, finanzierten nur widerwillig und ohne Ehrgeiz ihre Fortifikation, ist zu lesen. Die Anlagen verwahrlosten und wurde den anrückenden Franzosen 1794 kampflos übergeben.  

Das Ende der alten Mauern brachten die Preußen mit ihren neuen  Befestigungsringen und der Forderung, die veralteten bis auf wenige abzureißen. Am 11. Juni 1881 sprengte Oberbürgermeister Herrmann Becker die erste Bresche: „Was unsere Altvorderen bauen mussten, damit Köln groß würde, das müssen wir sprengen, damit Köln nicht klein werde.“ Der Regierungspräsident wollte durchaus mehr Mittelalter erhalten, aber die Kölner Stadtverordneten hielten es für unzumutbar, mehr als drei Stadttore als Denkmäler zu sanieren. Das heutige Erscheinungsbild der erhaltenen Tore, so führt Henriette Meynen aus,  wird durch die historistische Wiederherstellung des damaligen Stadtbaumeisters Stübben bestimmt, durch den Wiederaufbau nach 1945 und die Nutzung der Räumlichkeiten etwa durch Museen oder Vereine.

Preußische Verteidigungslinie hatte 42 Kilometer Umfang

Wie die Preußen die Köln zu einer Festungsstadt „ersten Ranges“ ausbauen, beschreiben Dirk Wolfrum, Alexander Hess und Jens Rohde. Ab 1815 erhalten militärische Belange Vorrang vor den zivilen. Berlin übernimmt den Festungsbau in Köln, lässt Deutz als Brückenkopf bewehren und ab 1816 links- und rechtsrheinisch eine Reihe von rund 500 bis 900 Meter vor den alten Mauern gelegenen Forts, Lünetten und Schanzen errichten. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 wird dann auf insgesamt 104 Festungsbauten aufgerüstet, mit zwölf großen Außenforts links und rechts des Rheins, bis zu neun Kilometer entfernt vom Stadtzentrum. Ab 1881 maß der Festungsring 42 Kilometer Umfang.

Der Versailler Vertrag 1919 besiegelt das Ende von 2000 Jahren Stadtbefestigung. Oberbürgermeister Adenauer bewirkte, dass Forts und Zwischenwerke zu sozialen Zwecken umgenutzt werden durften. Heute sind viele – etwa Fort X oder Fort XI in Holweide – dringend sanierungsbedürftig, so Konrad Adenauer und Henriette Meynen, die Ehrenvorsitzenden von „Fortis Colonia“.  „Ihre Nutzung beziehungsweise Vermietung wird nur halbherzig betrieben und ihre Pflege dabei kaum beachtet“, so Meynen. Letztlich würde die Nutzung der Forts vor allem durch Vereine ihr Überleben langfristig sicherstellen. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass durch die öffentliche Ausschreibung der Nutzung von Fort X so viel Zeit verloren geht. Insbesondere die Karnevalsvereine haben sich doch beim Erhalt der Stadttore sehr bewährt.“ So ist das Buch auch ein Plädoyer für die nachhaltige Pflege der einmaligen Denkmäler.

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