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Akrobatik an der StangeUkrainer begeistert im Kölner Weihnachtscircus

Lesezeit 3 Minuten
Scheinbar schwerelos: Denys Zhygaltsov zeigt Vertikalakrobatik im 7. Kölner Weihnachtscircus. Das Foto machte seine Frau Tatiana Tsygaltsova.

Scheinbar schwerelos: Denys Zhygaltsov zeigt Vertikalakrobatik im 7. Kölner Weihnachtscircus. Das Foto machte seine Frau Tatiana Tsygaltsova.

Der 7. Kölner Weihnachtscircus hat sein Gastspiel bis 15. Januar verlängert. Einer der Stars ist der ukrainische Akrobat Denys Zhygaltsov. 

Denys Zhygaltsov hat schwere Zeiten hinter sich. Als Putin seinen wahnsinnigen Angriffskrieg gegen die Ukraine startete, war der Akrobat, der aktuell mit dem 7. Kölner Weihnachtscircus hier gastiert, schon zum Arbeiten in Deutschland, seine Frau Tatiana Zhygaltsova und die kleine Tochter Nikole aber noch in Charkiw.

Es war ein Alptraum
Denys Zhygaltsov

„Es war ein Alptraum“, sagt Zhygaltsov, und die Erinnerung treibt ihm die Tränen in die Augen. „Es war der pure Horror. Acht Tage Dauerbombardement, und du kannst nichts tun.“ Man habe die ganze Woche fast rund um die Uhr telefonisch in Kontakt gestanden. „Die schwierigste Entscheidung war es, den richtigen Moment zu finden, wann die beiden losfahren.“ Die Hauptstraßen waren komplett verstopft von Millionen Flüchtlingen, die Angriffe der Artillerie machten kaum Pausen.

Auf Nebenstraßen suchte man den kürzesten Weg nach Süden Richtung Moldawien, der Schwiegervater brachte Tochter und Enkelin schließlich nach einem fünftägigen Trip über Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien wohlbehalten nach Mülheim-Kärlich, wo Denys mit einem Kollegen wohnte.

Mit der Familie kehrt das Glück zurück. Eine Frau aus Mülheim, die 66-jährige Brigitte Vogt, nimmt die Zhygaltsovs auf. „Sie gibt uns ein Zuhause, versucht, dass sich Mülheim-Kärlich für uns nach Heimat anfühlt wie Charkiw. Wir leben mit ihrem Bruder und ihrer Schwester in einem großen Haus wie eine große Familie“, schwärmt er. An Heiligabend gibt es noch eine Vorstellung, Vogt kommt nach Köln und anschließend feiert man gemeinsam Weihnachten.

Die andere zweite Heimat ist der Weihnachtscircus. Direktor Ilja Smitt habe da „eine Gemeinschaft voller Wärme“ aufgebaut. „Er hat uns ein Garderobenzelt hingestellt, mit Tischtennisplatte und Tisch-Kicker. Wir haben zwischen den Shows sehr viel Spaß – fantastisch.“ Auch die Zirkuskinder tummeln sich dort. „Ich mache kleine Übungen mit ihnen, Dehnen, Akrobatik, Handstand, die Kollegen machen Diabolo oder Quatsch mit Ihnen.“ So lässt sich der Krieg in der Heimat zumindest verdrängen.

Weihnachtscircus verlängert Gastspiel in Köln bis 15. Januar

Und die Zukunft nicht nur von Nikole scheint vorgezeichnet. Auch bei Denys war es so. Schon der Vater war erst Sportakrobat, später trat er im Zirkus auf. Denys wurde 2004 mit 13 Jahren Europameister, parallel arbeitete er sein Leben lang mit seinem Bruder an einer Equilibristen-Nummer.

Heute ist Zhygaltsov mit seiner Akrobatik am „Aerial Pole“, einer Stange, die in etwa fünf Metern Höhe frei am Seil hängt, ein Trendsetter. Wenn er, der Schwerkraft trotzend, Körperfiguren unters Zirkuszelt zaubert, die Normalsterbliche nicht ansatzweise am Boden hinbekommen würden, hält das Publikum den Atem an. Er scheint an der Stange zu kleben – in Köln hat man das so noch nicht gesehen.

„Es ist schon gefährlich, weil es keine waagrechte Haltemöglichkeit gibt. Es fordert unglaublich viel Training, um den richtigen Grip zu kriegen.“ Zumal Denys aus ästhetischen Gründen auf Magnesia verzichtet. Auch der Style – er tritt im Look der Netflix-Serie „Peaky Blinders“ auf, die sich um die Gangs von Birmingham in den 20er Jahren dreht – ist schließlich wichtig. „Ich will der Beste sein und tue alles dafür“, sagt Denys Zhygaltsov, der Applaus des Publikums bestätigt, dass er auf dem Besten weg ist. Umso erstaunlicher, dass er noch kein Folge-Engagement hat.

Der 7. Kölner Weihnachtscircus hat sein Gastspiel im Palastzelt an der Zoobrücke noch einmal verlängert bis 15. Januar 2023, Tickets ab 24,90 Euro.

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