„Du müsstest tot sein“Kölns Juden leben mit der Angst – Vermehrt Vorfälle in Schulen

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Die Kölner Synagogen-Gemeinde beklagt einen deutlich wachsenden Antisemitimus. (Symbolbild)

Köln – Die Kölner Synagogen-Gemeinde beklagt in der Stadt einen deutlich wachsenden Antisemitismus. „Es gibt eine stetig steigende Zahl von Fällen von offenem Antisemitismus“, sagt der Vorstand der Kölner Synagogen-Gemeinde, Abraham Lehrer. Lehrer, der auch stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, sieht eine wahrnehmbare Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Zwar würden für Köln keine eigenen Zahlen erhoben, der Gemeinde würden aber regelmäßig Vorfälle gemeldet.

Juden in Köln bleiben lieber geheim

„Ein neuer Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde, der äußerlich mit Kippa und Bart als Jude erkennbar ist, ist in seiner erst dreimonatigen Tätigkeit schon mehrmals angegangen worden mit Sätzen wie „Du müsstest tot sein“, nannte Lehrer ein Beispiel. Es gebe in Köln Stadtteile, in denen man sich vorsichtshalber nicht als Jude zu erkennen gebe – etwa durch das Tragen der Kippa, bekräftige Bettina Levy von der Gemeindevertretung der Kölner Synagogen-Gemeinde. Besonders verschärft habe sich die Situation auf Kölner Schulhöfen.

„Im Rahmen unseres Synagogenbesuchsprogramms für Klassen berichten uns Lehrer, dass selbst in Kölner Schulen „Du Jude“ als Schimpfwort gerufen werde, in denen kein einziges jüdisches Kind die Schule besuche“, erläutert Lehrer.

Auch Sätze wie „Alle Juden ins Mittelmeer“ fallen auf Schulhöfen von Kölner Gymnasien, wie ein Lehrer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete.

Kinder in Köln müssen Schulen wechseln

Das deckt sich mit einer Befragung des Deutschen Bundestages unter in Deutschland lebenden Juden, bei der ein Drittel von verbalen Beleidigungen in den vergangenen zwölf Monaten berichtete. Resultat daraus sei, dass unter den Kölner Juden eine „amorphe Angst“ ebenso wachse wie die Tendenz, diesen Teil der Identität gewissermaßen zu verstecken, erläutert Levy.

Kinder wechselten nach Beschimpfungen die Schule oder Eltern verböten ihren Kindern aus Sorge, bei einem Schulwechsel zu sagen, dass sie Juden seien. Es gebe auch Familien, die eine Auswanderung erwägen.

Es sei nicht nur so, dass Internet und soziale Medien die Hemmschwellen gesenkt hätten und zum Verbreitungsinstrument von Hetze würden, konstatiert Levy. Es würden sich auch viel mehr Menschen trauen, ihr gegenüber persönlich antisemitische Andeutungen zu machen. Die Schamgrenze sei – parallel zum Erstarken der AfD – gesunken. Rechts sei salonfähig geworden.

Schuld nicht auf Flüchtlinge abwälzen

Hinzu kommt laut Expertenkreis des Deutschen Bundestages das wachsende Problem des islamisch motivierten Antisemitismus. Dabei betont Synagogen-Vorstand Lehrer, dass es ausdrücklich nicht Flüchtlinge seien, denen diese Entwicklung geschuldet sei. Problematisch sei vielmehr, dass es Muslime gebe, die in zweiter Generation hier lebten und antisemitische Stereotype ihres Heimatlandes an ihre Kinder weitergäben.

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Die Kölner Synagogen-Gemeinde möchte gerade angesichts solcher Anfechtungen ihre Wahrnehmbarkeit steigern und ein „Statement jüdischen Lebens für Köln setzen“, wie Levy es ausdrückt. So soll nach einem Beschluss der Gemeinde die Eröffnung eines Jüdischen Gymnasiums vorgezogen werden, das für alle Kölner Kinder offen sein soll. Die erste Klasse soll 2021 an den Start gehen. Ziel sei außerdem, die Zahl der Synagogenbesuche durch Schulklassen deutlich zu steigern, um Vorurteile abzubauen. Auch sollten Wege gesucht werden, mehr Schulen finanziell zu ermöglichen, Klassenfahrten zu KZ-Gedenkstätten zu ermöglichen.

Zudem fordert Lehrer auch in Köln mehr öffentlich sichtbares zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus. „Aktionen wie Kippa Colonia, bei denen Kölner öffentlich Kippa trugen, sind enorm wichtig.“ Es sei nötig, dass die Mehrheit der Zivilgesellschaft öffentlich zeige, dass sie anders denkt.

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