Kommunalwahl in PorzAlter Hase tritt gegen junge Überfliegerin an

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Henk van Benthem, CDU

  • 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
  • Es geht um spannende Duelle, interessante Kandidaten, prägende Themen und Trends und Kuriositäten.
  • In dieser Folge: Porz: Schon bei der letzten Wahl musste Henk van Benthem von der CDU zittern, nun tritt Sigitta Gelbach für die SPD gegen ihn an.

Porz – Es gab Zeiten, da lebte die Kommunalpolitik nicht zuletzt von kantigen Persönlichkeiten. Man kannte seinen Volksvertreter, der mit beiden Beinen im Leben des Veedels stand, wenig Rücksicht auf Parteidisziplin nahm und für alles kämpfte, was seinen Leuten nützte. Henk van Benthem ist so ein Kommunalpolitiker alten Schlags – als Porzer Bezirksbürgermeister ein Interessenvertreter mit Gewicht, gleichermaßen geschätzt wie umstritten, seit 16 Jahren Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat, einer der wenigen Promis auf kommunaler Polit-Ebene.

Er bezeichnet sich selbst als „Macher“ mit „vielen Ecken und vielen Kanten“. Sein Verständnis von Kommunalpolitik darf man als Abgrenzung von anderen verstehen: „Politik wird nicht am Schreibtisch gemacht, sondern im Gespräch mit Menschen, die mir sagen, was sie brauchen.“

Die Debatte um Doppelmandate schert van Benthem nicht

Der 69-Jährige erlaubt sich Freiheiten, die kein anderer Bezirksbürgermeister hat. Die Debatte in der CDU um unerwünschte Doppelmandate schert ihn wenig. So kandidiert er wieder für den Stadtrat und die Bezirksvertretung gleichzeitig – und dass er Bezirksbürgermeister bleiben will, ist für ihn auch klar. Kritik scheint an dem leidenschaftlichen Porzer abzuperlen, zum Beispiel auch wenn sich die verschiedenen Funktionen, Interessen oder beruflichen Tätigkeiten überschneiden. Der gelernte Versicherungsmakler ist mittlerweile ins Eventmanagement eingestiegen. Der Bezirksbürgermeister organisiert die Feste und Weihnachtsmärkte für die Porzer selbst. „Ich habe die Fäden gerne in der Hand.“ Alles sei „sauber getrennt“, der Erlös gehe an Kirchen und Vereine.

Seit seiner letzten Wahl zum Bezirksbürgermeister, als ihm die Stimmen der Vertreter von Rechtsextremen und Rechtspopulisten ins Amt halfen, muss er sich immer wieder gegen den Vorwurf wehren, sich nicht klar genug nach rechts abzugrenzen. Damals brach ein Sturm der Entrüstung über ihn herein, die Grünen machten seinen Rücktritt zur Bedingung für ein Bündnis mit der CDU im Stadtrat. Doch sie mussten kleinlaut nachgeben.

Taktik des Aussitzens

Van Benthem weiß: Irgendwann wird die Kritik leiser, van Benthem aber bleibt. Fragt man ihn heute nach der Wahl von damals, sagt er, dass er darauf nicht mehr eingehe. Man sollte sich doch darauf einigen, dass der Bürgermeister immer aus der stärksten Fraktion kommen soll. Dann stelle sich die Frage nach der Abgrenzung nicht mehr. Auch Anfang dieses Jahres entschied er sich für die Taktik des Aussitzens, als ein Fraktionskollege mit einer Pistole um sich geschossen und einen jungen Mann verletzt hatte. Van Benthem erklärte das Verhalten des CDU-Bezirksvertreters zur „Privatsache“.

Als man ihm in der Debatte um die Flüchtlingsunterbringung in Urbach Fremdenfeindlichkeit vorwarf, lautete seine einfache Antwort: „Ich war nie gegen Ausländer. Ich war ja selber einer.“ Den Kritikern sagt er, dass er den Rechten oft genug Paroli geboten habe.

„So lange die Kraft reicht, mache ich weiter.“ Er wolle Porz weiter voranbringen. Die Kritiker werden einräumen müssen, dass sie mit van Benthem einen lauten Interessenvertreter für Porzer Belange im Kölner Rathaus haben. Der FC-Fan und Karnevalist weiß auch, wie man die Porzer Seele pflegt: Eine Neuauflage der Porzer Selbstständigkeit sei „ein ewiger Traum, dessen Möglichkeiten ich immer wieder überdenke“, meinte er 2018 in einem Interview. Jetzt sagt er: „Wir wissen, dass das nicht geht. Aber die Zentralisierung der Entscheidungen auf Stadtebene tut den Porzern nicht gut.“

Ehrenfeld ist weit weg

Für Kölner auf der anderen Rheinseite, für die großstädtische Szene in Ehrenfeld oder der Südstadt, sind das Botschaften aus einer anderen Welt. Politiker wie van Benthem stehen auch für die Unterschiede in einer vielfältigen Stadt, wo die Sicht auf gleiche Themen zu höchst unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen kann.

Sein Wahlbezirk, in dem er für den Stadtrat antritt, ist ihm keineswegs sicher. Bei den drei letzten Kommunalwahlen schrumpfte sein Vorsprung vor der SPD von rund 7,5 Prozentpunkten auf knappe 1,5. Nur 99 Stimmen Vorsprung hatte er 2015.

Sigita Gelbach will van Benthem den Wahlkreis streitig machen

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Sigita Gelbach, SPD

In diesem Jahr will Sigita Gelbach versuchen, van Benthem zu schlagen. Mit ihrer Aufstellung hat die SPD für eines der wahrscheinlich interessantesten Duelle im Kommunalwahlkampf gesorgt: Eine frische Newcomerin gegen ein erfahrenes Schwergewicht, Jung gegen Alt, Frau gegen Mann, die Betreuerin der Kindertanzgruppe der „Urbacher Räuber“ gegen den Senats- und Sitzungspräsidenten der Fidelen Aujusse, eine gebürtige Litauerin gegen einen gebürtigen Holländer.

Gelbach sagt, sie stehe für eine andere Perspektive, einen anderen Stil im Umgang mit Menschen und auch für eine andere Zielgruppe. Wenn man als junge Mutter durch Porz gehe, erlebe man andere Probleme und sehe andere Herausforderungen. 

Gleichzeitig Schülerin und Studentin im dritten Semester

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Sigita Gelbach schon einmal porträtiert. 14 Jahre ist das her, es ging um die außergewöhnliche Bildungskarriere einer Zuwanderin, die den Lesern als „Überfliegerin aus Litauen“ vorgestellt wurde. Mit Hilfe eines Stipendiums für begabte Kinder aus ausländischen und bildungsfernen Familien war die 17-jährige Schülerin in der 11. Jahrgangsstufe des Mülheimer Genoveva-Gymnasiums gleichzeitig Pädagogik-Studentin im dritten Semester. Außerdem konnte sie bereits sehr genau beschreiben, woran es im deutschen Bildungssystem mangelt, wenn man es mit der Chancengleichheit ernst meint. 

Als sie und ihre Mutter nach Deutschland kamen, hatten sie kein Geld und konnten kein einziges Wort Deutsch. Die Jugendliche übernahm Schülerjobs, machte die Schülerzeitung des Gymnasiums und engagierte sich im Vorstand der „Jungen Presse Köln“. Wie sie das zeitlich unter einen Hut bekam, war ein Rätsel, das 14 Jahre später nicht kleiner geworden ist.

Gelbach ist jetzt 31 Jahre alt, Gesamtschullehrerin und Mutter von sechs Kindern. Das jüngste ist erst vier Monate, das älteste sieben Jahre alt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist neben der Bildungs-, Integrations- und Sozialpolitik eines ihrer politischen Themen. Nun will sie auch noch die zeitintensive ehrenamtliche Arbeit im Stadtrat mit unter den Hut bekommen.

Dankbarkeit spielt eine Rolle

Möglich mache das „ein gutes Zeitmanagement sowie ein Ehemann und ein soziales Netzwerk im Rücken“; außerdem sei wichtig, immer „einen Plan B und C im Hinterkopf zu“ haben.

„Mir ist bewusst, dass das viel Arbeit ist, aber ich möchte etwas Gutes tun, von dem andere profitieren“, sagt sie. Dankbarkeit spiele auch eine Rolle. Nachdem sie in Deutschland so stark gefördert worden sei, könne sie durch ihr politisches und soziales Engagement etwas zurückgeben. Die SPD sei für sie die einzig denkbare Partei gewesen. Sie teile ihre Grundwerte Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz. Von einer Porzer Unabhängigkeit träumt sie nicht.

Das „besondere Gefühl“ und Selbstbewusstsein in Porz erlebe sie als große Stärke, weil es Menschen zusammenbringe. Aber sich deshalb von Köln loszusagen, müsse nicht sein. „Für mich ist das hier Köln-Porz.“ Gelbach wird es nicht leicht haben, weil ihre Partei bundesweit im Umfragetief steckt. So hofft sie darauf, dass die Porzer Sicht auf die Dinge auch dazu führt, dass ihr die SPD-Krise nicht schadet.

Für die Grünen tritt Anne Kafzyk an

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Anne Kafzyk, Grüne

Zwölf Parteien und Gruppen schicken bei der Kommunalwahl  am 13. September in dem Porzer Wahlbezirk 33 ihre Kandidaten ins Rennen . Bislang sind hier CDU und SPD die dominierenden Parteien. Die Grünen, für die in diesem Jahr die 50-jährige Qualitätsmanagerin Anne Kafzyk antritt, kamen 2015 auf 8,7 Prozent. Für die AfD,  für die der Bundestagsabgeordnete Fabian Jacobi kandidiert, erreichte bei der letzten Kommunalwahl über 6 Prozent. 

Bemerkenswert: Die Wahlbeteiligung lag damals nur bei 42 Prozent, über elf Prozent der Wähler machten ihr Kreuzchen bei einer  rechtspopulistischen oder sogar rechtsextremen Partei.    

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