Hoher Verwaltungsaufwand im EhrenamtHilfsangebot „Lindenthaler Dienste“ für Senioren wird eingestellt

Lesezeit 3 Minuten
Zu sehen ist Andrea Eckardt vor dem Zuhause der Lindenthaler Dienste in Köln am Lindenthalgürtel 30

Andrea Eckardt vor dem Zuhause der Lindenthaler Dienste in Köln am Lindenthalgürtel 30.

Nach 40 Jahren ziehen die Ehrenamtler einen Schlussstrich — die Rahmenbedingungen seien nicht mehr tragbar.

Wenn ältere Menschen um Hilfe bitten beim Saubermachen oder den Einkäufen, steckt oft ein ganz anderer Wunsch dahinter – zumindest auch. Die Erfahrung hat Andrea Eckhardt, ehrenamtliche Geschäftsführerin der Lindenthaler Dienste (LiDi) am Lindenthalgürtel 30 gemacht: „Sie brauchen oft einfach jemanden zum Reden, eine Person, mit der sie ein persönliches Verhältnis entwickeln und auch einmal über ihre Sorgen sprechen können.“ In den vergangenen Jahrzehnten haben die LiDi mit ihrem Besuchsdienst vielen Menschen auf unterschiedlichste Weise geholfen, beim Formulare ausfüllen, Einkaufen, im Haushalt und bei Arztbesuchen – und mit regelmäßigen Gesprächen.

40 Jahre Hilfsangebot in Köln-Lindenthal

Das etablierte Hilfssystem endet nun. Die Lindenthaler Dienste stellen nach 40 Jahren ihre Tätigkeit ein. „Das tun wir nicht, weil es keinen Bedarf mehr gibt“, betont Eckhardt, „ganz im Gegenteil.“ Die Rahmenbedingungen, vor allem auch bürokratischer Natur, seien einfach zu schwierig geworden.

Das Hilfsangebot wurde 1983 gegründet, und zwar auf Initiative von Gemeindemitgliedern der evangelischen Kirchengemeinde Lindenthal. Ziel der Lindenthaler Dienste war damals die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der Verein verschaffte Langzeitarbeitslosen mithilfe von finanziellen Mitteln aus dem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmenpaket eine Beschäftigung: Sie halfen älteren Menschen in ihrem Alltag und ermöglichten ihnen so, länger in ihrer Wohnung zu bleiben. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt unterstützten sie so in zwei Jahrzehnten 315 Langzeitarbeitslose und 80 ältere Menschen.

2004 kam das „Aus“. „Es hieß: Wir haben Vollbeschäftigung“, erinnert sich Eckhardt. „Die ABM-Mittel wurden gestrichen.“ Die Lindenthaler Dienste mussten sieben feste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlassen – und sich komplett neu orientieren. Die meisten Mitglieder hielten dem Verein die Treue. So entwickelte er ein neues Konzept: Die Mitarbeitenden waren künftig rein ehrenamtlich tätig.

Weiterhin vermitteln sie seitdem Menschen, die Unterstützung benötigen, die passenden Ehrenamtler, die dafür allerdings ein bisschen damit hinzuverdienen können. Deswegen sind die Dienste auch nicht gratis, sondern kosten zwischen 12 und 17 Euro die Stunde. Nur zwei Euro davon gehen an die LiDi selbst.

Hoher Verwaltungsaufwand bei Lindenthaler Diensten in Köln 

„Mit dem Verein, der uns finanzielle Sicherheit gibt, sind wir nicht gezwungen, Gewinne zu erwirtschaften“, so Eckhardt. „Wir konnten es uns leisten, genau zuzuhören und für unsere Kunden eine passende Lösung zu suchen, auch ganz unkompliziert beispielsweise, wenn ein Patient zum Wochenende aus dem Krankenhaus entlassen wurde, mit Tabletten im Gepäck, aber beiden Armen in Gips.“

Doch dann änderten sich 2017 erneut die Rahmenbedingungen in Form des Pflegestärkungsgesetzes. Es ermöglichte Menschen mit einem Pflegegrad, sich die Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen in einem gewissen Umfang durch die Pflegeversicherung refinanzieren zu lassen. So wandten sich die Menschen an Dienstleister, deren Service erstattet wird. „Um das Überleben der LiDi zu sichern, mussten wir die Berechtigung erwerben, mit den Pflegeversicherungen abzurechnen“, erläutert Eckhardt. Das gelang, doch der Verwaltungsaufwand wuchs enorm zulasten der individuellen Betreuung.

Gleichzeitig war der Run auf die vergleichsweise günstigen Lindenthaler Dienste enorm: Immer mehr Menschen suchten dort eine preiswerte Reinigungshilfe. Die Bürokratie und die Anfragen überforderten das Büroteam, vor allem in der Pandemie. Mit den Jahren kam die Einsicht: „Der Charme unseres Angebots, die Niedrigschwelligkeit ging verloren und wird künftig nicht mehr möglich sein“, so Eckhardt. Von ehemals 300 Vereinsmitgliedern waren altersbedingt rund 70 geblieben, der Vorstand auf zwei Personen geschrumpft.

Am 31. Dezember 2023 lösen sich der Verein Lindenthaler Dienste und die Geschäftsstelle offiziell auf. Die bestehenden Betreuungsverhältnisse werden laut Auskunft von Eckhardt jedoch privat aufrechterhalten. Und Eckhardt sowie ihre Mitstreiter haben bereits eine neue Idee, wie sie den Menschen sinnvoll helfen können. Sie möchten einen Betreuungsdienst etablieren, unter einem anderen Namen, der sich um das Kernproblem vieler kümmert: die Einsamkeit.

KStA abonnieren