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Köln-MüngersdorfHaus von Architekt wird saniert

Lesezeit 4 Minuten

Das Archiv von Oswald Mathias Ungers’ Erbe wird durch Führungen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das Archiv des bedeutenden Architekten Oswald Mathias Ungers in Köln-Müngersdorf wird saniert. Sein Haus gilt als Paradebeispiel des von ihm betriebenen „Rationalismus" und wird auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Vier gleich lange Seiten, gleichgroße Winkel, größtmögliche Ordnung und Symmetrie. Im Quadrat herrschen Gerechtigkeit, Ruhe und eine besondere Ästhetik. Es war die Lieblingsform eines der bedeutendsten Vertreter der deutschen Nachkriegsarchitektur: Oswald Mathias Ungers.

Er hat große Dinge entworfen, das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, das Wallraf-Richartz-Museum in Köln oder die Kunsthalle Hamburg. Die Hingabe, mit der er Räume erschuf und mit der quadratischen Grundform spielte, ist besonders dort spürbar, wo er selbst gewohnt und gewirkt hat, in seinem ehemaligen Wohnhaus an der Belvederestraße, lustiger- und zufällig passenderweise an der Ecke Quadrather Straße.

Umfangreiche Sanierungsarbeiten an Architektenhaus in Köln

Derzeit ist das denkmalgeschützte Gebäude, das mittlerweile die von Ungers Tochter Sophia geleitete Stiftung „Ungers-Archiv für Architekturwissenschaften“ beherbergt, allerdings unter großen Planen verdeckt, denn es wird von dem Architektenbüro Joachim Sieber umfassend saniert.

Das Giebeldach musste neu gedeckt werden, die Flachdächer wurden neu beschichtet, die Fenster werden aufgearbeitet, wo nötig ersetzt. Die Betonstruktur der Stahlbetonstützen wurden wieder herausgearbeitet. Das Mauerwerk wird gereinigt, die Fugen instandgesetzt, die Zinkdächer werden erneuert, genauso wie Heizung und Elektrik.

An der Bibliothek muss der Dachbelag heruntergenommen werden, die vier Lichtkuppeln darin und der Fußboden erneuert werden. Das steht allerdings erst im kommenden Jahr auf dem Programm. Das Gebäude wird also in neuem Glanz erstrahlen, auch wenn man diesen weiterhin erst auf den zweiten Blick bemerken wird.

Ungers Haus – die Verkörperung des „Rationalismus"

Mit seinen Ziegelsteinfassaden passt es sich chamäleonartig seiner Umgebung in Müngersdorf an, ganz im Geist des „Genius Loci“, von dem Ungers auch beseelt war: Die baulichen Vorgaben und Merkmale des Ortes, an dem er neue Bauwerke schuf, waren für ihn entwurfsbestimmend.

Als er das Haus Ende der 50er-Jahre am Ende einer traditionellen Reihenhauszeile mit Satteldach anbaute, griff er das Material der Fassaden auf und Giebeldachformen. Letzteres geht aber mehrfach gestaffelte in ein Flachdach über, das die kubischen Formen des Gebäudes vollendet. Quadratische Grundformen sind im Ansatz erkennbar, unterbrochen, durch hervorspringende und zurücktretende Wände, einen Treppenaufgang.

Das Haus gilt als Paradebeispiel des von Ungers betriebenen „Rationalismus,“ also einer sachlichen, auf architektonische Grundelemente reduzierten Architektur, die ein komplexes Ganzes ergeben und so poetisch anmuten. Sophia Ungers erläutert den Bau. „Das Haus ist sehr skulptural. Mein Vater versuchte zu zeigen, was er kann, als junger Architekt.“

Innenarchitektur glänzt durch imposante Details

30 Jahre später ergänzte er es durch einen schlichten wie imposanten Anbau: Der Kubus ist heute das Herzstück des Gebäudekomplexes: Dort befinden sich die Bibliothek und Ungers Nachlass. Das eindrucksvolle Innenleben ist in weitere Quadrate strukturiert. Eine formschöne Wendeltreppe führt auf die Galerie.

Weiße Säulenstützen unterstreichen den Eindruck eines Büchertempels, ebenso wie die zwölf auf Sockeln platzierten Gipsköpfe, die jeweils ein Abguss einer Skulptur des griechischen Gottes Apollon sind. Es handelt sich um eine Arbeit des Künstlers Ian Hamilton Finley, mit dem Titel „The twelve who ruled“. Sie spielt auf die Jakobiner an, die in der Französischen Revolution am gleichen Tag geköpft wurden. „Die Köpfe stehen für die Ideale der Französischen Revolution“, sagt Ungers.

Die Bibliothek ist ein Spiegel von Ungers Gedankenwelt. In den Regalen stehen architekturwissenschaftliche Abhandlungen, die er seit den 60er-Jahren sammelte. Traktate bilden einen Schwerpunkt der Sammlung. Das älteste stammt aus dem Jahr 1482. Anja Sieber-Albers, Architektin und langjährige Mitarbeiterin von Ungers, unterstreicht ihre Bedeutung: „Wir sind weltweit ganz weit vorne, was Architekturtraktate betrifft“, betont sie. Sophia Ungers ergänzt: Ein wichtiger Schwerpunkt der Bibliothek sind Werke zur Entstehung der Perspektive, aber auch solche bekannter Größen, wie Mies van der Rohe, Schinkel, Corbusier und anderer.

Kölner Öffentlichkeit wird miteinbezogen

Im Keller befinden sich Ungers eigener Nachlass, seine Entwürfe, dokumentierte Projekte, Abhandlungen, wissenschaftliche Arbeiten, Vorträge, Vorlesungen. Alles wird intensiv genutzt von Wissenschaftlern, von Publizisten, von Ausstellungen. Drei Doktoranden werden von Sophia Ungers und Anja Sieber-Albers mit Material versorgt.

Aber auch die Öffentlichkeit kann einen Blick in Oswald Mathias Ungers’ Erbe werfen, auch derzeit, obwohl es unter Planen versteckt ist. Sophia Ungers und Anja Sieber-Albers bieten Führungen durch das Gebäude und die Bibliothek an.