Als „raffgierig“ diffamiertPfarrgemeinde in Köln-Lindenthal wehrt sich gegen Vorwürfe

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Pfarrhaus

Das ehemalige Pfarrhaus an St. Laurentius steht leer. 

Köln-Lindenthal – Liebe Deinen nächsten! So lautet der christliche Imperativ. Eine Kirchengemeinde sollte ihren Mitmenschen helfen. An das Handeln christlicher Gemeinschaften wird somit ein strenger Maßstab gelegt. In Zeiten, in denen sich viele Bürger in der Stadt verzweifelt Wohnraum suchen und zudem geflüchtete Menschen ein Dach über dem Kopf brauchen, vermutet daher mancher, dass eine Gemeinde ihre Aufgaben nicht erfüllt, wenn sie eine Wohnung oder ein Haus leer stehen lässt – und reagiert mit Zorn darauf.

Katholische Kirchengemeinde St. Stephan in Köln

Ein Bürger oder eine Bürgerin machte unlängst dem Unmut Luft, indem er oder sie Zettel an Masten und Bänken im öffentlichen Raum aufhing, auf denen der Vorstand der Katholischen Kirchengemeinde St. Stephan als raffgierig diffamiert wird. Die Gemeinde versuche, möglichst viel Gewinn mit ihren Immobilien zu erzielen, lautet der Vorwurf in dem anonymen Schreiben.

Der Vorstand der Gemeinde ärgert sich sehr darüber, dass da jemand diesen Weg gewählt hat, statt das Gespräch mit ihm zu suchen. Denn die Gemeinde kann Gründe für den Leerstand nennen: Es handelt sich um das Haus an der Decksteiner Straße 16, eine Wohnung am Suitberg-Heimbach-Platz 13 und eine weitere An St. Laurentius 1.

Haus an der Decksteiner Straße soll verkauft werden

Alle drei sind derzeit nicht bewohnt. Der Kirchenvorstand erläutert den Hintergrund des Leerstandes. Zunächst einmal sei es wichtig, dass den Menschen eines klar ist: „Wir sind nicht der Vatikan und nicht das Erzbistum“, sagt ein Vorstandsmitglied. Wie die anderen Mitglieder möchte der Mann aufgrund der diffamierenden Angriffe namentlich nicht genannt werden.

„Wir sind als Gemeinde eher notorisch klamm und was wir durch Vermietung oder Verpachtung erwirtschaften, geht nicht in die Taschen von irgendjemandem“, sagt er.

Das Haus an der Decksteiner Straße ist sanierungsbedürftig und bietet nur Platz für eine Familie. Weil die Sanierung des Hauses sehr teuer ist, könne die Gemeinde es nicht günstig vermieten, sonst wären die notwendigen Arbeiten für sie nicht finanzierbar. „Wir möchten es im Wege des Erbbaurechts veräußern und falls wir einen Gewinn erzielen, diesen dafür verwenden, mehrere Wohnungen zu bauen“, so der Kirchenvorstand.

Die Wohnung an St. Laurentius gehört zu der benachbarten Kirche – und das ist laut Auskunft der Vorstandsmitglieder auch der Grund, warum sie wie diese leer steht. „Die Kirche ist profaniert“, so der Vorstand. „Wir sind gerade dabei, einen Vertrag über die künftige Nutzung abzuschließen. Die ehemalige Pfarrwohnung, die leer steht, gehört untrennbar dazu und wird mitgenutzt werden.“

Gemeindeeigene Dienstwohnung

Auch für die Wohnräume am Suitberg-Heimbach-Platz 13 hat die Gemeinde bereits Pläne. „Es handelt sich um eine gemeindeeigene Dienstwohnung, die renoviert und dann an einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin vermietet wird.“ Der Kirchenvorstand sieht sich aber vor allem auch deswegen zu Unrecht in der Kritik, weil die Gemeinde im Gegenteil viele Menschen bei der Wohnungssuche und auf vielerlei andere Weise unterstützt: „Wir hängen das eigentlich gar nicht an die große Glocke“, sagt ein Vorstandsmitglied, „weil es für uns ja eigentlich selbstverständlich ist.“

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Aufgrund der öffentlichen Diffamierung möchte das Gremium aber einige Beispiele nennen: Wir haben schon seit einiger Zeit zwei syrische Familien in einer gemeindeeigenen Wohnung untergebracht, sie bei der Suche nach Kita- und Schulplätzen für die Kinder sowie Ausbildungsplätzen unterstützt.

50 Geflüchtete aus der Ukraine werden betreut

Derzeit kümmern sich Gemeindemitglieder um rund 50 Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Sie helfen ihnen bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen. Die Gemeinde hat einen privaten Deutschkurs organisiert. Alle Gemeindemitglieder würden zu Spenden für die Menschen in der Ukraine aufgerufen. Bald wird auch das Haus  an der Bachemer Straße 104, in dem sich das Pfarrbüro befindet, umgebaut. Danach wird dort eine weitere Wohnung zur Verfügung stehen. „Wir können uns gut vorstellen, dass dort eine ukrainische Familie untergebracht wird“, so der Vorstand. Gegen den Verfasser des anonymen Aushangs hat die Gemeinde Anzeige erstattet.

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