Das Tanzzentrum an der Weißhausstraße in Sülz wird 40 Jahre alt. Zu den Kunden gehören Menschen im Alter von drei Monaten bis 93 Jahren.
Parkettsicher seit 40 JahrenKölner Tanzschule feiert Jubiläum

Der Kurs der Ü-65-Jährigen im Tanzzentrum in Sülz mit Tanzlehrer Christian Rehaag ist gut besucht.
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Viele Arbeitnehmer sind ja schon glücklich, wenn sie gelegentlich ein Lob vom Chef kriegen. Barbara Minzenmay-Pfeiffer bekommt nicht nur Anerkennung, sondern sogar Applaus. „Jeden Tag klatschen die Leute nach einer Stunde. Sagen: Das war toll! Wo – bitteschön – gibt es das sonst?“ 40 Jahre kontinuierlich Beifall und zufriedene, oft sogar beglückte Kundschaft – lässt sich ein schöneres Resüme zum Firmenjubiläum ziehen?
Nun muss man allerdings einräumen, dass die jüngste Klientel im Tanzzentrum an der Weißhausstraße noch nicht in der Lage ist, Begeisterung zu artikulieren. Das machen stellvertretend die Mütter, die mit ihrem erst drei Monate alten Nachwuchs zu den „Fit-mit-Baby“-Kursen kommen. Bei den Anderthalbjährigen, den sogenannten Windelflitzern, geht es dann schon eher in Richtung tanzen und bei den Dreijährigen sind Mütter im Kurs bereits überflüssig. Bei allen nachfolgenden Altersklassen muss auch nicht zwangsläufig ein Partner mitgebracht werden. Die Sülzer Tanzschule bietet seit vielen Jahren Kurse für Singles an und freut sich über Tanzende in wirklich allen Altersklassen. „Ich habe Teilnehmer, die durchgängig seit 1991 kommen“, freut sich Minzenmay-Pfeiffer. Der älteste sei 93 Jahre alt.
Tanzkurs mit Christian Rehaag in Köln-Sülz
Mittwochabend, 18 Uhr: Unter den vielen kleinen Lichtern an der abgerundeten Decke im großen Saal bewegt sich nur ein einzelner Herr zwischen den allesamt Hosen tragenden Frauen. Mit zur Seite ausgestreckten Armen folgt er konzentriert den Anleitungen von Tanzlehrer Christian Rehaag. „Einmal vorwärts, einmal rückwärts und wir drehen uns am Platz.“
Nach der Anmeldung sei er zunächst mit dem Tanzlehrer alleine gewesen, berichtet der 75-jährige Manfred lachend. Allerdings nicht lange. Dann kamen Enny (83) und Josi (73) und andere dazu. Die Beweggründe für den unbefristeten Kurs sind bei allen Ü-65-Jährigen mehr oder weniger gleich: „Um fit im Kopf zu bleiben und weil es Spaß macht“, erklärt die 83-jährige Hanna. Eine andere Teilnehmerin zitiert ihren Hausarzt: „Mir ist egal, was Sie tun. Aber hören Sie nie auf zu tanzen!“

Barbara Minzenmay-Pfeiffer ist Chefin des Tanzzentrums in Sülz. Bei ihr spielt die Musik.
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Barbara Minzenmay-Pfeiffer ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass eine abgebrochene Schullaufbahn nicht zwangsläufig ins Verderben führt. Dass sie damals in der Zwölf alles hinschmiss und sich fürs Tanzen und gegen eine Ausbildung zur Pferdewirtin entschied, die ihr ebenfalls im Kopf herumschwirrte, hatte einen praktischen Grund: „Ich wollte nicht auf die Dauer 30-Kilo-Säcke schleppen.“ Also meldete sie sich nach ihrem Praktikum auf der Weidenpescher Pferderennbahn in Sülz für eine Ausbildung zur Tanzlehrerin an. Freilich ohne ahnen zu können, dass sie ihre beiden früheren Chefs irgendwann ablösen und die Einrichtung selber übernehmen würde.
„Inzwischen kommen die Kinder der Kinder, die ich vor 40 Jahren im Kurs hatte, zu uns und werden von meiner Tochter Alexandra unterrichtet“, berichtet die Tanzschulen-Inhaberin, die an diesem Samstag ihre 40-jährige Firmenzugehörigkeit und zugleich ihren 58. Geburtstag feiert. Damals, als sie begann, erzählt Minzenmay-Pfeiffer, seien Tanzschulen eine Goldgrube gewesen. „Die Schülertanzkurse waren proppenvoll.“ Hinzu kamen Disco-Abende und wöchentliche Party-Events.
Viele wollen tanzen wie in „Let's dance“
Der Einbruch sei mit Einführung der Offenen Ganztagsschule erfolgt. „Plötzlich gab es nachmittags keine Zeit mehr für andere Aktivitäten.“ Auf der anderen Seite kamen durch einzelne Filme oder Fernsehformate jedoch immer mehr Menschen, die unbedingt so tanzen können wollten wie in „Let’s dance!“
Diesem Wunsch musste Minzenmay-Pfeiffer oft einen Dämpfer verpassen. „Die Teilnehmer dort lernen in einem harten ganztägigen Training zwar eine perfekte Choreografie, aber wirklich tanzen können die dann noch nicht. Das lernt man bei uns“, erklärt die Tanzlehrerin, die in ihrem Beruf oft genug auch als Paar-Therapeutin gewirkt hat. Eheleute, die sich kaum noch was zu sagen – geschweige denn, Berührung miteinander hatten, seien sich beim Tanzen im wahrsten Sinne des Wortes wieder näher gekommen. In etwa drei Vierteln der Fälle, so schätzt Minzenmay-Pfeiffer, habe das sogar langfristig funktioniert.
Mit anderen Worten: Neben der wissenschaftlich erwiesenen gesundheitsfördernden Wirkung des Tanzens und dem positiven Einfluss auf Bewegungsapparat und Gedächtnis, gibt es weitere Aspekte, die die Teilnehmer seit Jahren in die Kurse kommen lassen. Ein wesentlicher ist – gerade bei den Single-Kursen mit älteren Teilnehmern – die soziale Komponente. In einer großen Gemeinschaftsanstrengung habe man deshalb während der Corona-Zeit versucht, zumindest telefonisch in Verbindung zu bleiben.
Minzenmay-Pfeiffer hat sich im Gegensatz zu manch anderer Tanzschule schon sehr früh vom klassischen Rollenverständnis verabschiedet. Frauen, die gerne mal ihre Führungsqualitäten unter Beweis stellen wollen, waren in ihrer Schule seit jeher genauso willkommen wie gleichgeschlechtliche Paare. Was im alt hergebrachten Sinne der Herr oder die Dame beim Tanz tut, interessiert die 57-Jährige nicht. Sie und das übrige siebenköpfige Lehrerteam nebst Tochter Alexandra sprechen von „Führenden“ und „Folgenden“ und freuen sich, dass neben Walzer, Fox und anderen Klassikern auf dem Parkett immer wieder Neues auf dem Unterrichtsplan Fuß fasst. Seit einiger Zeit boomt Line Dance, eine Tanzform, bei der in Reihen vor- oder nebeneinander getanzt wird.
Tanzzentrum, Weißhausstraße 21 www.tanzschule-köln.de