Manfred Lütz über „Homo-Heilungen”Man kann nicht jede unsinnige Therapie verbieten

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Dass Homosexuelle diskriminiert werden, ist immer noch alltäglich.

  • Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
  • So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. Aber der Psychiater gibt in seinen Büchern auch bewegende Einblicke in die Welt von Süchtigen, Depressiven und Schizophrenen.
  • In seiner KStA-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jeden Woche auf eine von Lesern gestellte (Sinn-)Frage.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen.

Hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn recht, wenn er „Homoheilungen“ per Gesetz verbieten lassen will?

In vierzig Jahren psychiatrischer Tätigkeit habe ich viele Fälle erlebt, dass ein 40 Jahre alter Ehemann zu seinem Freund zog, weil er gemerkt hatte, dass er in Wirklichkeit homosexuell war. Wir haben dann nicht selten die Frau aufnehmen müssen, die allein mit den Kindern zurückblieb und durch diese plötzliche Entwicklung seelisch aus der Bahn geworfen wurde.

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Der Kölner Psychiater Manfred Lütz spricht im Podcast „Talk mit K“ über psychische Erkrankungen und die manchmal fatalen Folgen. 

Es gibt keine sicheren Zahlen, aber früher nahm man an, dass etwa ein Drittel der homosexuellen Menschen mit 25 Jahren noch nicht wussten, dass sie homosexuell waren. Heute mögen die Zahlen vielleicht niedriger liegen, weil Homosexualität nicht mehr wie früher als Problem gesehen wird. Homosexuelle freuen sich ihres Lebens, und das ist gut so. Dennoch ist das „Outing“ vor sich selber und dann auch vor anderen nicht immer ein leichter Prozess. Manchmal wird ein solcher Prozess auch therapeutisch begleitet, weil eigene oder anderer Vorurteile zu überwinden sind. Am Ende ist es zumeist befreiend, sich über sich selber und die eigene sexuelle Orientierung klarer zu sein.

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Es ist davon auszugehen, dass in einem solchen Fall der Mann von vorneherein homosexuell war, sich das aber – aus welchen Gründen auch immer – erst viel später selber eingestanden hat. Theoretisch müsste es dann aber auch eine umgekehrte Entwicklung geben. Theoretisch könnte es denkbar sein, dass ein ursprünglich heterosexueller Mann – aus welchen Gründen auch immer – denkt, er sei homosexuell und dann irgendwann erkennt, dass er eigentlich doch heterosexuell ist. Auch diesen Erkenntnisprozess müsste man gegebenenfalls therapeutisch begleiten können. In der Praxis ist mir ein solcher Fall aber nie vorgekommen. Wäre das eine „Konversionstherapie“, die man jetzt verbieten will?

Zur Person Manfred Lütz

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Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.

Der Fall von „Homoheilungen“, auf den das Gesetz wohl abzielt, sind vor allem von gewissen Sekten propagierte Kampagnen, bei denen Homosexuellen eingeredet wird, eine homosexuelle Orientierung sei Sünde, sie müssten sich „umpolen“ lassen, und das gehe auch durch zielgerichtete „Therapie“. Wer das nicht mache, sei selber schuld, wenn er in der „Sünde“ verbleibe.

Das ist eine Diskriminierung von Homosexuellen, und solche Suggestionen können Homosexuellen Schaden zufügen. Auch die klassische Psychoanalyse sah Homosexualität als therapiebedürftige Krankheit an, und Homosexuelle konnten deswegen noch bis vor nicht allzu langer Zeit nicht Psychoanalytiker werden. Auch das war diskriminierend.

Vor allem Aufklärung hilft

Es bleibt aber die Frage, ob eine gesetzliche Regelung hier wirklich helfen wird. Wenn man jede unsinnige Therapie verbieten wollte, hätte der Gesetzgeber viel zu tun, zumal ja auch andere unsinnige Therapien verheerende Wirkungen haben können.

Um falschen Vorstellungen über Homosexualität entgegenzuwirken, kommt es vor allem auf Aufklärung an, zum Beispiel darüber, dass die katholische Kirche als größte christliche Gemeinschaft Homosexualität lehramtlich nie als therapierbare Krankheit bezeichnet hat, was auch die evangelische Kirche in Deutschland nicht anders sieht.

Haben Sie auch eine Frage an Manfred Lütz?

Schreiben Sie bitte mit Angabe Ihres Namens an: 

luetz-kolumne@dumont.de

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