Lütz-KolumneDieter Bohlen ist in Sachen Menschenverachtung erfolgreicher Täter

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Dieter Bohlen sagt zu seinen DSDS-Kandidaten gerne Sprüche wie: „Was euch von einem Eimer Scheiße unterscheidet, ist der Eimer.“ 

  • Der Kölner Chefarzt und Bestseller-Autor Manfred Lütz ist für seine scharfzüngige Meinung deutschlandweit bekannt.
  • So wettert er unter anderem gegen den Fitness-Kult und Diät-Sadismus. In seiner KStA-Kolumne „Wahn und Sinn – das ganze Leben” antwortet Lütz jeden Woche auf eine von Lesern gestellte (Sinn-)Frage.
  • In Folge 4 geht es um Grenzbereiche der Zivilcourage. Und um die manchmal fatale Vorbildfunktion Prominenter auf Jugendliche.

Ich ärgere mich oft über Jugendliche, die bei mir an der KVB-Haltestelle in einer Gruppe zusammenstehen, viel zu laut reden, sich gegenseitig schubsen und schreckliche Ausdrücke benutzen wie „Hurensohn“ oder „Du Opfer“. Sage ich etwas dazu, oder schweige ich lieber?

Den frühen Christen war es verboten, sich zum Martyrium zu melden. Einen Disput mit aggressiven Jugendlichen vom Zaun zu brechen, nur um den Helden zu spielen, wäre unverantwortlich. Man muss schon abschätzen können, ob eine solche Intervention Aussicht auf Erfolg hat, wobei „Aussicht auf Erfolg“ schon bedeuten würde, dass die jungen Leute wenigstens eine Ahnung davon bekommen, dass ihr Verhalten unangemessen ist. Wenn Sie von athletischer Statur sind und über den schwarzen Gürtel in irgendeiner Kampfsportart verfügen, werden Sie wahrscheinlich überzeugender wirken, als wenn Sie als kleiner, unsportlicher Intellektueller irgendwelchen Lausbuben die Leviten lesen wollen.

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Der Kölner Psychiater Manfred Lütz spricht im Podcast „Talk mit K“ über psychische Erkrankungen und die manchmal fatalen Folgen. 

Solche Situationen sind äußerst unangenehm und hinterlassen ein schales Gefühl. Hätte man nicht doch etwas sagen müssen? Anders dürften die Dinge liegen, wenn da jemand nicht nur verbal, sondern tätlich angegriffen wird. Aber auch da kann es klüger sein, sofort die Polizei zu rufen, als sich selbst unbedacht in die Auseinandersetzung zu stürzen.

Es gibt genügend andere Gelegenheiten, Zivilcourage zu zeigen, wenn es eben nicht um aggressive Gruppen geht, sondern um „übersichtlichere“ Situationen. Und da ist es tatsächlich wichtig, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen, auch wenn es um verbale Aggressionen geht. Menschenverachtende Sprüche können irgendwann auch menschenverachtende Konsequenzen haben.

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Wenn junge Menschen zeitig dazu angehalten werden, Erfahrungen mit wirklichen Opfern zu machen; wenn sie Vorbilder erleben, die überzeugend menschenfreundlich sind, dann sind sie am ehesten davor gefeit, in aggressive Gossensprache abzusinken.

Haben Sie auch eine Frage an Manfred Lütz?

Schreiben Sie bitte mit Angabe Ihres Namens an: 

luetz-kolumne@dumont.de

Wenn aber Leute wie Dieter Bohlen über Menschen sagen, „Was euch von einem Eimer Scheiße unterscheidet, ist der Eimer“, und solche Sprüche auf den Schulhöfen als cool gelten, dann müssen wir uns nicht wundern, dass man so etwas auch an KVB-Haltestellen zu hören bekommt. Dabei könnte man jemandem wie Bohlen problemlos in die Parade fahren, ohne sich in Gefahr zu begeben. Doch es gilt selbst unter Journalisten als uncool, den allseits hochgejubelten „Poptitan“ öffentlich auch nur zu kritisieren. Dieser Mann ist kein schwaches Opfer, sondern erfolgreicher Täter.

Zur Person Manfred Lütz

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Manfred Lütz, geb. 1954, ist Psychiater, Psychotherapeut und katholischer Theologe. Der frühere Chefarzt des Kölner Alexianer-Krankenhauses ist auch Mitglied im Päpstlichen Laienrat.

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