Der charismatische Sänger, der Ende der 90er Jahre zur Ikone aufstieg, ließ das Komplexe aus seiner Musik bei seinem Konzert in Köln weg.
Auftritt an der SüdbrückeManu Chao sucht nach der Leichtigkeit des Seins bei Konzert in Köln

Manu Chao spielte an der Südbrücke sein einziges Deutschland-Konzert.
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La vida es una tómbola, das Leben ist eine Tombola, singt Manu Chao zu Beginn seines Konzerts am Montagabend an der Südbrücke. Er lacht breit, reißt bei seiner Ode an den Fußball-Star Diego Maradona immer wieder die Arme zum Himmel und beschwört, dass er gern leben würde wie jener tragische Superheld Maradona, an der Oberfläche der Erde, mit 1000 Raketen, feiernd und verloren an jedem Ort.
Das Leben ist eine Tombola, bei Tag und Nacht. Chao, der als Weltmusiker, Globalisierungskritiker und charismatischer Lebemensch Ende der 1990er Jahre zur linken Ikone aufstieg, wiederholt den Refrain über fast 20 Minuten, animiert mit seinem Gitarristen Matu Mati und Miguel Rumbao an den Percussions die 5000 Feierwilligen. Der Refrain will kein Ende finden.
Aus der Tombola fischt Manu Chao Endlosschleifen seiner Hits
Die Tombola wird zur Formel des Abends: Die Menschen – die meisten waren jung, als Manu Chao mit seinem Erstling „Clandestino“ bekannt wurde und zwei Jahre später seinen Hit „Bongo Bongo“ nachlegte – wissen ganz gut, was es heißt, zu feiern und sich verloren zu fühlen. Sie wollen heute nochmal zurück, an die Oberfläche, zur Leichtigkeit, und Chao gibt sie ihnen: Aus der Tombola fischt er Endlosschleifen seiner Hits und Beats aus der Dose. Mal ekstatisch und virtuos, oft eingängig und lieber nicht kompliziert.
Um Verlorenheit und Ungerechtigkeit geht es auch in „Clandestino“, Mano Chaos Hymne für die Geflüchteten, die überall als illegal gelten. Albanisch illegal, Bolivianisch illegal, Mexikanisch illegal, Marihuana illegal, singt Chao. Stimmt beim Marihuana in Deutschland nicht mehr, die Ordner haben zwar in jedes Täschchen geguckt, aber die Marihuana-Tütchen nicht konfisziert, vielleicht weiß der 64-Jährige, der in Köln sein einziges Deutschland-Konzert spielt, nicht, dass Cannabis hier jetzt legal ist, ist auch egal.

Manu Chao trat nur mit Gitarrist und Percussionist auf.
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„Ultra Acoustic-Tour” hat der französisch-spanische Sänger seine Tournee genannt, auf der er auch viele Lieder seines aktuellen Albums Viva tu (2024) spielt. Heißt: Gitarre, Percussions plus Chao mit Gesang und Gitarre. Für den zweiten Teil des Konzerts kommen zwei Bläser dazu, die bei vielen Liedern leider nur Animateure bleiben. Gitarrist und Percussionist sind Meister ihres Fachs, Manu Chaos Energie und Lebensfreude sind ansteckend. Die Stimmung wird mit jedem Song ausgelassener. Das Ambiente mit alten Schiffscontainern, Bäumen und Bahntrasse an der Südbrücke ist perfekt.
Leider fehlen der Musik die vielen kleinen Soundbites und Ideen, die Chao in seine Lieder gewebt hatte
Leider fehlen der Musik die vielen kleinen Soundbites und Ideen, die Manu Chao in seine Lieder gewebt hatte, oder sie gehen unter: Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter („Manu? Manu? Mira, no contestas, te mando un fax!“) oder die Ansage aus der Metro („Proxima estación: Esperanza“), die Radiosequenzen, das Rasseln und das Röhren, auch die Sängerin, die mit Chao kommuniziert und seinen Liedern zusätzlichen Charme verliehen hat. Akustik heißt an diesem Abend: Die Combo konzentriert sich auf den Beat-Rhythmus, Melodien und (Dis-)Harmonien bleiben größtenteils auf der Strecke. Die Ufftata- und Lalala-Parts sind nicht zu unterscheiden von einem Konzert einer Karnevalsband – Chao strapaziert sie allerdings über.

Manu Chaos einziges Deutschland-Konzert war ausverkauft.
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Das Leben ist eine Tombola, den meisten Leuten ist die Reduktion seiner Musik an diesem Abend egal. Ein Rebell ist der Mann mit der Mütze und dem Labber-T-Shirt, der einst ein Album nur über Kiosks und von Obdachlosen verkaufen ließ, wohl irgendwie geblieben. Als er mehrfach „Frieden für Palästina“ fordert und ein Victory-Zeichen in den Himmel reckt, machen es Tausende ihm gleich und jubeln. Frieden für die Menschen im Gaza-Streifen, wer wünscht sich das nicht. Kurz durchzuckt es einen, dass es ein Open-Air-Konzert wie hier in Köln war, bei dem die Hamas 343 Menschen, die ein bisschen Leichtigkeit suchten, ermordete und dutzende Feiernde als Geiseln nahm.
Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Es gibt Raketen, die bunt am Himmel leuchten und solche, die auf unschuldige Menschen fallen. Das Leben ist nicht nur eine Tombola, es ist auch kompliziert. Kompliziert sollte dieser Abend mit Manu Chao aber nicht sein.